Berlin. Es knallt und klatscht und rauscht, und am Ende entführt der THW Kiel in der Handball-Bundesliga am Sonntagnachmittag einen Punkt aus dem Fuchsbau. Bei den Füchsen Berlin steht am Ende ein 32:32 (18:18) auf der Anzeigetafel, das für die Berliner böse Auswirkungen haben könnte. Beide Teams bangen um einen Youngster.

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Ganz Berlin ist an diesem Sonntag im April auf den Beinen. Die einen spüren an der Bernauer Straße den Narben der Berliner Mauer nach. Die anderen bestaunen im Museum für Naturkunde den Tyrannosaurus rex. Invalidenstraße, Bernauer, Schönhauser, Mitte, Wedding, Prenzlauer Berg – Berlin an einem Sonntagvormittag ist bunt, laut, schrill, queer, familiär, romantisch, blüht und sprießt. Und in der Max-Schmeling-Halle am Mauerpark treten zwei Handball-Dinos zum Fight in der Handball-Bundesliga an: der THW Kiel von 1904 gastiert bei den (Reinickendorfer) Füchsen Berlin von 1891.

Der zuletzt Grippekranke Rune Dahmke steht in der Anfangsformation

Vor dem Anpfiff sorgt Nathan Evans mit seinem „Soon May The Wellerman Come“ für Seefahrer-Spirit, beschwört den Geist der Küste. Kiel ahoi! Rune Dahmkes Lebensgeister sind vorerst wieder intakt. Der zuletzt grippekranke Linksaußen steht im Kader und in der Startformation, in der Nikola Bilyk als Spielmacher die Fäden zieht. Doch der Gastgeber kommt geschmeidiger aus dem Fuchsbau.

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Alles steht und fällt hier mit Welthandballer Mathias Gidsel? Jein! Jung-Nationalspieler Nils Lichtlein kurbelt flink an, es herrscht permanenter Druck, während der THW im Angriff wenig Lösungen findet, sich Fehler leistet. Fehlpass Harald Reinkind (6.), technischer Fehler Nikola Bilyk (7.), Fehlwurf des Österreichers (7.) – beim Stand von 4:0 für Berlin nimmt THW-Cheftrainer Filip Jicha die erste Auszeit, fordert wie eine Furie mehr Emotionen, rastet aus, bringt Steffen Weinhold für Reinkind, und bis zum 5:0 überrollt das Umschaltspiel der Füchse alles, was ihm in den Weg kommt.

Mit Weinhold, Wallinius, Ellefsen á Skipagøtu fängt sich der THW Kiel

Filip furioso fruchtet: Die Zebras fangen sich. Nach einer Viertelstunde kommen Elias Ellefsen á Skipagøtu und Karl Wallinius, stellen die Füchse im Verbund mit Steffen Weinhold vor größere Herausforderungen. THW-Chefcoach Filip Jicha will im Hinblick auf das Champions-League-Viertelfinale ohnehin Kräfte verteilen. Die Berliner Max Darj und Mijajlo Marsenic können die Mitte unter Druck nicht mehr so gut schließen. Nach zwei Toren von Wallinius und einer sehenswerten Einzelaktion von Ellefsen á Skipagøtu gleicht der THW beim 14:14 (26.) zum ersten Mal aus, ist jetzt reaktionsschnell, wach, vehement. Emotionen kochen vor den 9000 in der ausverkauften Arena über. Genialer Gidsel-Pass auf Fabian Wiede, der mit der Halbzeit-Sirene zum 18:18 ausgleicht.

„Ich fühle mich heute nicht gut behandelt und habe die nötige Linie, das nötige Niveau vermisst.“ THW-Trainer Filip Jicha haderte nach der Partie mit der Leistung der Schiedsrichterinnen Maike Merz (Foto) und Tanja Kuttler.

„Ich fühle mich heute nicht gut behandelt und habe die nötige Linie, das nötige Niveau vermisst.“ THW-Trainer Filip Jicha haderte nach der Partie mit der Leistung der Schiedsrichterinnen Maike Merz (Foto) und Tanja Kuttler.

Gidsel ist es auch, der Halbzeit zwei seinen Stempel aufdrückt. Berlins Lichtlein ist verletzt raus, mit Wiede hakt es hier und da noch, aber die Dänen-Connection aus Gidsel und Andersson funktioniert. Es wird mit harten Bandagen gekämpft. Auf Augenhöhe. Nur nicht zwischen den Pfosten, wo Füchse-Schlussmann Dejan Milosavljev seinen Kieler Kontrahenten Samir Bellahcene in den Schatten stellt und sich Tomáš Mrkva vor der Partie krank abgemeldet hat. Der Serbe pariert gleich dreimal gegen Rune Dahmke (38./39./45.), gegen Eric Johansson (54.) und Hendrik Pekeler (55.), während Gidsel auf der anderen Seite sein Torekonto auf zwölf in die Höhe schraubt.

Längst hat es auch Ellefsen á Skipagøtu erwischt, der nach einem harten Zweikampf mit Knieschmerzen nur noch von der Bank aus zuschauen kann. Filip Jicha hadert später mit der Leistung der Schiedsrichterinnen: „Ich fühle mich heute nicht gut behandelt und habe die nötige Linie, das nötige Niveau vermisst“, sagt der Tscheche. Fuchs Max Darj ist irgendwann am Kopf bandagiert. Nichts für schwache Nerven.

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Crunchtime in Berlin: Als Wiede zum 32:30 trifft (58.), scheint die Partie entschieden. Kleinigkeiten entscheiden. Jerry Tollbring trifft nur den Pfosten (59.), Eric Johansson gleicht doch noch aus (32:32/60.), und die Füchse schaffen es in den letzten 22 Sekunden nicht mehr, ein Tor zu erzielen. „Wir haben heute die Meisterschaft verloren. Ich bin enttäuscht. Ich bin echt stolz auf die Saison. Aber ich will hier Meister werden“, bilanziert Superstar Mathias Gidsel nach dem Abpfiff. „Wenn man ihn nicht stoppt, sieht es schlecht aus. Aber wir sind gut zurückgekommen“, sagt der Kieler Rückraumspieler Karl Wallinius.

Vor dem Viertelfinalhinspiel des THW in Montpellier am Mittwoch sagt Routinier Steffen Weinhold: „Dieses Selbstvertrauen nehmen wir jetzt mit nach Südfrankreich. Dort müssen wir aber von Anfang an da sein.“ Und Filip Jichas wichtigste Erkenntnis nach 60 harten Minuten lautet: „In den Jungs steckt riesiges Potenzial. Das war heute eine Willensfrage. Wir können jetzt auch Montpellier besiegen. Das steckt in uns.“

Füchse Berlin – THW Kiel 32:32 (18:18)

Füchse Berlin: Milosavljev (1.-60. Minute/ 17/2 Paraden), Kireev (bei einem 7m/0) – Wiede 2, Darj 1, Tollbring 4, Andersson 4, Lichtlein 1, Lindberg 5/2, Gidsel 12, Freihöfer 1, Langhoff, West av Teigum n.e., Kopljar, Jacobs n.e., Marsenic 2, Drux.

THW Kiel: Bellahcene (1.-60. Minute/9 Paraden), Mrkva (n.e.) – Ehrig n.e., Duvnjak 1, Reinkind, Øverby, Weinhold 2, Wiencek 2, Ekberg 7/4, Johansson 7, Dahmke 2, B. Szilagyi n.e., Wallinius 2, Bilyk 2, Pekeler 4, Ellefsen á Skipagøtu 3.

Schiedsrichter: Tanja Kuttler/Maike Merz (Meckenbeuren) – Strafminuten: Füchse 10 (Gidsel, Wiede, 2x Andersson, Tollbring), THW 12 (2x Duvnjak, Pekeler, Ellefsen á Skipagøtu, 2x Wiencek) – Siebenmeter: Füchse 2/2, THW 6/4 (Ekberg scheitert zweimal an Milosavljev) – Spielfilm: 5:0, 7:3 (12.), 10:9, 14:14 (26.), 16:17, 18:18 – 20:21, 23:22 (41.), 26:26, 27:28 (48.), 31:29, 32:30 (58.), 32:32 – Zuschauer: 9000 in der Max-Schmeling-Halle in Berlin.

KN



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