Der Drohnen- und Raketenangriff des iranischen Mullah-Regimes auf Israel hat weltweit Sorgen vor einem Flächenbrand im Nahen Osten und möglichen globalen Unruhen ausgelöst. Zugleich fragen sich viele Menschen, wie die Attacke politisch und militärisch einzuordnen ist – und welche Konsequenzen sie nach sich ziehen könnte.

„Rein militärisch gesehen, war der iranische Angriff ein glatter Fehlschlag“, konstatiert der Islamwissenschaftler Gerhard Conrad, der als langjähriger Top-Agent des Bundesnachrichtendienstes (BND) an etlichen Geheimoperationen beteiligt war.

Anlass, die Attacke kleinzureden oder zu verharmlosen, bestehe dennoch nicht. Conrad gegenüber FOCUS online: „Es bedurfte immerhin einer konzertierten, hochqualifizierten militärischen Anstrengung Israels und seiner Verbündeten, den Angriff erfolgreich abzuwehren.“

Ex-BND-Agent Conrad: „Politischer Symbolismus”

Aus politischer Sicht könne sich Teheran allenfalls damit brüsten, „erstmals Israel direkt angegriffen und das Land samt seinen Verbündeten für 48 Stunden in einen erhöhten Verteidigungsmodus gezwungen zu haben“, so Conrad.

Der Ex-BND-Agent: „Es handelt sich hier jedenfalls um einen Akt der politischen und militärischen Selbstbehauptung und Selbstvergewisserung, den die Führung in Teheran angesichts der herben Verluste beim Personal der islamischen Revolutionsgarde in Syrien und Libanon während der vergangenen Monate in erster Linie gegenüber den eigenen Streitkräften für erforderlich gehalten haben wird.“

Conrads Fazit: „Hier spielt politischer Symbolismus eine wesentliche Rolle.“

Der Experte betont gegenüber FOCUS online, dass eine „zumindest medial verwertbare größere militärische Aktion“ Irans abzusehen gewesen sei. „Die konkreten Vorbereitungen hierzu konnten jedenfalls über US-Satellitenaufklärung bereits ein, zwei Tage zuvor erkannt und analysiert werden.“

So blieb genügend Zeit, Luftverteidigungskräfte in Israel zu mobilisieren und zusätzliche alliierte Kräfte in den Einsatzraum zu bringen, etwa die US-Flugzeugträgergruppe Eisenhower aus dem Arabischen Meer und zwei Lenkwaffenzerstörer. Conrad: „Britische Kampfflugzeuge standen in Zypern zur Verfügung, ebenso Kräfte der jordanischen Luftwaffe.“

Für die Abwehr der langsam fliegenden Drohnen, die für ihren Anflug mehrere Stunden benötigten, blieben ausreichend Zeit und Raum, urteilt der Experte. „Sie konnten spätestens über Jordanien und dem Norden Saudi-Arabiens durch Jagdflugzeuge abgefangen werden.“

Problematischer sei die Abwehr ballistischer Raketen gewesen, für die nach deren Abschuss nur Vorwarnzeiten von wenigen Minuten bestehen. Hier kamen die Flugabwehrraketen des hochentwickelten israelischen Arrow-Systems und des Iron Dome zum Einsatz.

„Eindrucksvolle Demonstration“ israelischer Fähigkeiten

Ex-BND-Mann Conrad: „Die Abwehr des umfangreichen Angriffs erfolgte in konzertiertem Einsatz der israelischen, amerikanischen, britischen und jordanischen Luftstreitkräfte in einem gemeinsam kontrollierten und gemanagten Luftraum über Nahost. Damit stellt die Abwehr des iranischen Angriffs eine eindrucksvolle Demonstration der militärischen Leistungsfähigkeit Israels und seiner Verbündeten dar.“

Umgekehrt zeige der abgewehrte Angriff „die Grenzen der bisher eingesetzten iranischen militärischen Möglichkeiten auf“. Conrad zu FOCUS online: „Es ist bezeichnend, dass Teheran sich in den Staatsmedien redlich Mühe geben muss, einen Erfolg herbeizureden und mit Bildmaterial zu anderen Ereignissen zu untermalen.“

Aus Sicht des früheren Geheimagenten spricht nur wenig dafür, dass es Israel bei der erfolgreichen Abwehr des Angriffs belassen wird. „Dem steht allein schon die bisher verfolgte Logik der militärischen Abschreckung entgegen, die auch den untauglichen Versuch eines militärischen Angriffs auf Israel nicht unbestraft lässt.“

Gerhard Conrad: „Die Genugtuung, eine derartige Attacke ohne Reaktion des Gegners vorgenommen zu haben, wird Iran mit großer Wahrscheinlichkeit nicht zugebilligt werden. Eine derartige Zurückhaltung würde nach gängiger Lesart sowohl in Israel als auch im Iran und in der Region als ‚Zeichen der Schwäche‘ angesehen werden.“

Allein schon aus diesem Grund sei mit einer zeitnahen militärischen Reaktion Israels zu rechnen. Conrad zu FOCUS online: „Das Risiko einer militärischen Eskalation, auch unter Einbeziehung der Potenziale der Hisbollah im Libanon, ist also noch nicht vom Tisch.“





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