Wer Kulturhauptstadt werden will, muß gesellschaftspolitisch Farbe bekennen. Das dachten sich wohl die Verantwortlichen der TU Chemnitz, als sie das Forschungsprojekt des Bachelorstudiengangs „Interkulturelle Kommunikation“ vergangenes Wochenende im Universitätsquartier Brühl als Beitrag zum Kulturhauptstadtjahr 2025 der Metropole des Erzgebirgsbeckens präsentierten.

So nahmen sich die Studenten dieses Fachbereichs böser Geschlechterklischees an. Denn das überregional bekannte Kunsthandwerk aus den lauschigen Ortschaften der „Erlebnisheimat Erzgebirge“ verstößt in eklatanter Weise gegen alle Gender-Equality-Standards. Deren aus Holz geschnitzte Räuchermännchen stellen nämlich überwiegend Männerberufe wie Nachtwächter, Spielzeugmacher, Bergmann und Förster dar. „Man braucht nur zuhause mal bei den eigenen Weihnachtssachen zu schauen, was man so stehen hat“, erklärt die Projektverantwortliche Melanie Hühn gegenüber MDR Sachsen – Das Sachsenradio. „Die Frauen sind bei den Räucherfiguren sehr unterrepräsentiert!“

Professorin hofft auf kommerziellen Erfolg der „Smoking Chemnitzer:innen“

Um diese Scharte mangelnder Diversität auszuwetzen, entwarfen die TU-Studenten ganz spezielle „Raachermannel“ jenseits der stereotypen Hölle des alten weißen Patriarchats. Vier neu entstandene Charaktere, angefertigt in einer lokalen Drechslerwerkstatt, stellen nun „M-Powerella“, eine leichtbekleidete Musikerin mit umgeschnallter Gitarre, eine vietnamesische Pflegefachfrau, die eher berufsuntypisch mit lasziv angewinkeltem Bein und Glimmstengel an einer Mauer lehnt, oder auch „die kritische Professorin“ dar. Da Letztere mit Brille, Dutt und Glockenrock beinahe wieder zu geschlechtertypisch daherkommt, macht eine Räucherfigur mit bunter Queer-Flagge, der man ihr Geschlecht nicht direkt ansieht, den kultursensiblen Reigen komplett.

Diese „Smoking Chemnitzer:innen“ sollen „nicht sichtbare Gruppen sichtbar machen“, betont die junge Professorin für interkulturelle Kommunikation. Jede knapp dreißig Zentimeter große Figur repräsentiert ein auf ihre Rolle zugeschnittenes einjähriges Forschungsprojekt, insgesamt soll dieses der erzgebirgischen Volkskunst „frischen Wind“ beisteuern. Professorin Hühn hofft, daß ihre Figuren nicht nur während der kurzen Ausstellung Anfang April, sondern auch weiterhin in Chemnitz gezeigt werden. „Vielleicht gibt es ja auch eine Manufaktur, die Interesse daran hat, die Figuren in Serie zu produzieren“, hofft sie.



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