Die Mitgliedsstaaten der EU sind offenbar mit der Arbeit der EU-Grenzschutzagentur Frontex unzufrieden. Das geht aus Recherchen von Reschke Fernsehen im Rahmen des Norddeutschen Rundfunks (NDR) hervor, über die die Tagesschau berichtet. Die Kritik betreffe vor allem die Eliteeinheit von Frontex, die sogenannten Standing Corps.

Für die Recherche konnte Reschke Fernsehen exklusiv das Sitzungsprotokoll des Strategischen Ausschusses für Einwanderungs-, Grenz- und Asylfragen (SAEGA) aus dem Februar einsehen. Darin zeigten sich laut Recherche vereinzelte Staaten zufrieden mit den Standing Corps. Doch vor allem Staaten an der EU-Außengrenze wie Spanien kritisierten demnach, die Truppe sei aktuell nicht effektiv einsetzbar. Griechenland habe zudem deutliche Kritik am Aufbau und der Ausbildung der Truppe geübt, berichtet die Tagesschau. Unter anderem Frankreich und Italien hätten zudem kritisiert, die Truppe sei nicht auf die Bedürfnisse der EU-Staaten eingestellt.

Probleme beim Aufbau der Standing Corps

Die Standing Corps sind ein neues Projekt der EU-Kommission, das gegen irreguläre Migration vorgehen soll. Nach Erkenntnissen der Tagesschau soll die Truppe dafür bis 2027 insgesamt 10.000 Mitglieder bereitstehen haben. Die Einführung kam für viele überraschend. Es ist die erste bewaffnete Einheit der EU.

Frontex erklärte zu der Kritik, dass der Aufbau der Standing Corps eine große Herausforderung sei, berichtet die Tagesschau. Laut der Recherche sei  die Truppe auch noch nicht so groß wie geplant: Ende 2023 sollten eigentlich schon 7.500 Mitarbeiter im Einsatz sein – tatsächlich gab es aber offenbar zu keinem Zeitpunkt mehr als 4.200 besetzte Vollzeitstellen. Die EU-Kommission sagte auf einer Anfrage von Reschke Fernsehen, Frontex sei zum Nachbessern angehalten.

Vorwürfe illegaler Pushbacks

Zudem würden aktuell zwei Fälle von illegalen Pushbacks intern geprüft, in die Frontex verwickelt sein könnte, berichtet Reschke Fernsehen. Migranten sollen der Ägäis gewaltsam zurück in türkische Gewässer gestoßen worden sein – und Frontex habe trotz Anwesenheit nicht eingegriffen. Derartige Zurückschiebungen über die EU-Außengrenze gelten als illegal, wenn Migranten gehindert werden, einen Asylantrag zu stellen. 

Das Team Reschke Fernsehen hat nach eigenen Angaben beide Fälle zusammen mit der Berliner Rechercheagentur Forensis rekonstruiert. Eine Untersuchung der europäischen Bürgerbeauftragten Emily O’Reilly zeigte Anfang des Jahres bereits, dass Frontex seinen Menschenrechtsverpflichtungen nicht nachkommen könne.

Die Verwicklung von Frontex in Pushbacks hatte den letzten Direktor der Behörde, Fabrice Leggeri, sein Amt gekostet; er tritt als Kandidat der rechtspopulistischen Partei Rassemblement National in Frankreich nun bei der EU-Wahl an. Die sogenannten Frontex-Files hatten für viel Kritik gesorgt. Der neue Direktor, Hans Leijtens, hatte erklärt, keine Pushbacks mehr dulden zu wollen. “Wir sind eine moderne Agentur und wir halten europäische Werte hoch”, sagte Leijtens gegenüber Reschke Fernsehen. Die Agentur wolle die Fälle aufarbeiten.



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