Warum sollte der Angriff auf Man­dats­trä­ge­r:in­nen härter bestraft werden als der auf einfache Parteimitglieder und andere ehrenamtlich Engagierte?

Ein Demonstrant unter vielen hält ein Plakat gegen Gewalt an Politikern hoch

Solidaritätsdemo mit dem von einem rechten Schlägertrupp angegriffenen SPD-Politiker Matthias Ecke Foto: Reuters

Als Reaktion auf die zunehmenden Übergriffe auf Po­li­ti­ke­r:in­nen will die Innenministerkonferenz eine Verschärfung des Strafrechts prüfen. Ihre Mitglieder fragen sich, ob die Normen des Strafgesetzbuchs noch genügen, um dem „demokratiegefährdenden Umstand solcher Angriffe“ gerecht zu werden.

Es ist vernünftig, dass die In­nen­mi­nis­te­r:in­nen dies erst einmal prüfen wollen und nicht gleich eine Verschärfung fordern. Bei der Prüfung werden sie sehr schnell feststellen, dass Körperverletzung und Nötigung heute schon strafbar sind. Es besteht also keine Strafbarkeitslücke. Das ist nicht wirklich überraschend.

Auch bei der Strafzumessung kann und sollte ein demokratiegefährdendes Motiv heute schon strafverschärfend berücksichtigt werden. Die Strafrahmen des Strafgesetzbuches sind schließlich ziemlich weit. So kann eine Körperverletzung mit einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren sanktioniert werden. Angemessene Strafen sind mit dem aktuellen Strafrecht auf jeden Fall möglich.

Die CSU-Innnenpolitikerin Andrea Lindholz schlägt vor, den Strafrahmen bei körperlichen Angriffen auf Politiker zu erhöhen. Doch das wäre reine Symbolik. Immerhin gibt es für die Beleidigung von Po­li­ti­ke­r:in­nen bereits seit dem Jahr 2021 einen erhöhten Strafrahmen. Hat das die Pöb­le­r:in­nen beeindruckt? Eher nicht.

Die Symbolik von Sonderdelikten kann zudem nach hinten losgehen, wenn das neue Delikt Fälle nicht erfasst, die in der öffentlichen Wahrnehmung gleichbehandelt werden sollten. Warum etwa soll der Angriff auf Man­dats­trä­ge­r:in­nen härter bestraft werden als der Angriff auf einfache Parteimitglieder, die am Info-Stand oder beim Plakatieren attackiert werden?

Die Innenministerkonferenz ist insofern konsequent und unterstützt einen Gesetzentwurf des Bundesrats, der Strafverschärfung bei Angriffen auf jede Form gemeinnützigen Engagements vorsieht. Besonders „geschützt“ sind hier also auch Flücht­lings­hel­fe­r:in­nen und Fußball-Schiedsrichter:innen. Wenn schon Symbolik, dann für alle.



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