Rottach-Egern – Christian Köck ist seit Ende April aus dem Rathaus ausgezogen. Nicht weil der Bürgermeister von Rottach-Egern aufhören will, sondern weil das urige Gebäude mit dem auffälligen Uhrenturm abgerissen werden soll. Dafür hat sich eine knappe Mehrheit der Bürger ausgesprochen.

Bevor das Haus für immer aus dem Ort am Tegernsee verschwindet, richtet die Feuerwehr eine Abrissparty aus. Am Freitag, 10. Mai, ab 19 Uhr will man ein letztes Mal Servus zum Rathaus sagen. Ob der Bürgermeister dabei sein wird, hält Köck zunächst vage. Wenn es sich mit der Familie einrichten lässt, werde er vorbeischauen, formuliert er es Tage zuvor im Gespräch mit der AZ zurückhaltend.

Rathaus in Rottach-Egern am Tegernsee wird abgerissen: “Die Trauer hält sich in Grenzen”

Schwingt zum Ende dieser Ära ein bisserl Wehmut mit? “Die Trauer hält sich in Grenzen”, sagt der CSU-Politiker der AZ. Aus seiner Sicht war es kein zeitgemäßes Rathaus mehr. Er führt als Beispiel dafür an, dass es nicht barrierefrei war. Die Mitarbeiter hätten zudem ein modernes Arbeitsumfeld verdient. Die Entscheidung war keine von heute auf morgen, wie der Bürgermeister ausführt. Seit 20 Jahren sei das Projekt in der Diskussion gewesen. “Jetzt sind wir die Generation, die das Ganze umsetzt.” Er selbst ist seit 2014 im Amt.

Die Bürger stimmten im Februar über die Pläne der Gemeinde ab. Köck fasst zusammen: “Der Bürgerentscheid ist entschieden, das Ratsbegehren hat sich durchgesetzt: Wir bauen ein neues Rathaus, das alte wird abgebrochen.”

2020 hat Hirmer das Hotel Bachmair am See übernommen und wollte es renovieren. Seitdem tut sich nichts mehr am Bau.

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54, 5 Prozent der Bürger in Rottach-Egern stimmen für den Rathaus-Neubau

Auf der extra für das Neubau-Projekt eingerichteten Internetseite, die von Fraktionen des Gemeinderates betrieben wird, steht das Ergebnis des Votums: 54,5 Prozent stimmten für den Neubau. Durchaus knapp. Die Wahl-Beteiligung lag bei 57 Prozent. Dezent steht dabei: “Wir hoffen auf ein gutes Miteinander aller.”

Das lässt mitschwingen, dass die Entscheidung Streitpotenzial hatte. In der Vergangenheit hatten sich Widerstand und eine Bürgerinitiative gegen den Neubau formiert. Die “Tegernseer Stimme” bezeichnete das Rathaus “lange Monate als Zankapfel im Ort”. Unter anderem die Schutzgemeinschaft Tegernseer Tal hatte auf ihrer Internetseite deutlich gemacht: “Erhalten ist das neue Bauen! Für unseren Geldbeutel, für das Klima, für unsere Heimat”, heißt es in einem Beitrag vom Juni 2023.

Der Ursprung des Gebäudes liegt im Jahr 1865

Wie historisch bedeutsam ist das Gebäude? Auf der Informationsseite wird die Geschichte erläutert. Ursprünglich wurde das später umgenutzte Rathaus 1865 als landwirtschaftliches Gebäude erbaut. “Am 25. August 1887 kaufte Marie Louise Gräfin Larisch das Haus. Unter ihr wurde das Haus wegen ihres aufwendigen Lebensstils mit Hypotheken belastet.” Wie die “Tegernseer Stimme” berichtet, soll auch Kaiserin Sisi bei ihrer Nichte Marie Louise im Jahr 1888 in eben dieser Pension zu Besuch gewesen sein.

Das Gästehaus “Villa Valerie” sei sodann in die Hände von Münchner Geldleihern gekommen. Im Jahr 1927 kaufte es der Bürgermeister Felix Bachmair für die Gemeinde. Für damals 63.000 Reichsmark. Ab 1957 wurde das Gebäude massiv umgebaut, “von der ursprünglichen Villa Valerie blieben nach dem Umbau lediglich die äußeren Mauern übrig”, heißt es auf der Info-Seite.

Der Rathaus-Turm ist aus den 60er Jahren

Den auffälligen Turm bekam das Gebäude erst um das Jahr 1960 – auch wenn er historischer aussehen mag. Die Seite der Gemeinderats-Fraktionen beschreibt ihn als “ortsuntypisch”, ohne weitere Funktion und von “eher minderer baulicher Qualität”. Unter Denkmalschutz steht das Gebäude nicht.

Scheinbar hingen jedoch einige im Ort an der markanten Optik. “Obwohl der Gemeinderat selbstverständlich die Bedeutung einer ‚vertrauten Ansicht’ anerkennt, ist es doch Tatsache, dass in der 1000-jährigen Geschichte unseres Ortes nur die jetzt lebende Generation das Gebäude in der heutigen Form kennt”, heißt es auf der Neubau-Seite als Gegenargument.

So schaut der Plan fürs neue Gebäude aus.
So schaut der Plan fürs neue Gebäude aus.
© Gemeinde Rottach-Egern
So schaut der Plan fürs neue Gebäude aus.

von Gemeinde Rottach-Egern

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Warum man sich gegen eine Sanierung ausgesprochen hat, legt der Gemeinderat ebenfalls ausführlich dar: Es wäre ansonsten eine Kernsanierung notwendig gewesen. Von Fenstern, Böden, Decken, Dämmung, Brandschutz und vielem mehr. “Es würde wohl nicht viel mehr als ein Skelett von wenigen (ungedämmten) Wänden mit einem negativ ausgefallenem Schadstoff-Gutachten stehen bleiben, deren Fensteröffnungen zudem noch zu klein sind.”

Zudem bewertete man das Kostenrisiko bei einer Sanierung als zu hoch. Die Entscheidung ist letztlich demokratisch gefallen – ein “politischer Sieg” für Köck, wie es die “Tegernseer Stimme” Anfang Februar bezeichnete.

Die Verwaltung ist schon ins Sparkassen-Gebäude in Rottach-Egern umgezogen

Wie geht es nun weiter? Fortan wird die Gemeindeverwaltung in einem “Übergangsquartier” untergebracht sein, wie es der Rathaus-Chef nennt: im nahen Gebäude der Sparkasse. Der Umzug ist schon vollzogen, seit 29. April sei die Verwaltung dort “voll funktionsfähig”. Und wenn wir an dieser Stelle schon bei einer Bank sind, hier die Finanzen zu den weiteren Plänen: Der Abriss und der Neubau werden voraussichtlich insgesamt rund zehn Millionen Euro kosten, so Köck.

Ende Juni könnte das alte Rathaus weichen, wenn alles rund um den Abriss geregelt ist und nach Plan läuft. Im Herbst 2026 könnte das neue Rathaus laut Köck bestenfalls einzugsbereit sein. Zukunftsmusik. Und damit zu echter Musik in der Gegenwart: Die Abrissparty steht unter dem Motto: griechische Nacht. Man freue sich, “unser Rathaus das letzte Mal hochleben zu lassen”, schreibt die Feuerwehr bei Facebook.





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