MÜNSTER. Die AfD hat sich über das Urteil des nordrhein-westfälischen Oberverwaltungsgerichts empört, wonach die Partei vom Bundesamt für Verfassungsschutz als „Verdachtsfall“ eingestuft werden darf. „Wir sind erstaunt, daß für Behauptungen keine Beweise angeführt werden müssen und, daß das Gericht das auch nicht eingefordert hat“, monierte die AfD-Bundesvorsitzende Alice Weidel auf einer Pressekonferenz in Berlin. „Das Urteil ist für uns nicht akzeptabel“, betonte Weidel.

Ihr Co-Vorsitzender Tino Chrupalla ergänzte, daß der Zeitpunkt der Urteilsbekanntgabe „mitten im Europawahlkampf auch zeigt, daß hier eine politische Motivation dahintersteckt“. In den folgenden Tagen werde der Bundesvorstand die – noch nicht vorliegende – Urteilsbegründung überprüfen. „Wir werden uns wohl in Leipzig wiedersehen“, prognostizierte Weidel. In Leipzig hat das Bundesverwaltungsgericht seinen Sitz. Dort kann die AfD gegen die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, keine Revision zuzulassen, Beschwerde einlegen.

CDU-Mann: „Verbotsantrag noch vor der parlamentarischen Sommerpause“

Unterdessen haben Politiker mehrerer Parteien ein Verbotsverfahren gegen die AfD gefordert. „Nun muß die Prüfung der Erfolgsaussichten eines Verbotsverfahrens konkret erfolgen“, sagte etwa Sachsens Innenministerin Katja Meier (Grüne) dem Tagesspiegel. Sie schlug die Gründung einer Task Force durch die Innenministerkonferenz vor. Diese Gruppe solle dann – wie beim NPD-Verbotsverfahren – Material für einen späteren Antrag sammeln. „Unsere Demokratie ist zu kostbar, um nicht alle möglichen rechtsstaatlichen Instrumente zum Schutz unserer Verfassung tatsächlich zu nutzen“, betonte Meier.

Unterstützung fand sie unter anderem beim CDU-Bundestagsabgeordneten Marco Wanderwitz. „Mein Wunsch ist es, daß wir den Verbotsantrag noch vor der parlamentarischen Sommerpause einbringen“, forderte er gegenüber der Zeit. „Gerade im Osten bekommt man die Partei auf politischem Weg nicht mehr klein.“ Ebenso äußerte sich die Linkspartei-Bundestagsabgeordnete Martina Renner gegenüber t-online. „Ein solcher Antrag ist die Selbstverteidigung der Demokratie gegen ihre Feinde.“

Rechtsexperte: Ende der Finanzierung und Verbot nicht ausgeschlossen

Ein Parteiverbot gegen die AfD schätzt der Professor für Öffentliches Recht an der Universität Münster, Fabian Wittreck, als realistisch ein. „Die sind gefährlich nah an dem, was bei der NPD für ein Ende der Parteienfinanzierung gesorgt hat“, erklärte er der Frankfurter Rundschau. Mindestens darauf sollte sich die AfD einstellen – wenn nicht sogar auf mehr: „Das Urteil ist ein weiterer Mosaikstein in Richtung Parteiverbot.“

Nicht überzeugt ist Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP). Das Urteil ebne „nicht automatisch den Weg zu einem Verbotsverfahren der AfD“, betonte er gegenüber den Zeitungen der Funke Mediengruppe. „Ein solches sollte man nur anstrengen, wenn man sich sehr sicher sein kann, daß es auch erfolgreich wäre.“ Vielmehr wolle er die AfD weiterhin mit Argumenten bekämpfen. „Das sollte der Anspruch der seriösen Demokraten bleiben.“

Dieser Meinung schloß sich seine Parteikollegin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger an. Ein Verbot sei nicht nachhaltig. „Wir müssen die AfD inhaltlich stellen, um ihre Wähler wieder von der Demokratie zu überzeugen“, schrieb die frühere Bundesjustizministerin auf X. Beide Liberalen bewerteten die Entscheidung der Richter in Münster für richtig.

AfD scheiterte zuvor mit Klage in Köln

Zuspruch fand das Urteil auch vom Grünen-Bundestagsabgeordneten Konstantin von Notz. „Zweifelsohne zählt die AfD zu diesen Feinden unserer liberalen Demokratie. Daß sie beobachtet werden kann, ist insofern nur konsequent und Ausdruck der Wehrhaftigkeit unseres Rechtsstaats – gerade auch vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte“, sagte er dem Nachrichtenportal RND.

Ähnliche Töne kamen von Bayerns Innenminister Joachim Hermann (CSU): „Das Urteil bestätigt, daß die Verfassungsschutzbehörden von Bund und Ländern die extremistischen Strömungen innerhalb der AfD zu Recht genau im Blick haben“, sagte er der Nachrichtenagentur dpa. Nun müsse geprüft werden, ob die Partei als „gesichert rechtsextremistisch einzustufen“ sei.

Das nordrhein-westfälische Oberverwaltungsgericht hatte am Montag die Berufungsklage der AfD gegen das Bundesamt für Verfassungsschutz zurückgewiesen. Die Partei darf damit vom Inlandsgeheimdienst als rechtsextremer „Verdachtsfall“ geführt werden. Zuvor war die Partei vor dem Verwaltungsgericht Köln mit ihrer Klage gescheitert. (sv)



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