Bevor man auf ein YouTube-Video klickt, sieht man ein Vorschaubild, das eine Botschaft kommuniziert. Das machen sich auch rechte Kräfte zunutze.

Eine Frau steht an einem Rednerpult.

Mehr Reichweite mit starken Emotionen Foto: Screenshot: taz/youtube

Thumbnails sind ein Vorgeschmack auf das, was Zu­schaue­r:in­nen in einem Video erwartet. Gleichzeitig müssen die kleinen rechteckigen Vorschaubilder genug Interesse wecken, damit auch tatsächlich geklickt wird.

Die Voransicht folgt dabei keiner festen Logik. Manche der Thumbnails haben bereits im Vorschaubild viel Text, andere haben nur eine griffige, meist wortkarge Überschrift oder auch nur ein aussagekräftiges Bild. Der Kanal der „Tagesschau“ zum Beispiel hat überwiegend Vorschaubilder in ihrem ikonischen Blau, dazu eine simple Überschrift. Dagegen hat der Kanal des amerikanischen Fernsehsenders Fox News keine Schlagzeilen in seinen Thumbnails, sondern nur ein für sich sprechendes Bild und das Logo im unteren linken Bild. Viele Kanäle, insbesondere die mit professionellen Agenturen im Hintergrund, entwickeln ab einer gewissen Größe und Reichweite ein einheitliches Auftreten und eine Optik mit Wiedererkennungswert.

Das Video hinter dem Thumbnail kann mehrere Minuten, Stunden oder auch nur ein paar Sekunden dauern – doch der erste Eindruck entsteht durch das kleine Vorschaubild. Die Assoziationen, die dadurch entstehen, machen sich auch populistische und radikale Kräfte zunutze.

Dieses Framing durch Thumbnails sieht man auch in der deutschen Medienlandschaft, vornehmlich auf YouTube. „AfD TV“, der offizielle Kanal der antidemokratischen Partei, ist ein Musterfall dafür. Der Aufbau der Vorschaubilder folgt einer klaren Struktur: Ein:e AfD-Politiker:in präsentiert sich auf dem Thumbnail, daneben ein kerniges, meist aggressives und feindseliges Zitat aus einer Rede.

Es dominieren die Farben Weiß, Rot und das typische Hellblau der Partei. Das Zitat geht größtenteils nur über wenige Worte, bestimmte Wörter sind unterstrichen oder hervorgehoben. „Neue Rekordschulden“, „Klima-Ideologie“, „Corona-Lügen“, „Ukrainer zurück in die Heimat“, „Scholz aus dem Bundestag“, „Verschwenderische Ampel“, „Obdachlos mit der Ampel“, „Re-Migration“ – die Inhalte, wenn man sie denn so nennen will, werden farblich hervorgehoben und rot hinterlegt.

Kampf um Aufmerksamkeit

Auch die umstrittene Rede von Alice Weidel, in der sie der Regierung Ende Januar vorwarf, Deutschland zu hassen, wird mit einem markanten Thumbnail präsentiert. „Diese Regierung hasst Deutschland“ liest sich auf dem Vorschaubild, daneben ein Bild der Politikerin am Rednerpult. Das Wort „hasst“ ist dabei überdimensional groß und vereinnahmt das Bild.

In einer kaum überschaubaren Masse an täglich hochgeladenen YouTube-Videos müssen Thumbnails umso mehr hervorstechen, damit das Publikum auf das Video aufmerksam wird. Dabei vermitteln die Vorschaubilder schon vor dem Ansehen einen Ersteindruck und damit auch eine Erwartungshaltung.

„Durch ein Thumbnail kann ein Framing, also ein Rahmen beziehungsweise eine Deutungsperspektive vorgegeben werden, der die Rezeption des Videos im Anschluss lenkt“, bestätigt die Kommunikationswissenschaftlerin Julia Metag. Die Professorin für Kommunikationswissenschaft der Universität Münster setzt sich mit politischer Kommunikation auseinander und weiß um die Suggestionskraft der Bildvorschau.

„Wenn ich also mit dem Thumbnail einen bestimmten ersten Eindruck erwecke, kann es sein, dass dieser beeinflusst, wie das Video rezipiert und eingeordnet wird“, so Metag. Sie macht besonders auf den Personenkult aufmerksam, den die AfD betreibt. Denn: „Bei Thumbnails rechter YouTube-Kanäle stehen oft Personen im Vordergrund.“ Zwar sind die Internetauftritte von Parteien oft personenzentriert, doch präsentieren sich gerade die AfD-Po­li­tiker:in­nen in ihren Thumbnails als Kämpfende.

Das Spiel mit der Angst

„Brandner sprengt die Phoenix-Runde“, heißt es in einem Thumbnail. In einem weiteren behauptet Martin Rei­chardt: „Nicht einmal unsere Fahne darf man noch zeigen.“ Kommunikationswissenschaftlerin Metag erkennt in den Vorschaubildern auch die erste Protestbotschaft: „Insgesamt zeigt sich schon in den Thumbnails, dass YouTube hier als eine Art alternatives Medium benutzt wird. So wird in diversen Texten in den Thumbnails ein Protest gegen die angeblichen Mehrheitsmeinungen oder den bürgerlichen, hegemonialen Diskurs erwähnt.“

Laut der Kommunikationswissenschaftlerin verstehen sich die Videos als Korrektiv, das eine angebliche Wahrheit enthüllen und den öffentlichen Diskurs beeinflussen will. Immer wieder finden sich auf AfD TV Bezüge auf das Coronavirus. So behauptet der Politiker Kay-Uwe Ziegler: „Nicht Corona hat die Kinder krank gemacht, sondern Ihre Politik“, während Martin Sichert meint: „Wir haben ihre Corona-Lügen entlarvt.“ Hört man sich die Reden und Argumente dann einmal an, gibt es aber weder Enthüllungen noch Beweise für die Thesen der AfD.

Dazu betont Metag, dass es ein entscheidender Teil der Kom­mu­ni­ka­tions­strategie rech­ter Thumb­nails ist, Angst und Empörung zu schüren. Mit starken Emotionen lassen sich mehr Aufmerksamkeit und dadurch Reichweite generieren. Letztendlich sind das die großen Klicktreiber auf YouTube: Angst, Ekel, Empörung und Wut. Mit Überschriften wie „Neue Rekordschulden: Die Ampel umgeht schon wieder das Grundgesetz“ spielt die AfD genau auf dieser emotionalen Klaviatur.

Metag sieht darin eindeutig Populismus. Besonders auffällig sei, dass die Vorschaubilder immer wieder einen Gegensatz zwischen Bür­ge­r:in­nen und den Eliten herbeireden. „Dieses Narrativ, das Volk gegen die Eliten, wird häufig schon in den Thumbnails angesprochen. Auch ein Merkmal von Verschwörungstheorien, nämlich dass die Elite einen geheimen Plan hat, den die Akteure aufgedeckt haben, lässt sich in einigen Thumbnails finden“, sagt Metag.

Der Wunsch nach Spaltung

Gerade bei dem rechtsextremistischem Medium Compact sieht man, wie stark die Thumbnails eine gesellschaftliche Spaltung propagieren. In einem Video von Dezember letzten Jahres lautet der Titel eines Thumbnails: „Das Volk leidet – Die Ampel baut Paläste!“, daneben eine Karikatur von Habeck im französischen Adelsgewand. Ähnlich extrem ist ein Bild des Kölner Doms in Flammen, gepaart mit einem schreienden Imam im Vordergrund. Compact macht bereits in den Thumbnails deutlich, welches Narrativ sie bedienen und auf welches Feindbild sie abzielen.

In der rechten Thumbnailgestaltung und -kommunikation sieht Metag viele Parallelen. Die Vorschaubilder rechter Kanäle zielen im Kern auf die gesellschaftliche Spaltung und wollen mit dieser Angst ihr Publikum ansprechen. Was die Menschen aufregt – Ampelpolitik, Klimaschutz, Flüchtende, Religion – scheint beinahe nebensächlich zu sein. Hauptsache, die Vorschau festigt bereits bestehende Meinungen und radikalisiert sie noch mehr.

Doch der Fokus auf Hass und Panik hat System. Die Vorschaubilder bilden einen festen Bestandteil der rechten Medien­stra­tegie. Die populistische Aufmachung ist letzten Endes eine visuelle Version der reißerischen Schlagzeile, eine bildliche Version der verschmähten Click­bait-Über­schrif­ten. Dadurch schafft es die Rechte, selbst eine Kadrierung für ihre Zwecke zu politisieren.



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