Eutin. Es sind sechs Grad. Ein leichter Wind weht. Der Himmel ist grau. So viel ist sicher: Die Wolkendecke wird nicht mehr aufreißen. Auf der Wiese an der Bastion am Großen Eutiner See stehen hunderte von Narzissen und verbreiten trotz allem heitere Stimmung. Fröhlich sitzt eine Menschengruppe davor, auf Bänken oder mitgebrachten Klapphockern, einen Aquarellblock auf den Knien, einen Kuli oder Bleistift in der Hand: Urban Sketcher trotzen jedem Wetter.

Weiterlesen nach der Anzeige

Weiterlesen nach der Anzeige

2014 hat Ulrike Plötz an der Volkshochschule Eutin erstmals einen Kursus Urban Sketching angeboten. Sich einfach irgendwo niederlassen und zeichnen, was einem gerade ins Auge fällt – das ist Urban Sketching. So beschreibt es die lebhafte Eutinerin, die mit ihrer Leidenschaft schon viele angesteckt hat. Meist halten die Urban Sketcher Gebäude oder Objekte fest, aber auch Situationen, die zum Stadtbild gehören.

Skizzen statt Foto-Handy

Für den VHS-Kursus meldeten sich damals zwölf Frauen und Männer an. Entstanden ist daraus die Gruppe Urban Sketchers Eutin, der inzwischen 80 bis 90 Personen angehören. „Wir kommunizieren über Whatsapp. Es gibt eine Gruppe für Termine und eine für Smalltalk, in der Kommentare abgegeben und Bilder gepostet werden“, sagt Ulrike Plötz.

Weiterlesen nach der Anzeige

Weiterlesen nach der Anzeige

Sie geht stets mit einem Skizzenbuch aus dem Haus. „Ohne fühle ich mich unvollständig“, sagt sie und lacht. Ihre Skizzen sind ihr Ersatz für Handy-Fotos. Gern zeichnet sie Menschen und seltene Pflanzen im Eutiner Küchengarten. „Und das, was der Moment mir präsentiert.“ Ulrike Plötz hat schon etliche Kurse und Workshops gegeben. 2017 war sie Initiatorin und Mitorganisatorin des bundesweiten Urban Sketcher-Treffens in Eutin mit rund 150 Teilnehmern. Deutschlandweit, aber auch in Wien und Porto hat sie seitdem an Sketcher-Treffen teilgenommen.

Jens Hübner erklärt Janine Becker, wie sie  Details noch besser herausarbeiten kann.

Jens Hübner erklärt Janine Becker, wie sie Details noch besser herausarbeiten kann.

Einer, der mit Urban Sketching und Aquarell-Workshops sowie Malreisen weltweit herumkommt, ist Jens Hübner. Der Berliner ist in der Szene bekannt, als Berufsbezeichnung gibt er selbst Reisezeichner an. Gerade war er mal wieder zu einem zweitägigen Workshop in Eutin und vermittelte den zwölf Teilnehmerinnen „Die Kunst des Weglassens“. Er vergleiche das Zeichnen gern mit Backen oder Kochen, sagt er. „Das kann jeder. Man braucht Zutaten und Vorbereitung, und dann geht es los.“

Zeichnen im Freien: Narzissenfeld am Schloss

Im Fall seiner Gruppe heißt das: Seiten im Skizzenbuch befeuchten, mit Farbe in Grüntönen grundieren. Mit Kugelschreiber oder Bleistift zeichnen die Teilnehmer vor Ort dann Details, nämlich Narzissen. Jens Hübner geht herum und gibt jedem einzelnen Tipps. Janine Becker (49) aus Eutin ist seit drei Jahren Sketcherin. „Das Tolle daran ist, dass ich im Moment des Zeichnens ganz im Hier und Jetzt bin. Alles ist leise und bunt“, beschreibt sie ihre Empfindungen.

Urban Sketchers Eutin feiern zehnjähriges Bestehen

Das zehnjährige Bestehen der Urban Sketchers Eutin soll im Sommer gefeiert werden.

Am Sonntag, 16. Juni, treffen sich alle Interessierten um 11 Uhr auf dem Marktplatz in Eutin. Es wird kleine Sketchwalks (Rundgänge zu geschichtsträchtigen Gebäuden in der Stadt) geben.

Mit einem Picknick (Verpflegung und Getränke bringt jeder selbst mit) um 14 Uhr auf der Schlosswiese soll das Treffen gemütlich ausklingen.

Weiterlesen nach der Anzeige

Weiterlesen nach der Anzeige

Ingrid Pesch (60) kommt aus Eckernförde und reist seit 2018 als Sketcherin in Schleswig-Holstein herum. „Dabei habe ich so viele nette Leute kennengelernt. Es ist eine tolle Gemeinschaft“, sagt sie. Ihr gefällt „das Zeichnen vor Ort, man nimmt die Umgebung, Stimmung und Gefühle auf. Ich kann mich noch Jahre danach an die Situation erinnern. Zum Beispiel werde ich später noch wissen, dass es heute kalt war“, sagt sie lachend.

Der Besuch von Jens Hübner inspiriert auch Ulrike Plötz. „Ich lerne immer noch dazu“, sagt sie fröhlich und fügt ihrer Narzissenzeichnung ein paar Striche hinzu. In ihrer Wohnung bewahrt sie all ihre Skizzenbücher, mehrere Dutzend, auf. „Schon vor 30 Jahren habe ich überall gezeichnet. Das war Urban Sketching. Nur gab es da den Namen noch nicht.“

LN



Source link www.ln-online.de