STUTTGART. Deutschlands Attraktivität für ausländische Investoren ist im vergangenen Jahr erneut zurückgegangen. Die Zahl der von internationalen Unternehmen in Deutschland angekündigten Investitionsprojekte sank im Vergleich zum Vorjahr um zwölf Prozent auf 733, wie aus einer Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY hervorgeht. Dabei handelt es sich um den niedrigsten Stand seit 2013 und den sechsten Rückgang in Folge. Seit 2017 ist die Zahl der ausländischen Investitionsprojekte in Deutschland um 35 Prozent gesunken. Zum Investitionsvolumen machte EY keine Angaben.

Der Vorsitzende der Geschäftsführung, Henrik Ahlers, zählte eine Reihe von Gründen für die negative Entwicklung auf: „Wir haben in Deutschland eine hohe Steuerbelastung, hohe Arbeitskosten, teure Energie und gleichzeitig eine lähmende Bürokratie. Das Ergebnis: Die Investitionen sinken, die Stimmung bei Verbrauchern wie Unternehmen ist im Keller, die Konjunktur entwickelt sich so schwach wie in keinem anderen Industrieland.“

Deutschland liegt in Europa auf Rang drei bei ausländischen Investitionen

Laut der Analyse wurden 2023 europaweit insgesamt 5.694 Investitionsprojekte und damit vier Prozent weniger als im Vorjahr von ausländischen Investoren angekündigt. Die meisten Investitionen gab es in Frankreich (1.194, Rückgang um fünf Prozent), gefolgt von Großbritannien (985, Anstieg um sechs Prozent). Deutschland belegt den dritten Platz. Einen besonders hohen Anstieg unter den größeren europäischen Standorten verzeichneten die Türkei mit 17 Prozent und die Schweiz mit 53 Prozent.

Die wichtigsten Investoren in Europa und Deutschland sind nach wie vor US-Unternehmen. Die Zahl der Investitionsprojekte sank zwar in Europa um 15 Prozent und in Deutschland um 22 Prozent, dennoch hätten „US-Investoren den Standort Deutschland keineswegs abgeschrieben“, betonte Ahlers. Allerdings sei das Vertrauen der amerikanischen Unternehmen in Deutschland erschüttert.

„Die Probleme in Deutschland liegen tief“

„Es sollte eine Top-Priorität für die deutsche Politik und Wirtschaft sein, dieses Vertrauen wiederherzustellen“, forderte er. Dabei könne es aber nicht um einen Subventionswettlauf gehen. Vielmehr gelte es, „die Rahmenbedingungen so zu verbessern, daß Deutschland in Bezug auf den Arbeitsmarkt, die Infrastruktur und auch die Kostensituation für Investoren wieder erste Wahl ist“. Hinter den US-Konzernen sind chinesische, britische und türkische Unternehmen die wichtigsten Investorengruppen für Deutschland.

Was die Zukunft angeht, zeigte sich Ahlers skeptisch. „Die Probleme in Deutschland liegen tief und sind auch struktureller Art“, sagte er. Eine Trendwende werde daher nicht von heute auf morgen gelingen, sondern müsse vielschichtig sein. Konkret verlangte er „eine echte Steuerreform und einen Abbau von Regulierungsschranken“. Wirtschaftsfreundliche Reformen müßten nicht nur diskutiert, sondern auch umgesetzt werden. (dh)



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