Wenn in Serbien Wahlen oder wichtige Staatsbesuche anstehen, machen Busunternehmer gute Zusatzgeschäfte. Das ist auch beim Besuch des chinesischen Präsidenten und Parteiführers Xi Jinping nicht anders: Aus Städten wie Niš, Stara Pazova, Lapov oder Kragujevac brachten am frühen Mittwoch Dutzende Busse Mitarbeiter staatlicher Firmen nach Belgrad. Sie gingen zum Palast Serbiens, um dort Xi Jinping und ihren eigenen Staatschef Aleksandar Vučić pflichtschuldig zu bejubeln.

Acht Jahre ist es her, dass Xi zuletzt Serbien besucht hat – und damals ein Dokument über eine “umfassende strategische Partnerschaft” unterschrieb. Nun sei Serbien “Chinas erster strategischer Partner in Zentral- und Osteuropa”, sagte Xi Jinping. “Wir schreiben heute Geschichte”, sagte Präsident Vučić, er sei dem chinesischen Staatschef “unendlich dankbar” für all das, was sein Land von China lernen könne. Spektakuläre Ergebnisse aber blieben aus bei dem Besuch nun aus: Die rund 400 Köpfe zählende Delegation unterzeichnete lediglich 21 unverbindliche Memoranden und nur einen vergleichsweise unwichtigen Vertrag über juristische Zusammenarbeit.

Die Volksrepublik ist einer der größten Investoren in Serbien

Schon jetzt sind Serbien und das gleichfalls autoritär geführte Ungarn wichtige wirtschaftliche Brückenköpfe Chinas in Europa. Chinesische Unternehmen bauen Autobahnen und Brücken; sanieren die Eisenbahnlinie Belgrad-Budapest und beuten die einzige Kupfermine Serbiens aus. Den Vereinten Nationen zufolge ist China nach Deutschland, Italien, den USA und Russland der größte Investor in Serbien – mit schnell steigender Tendenz.

Serbien tritt auf seinem Weg zu einer EU-Mitgliedschaft unter seinem autokratisch regierenden Präsidenten auf der Stelle. Vučić lehnt sich statt an die EU lieber an Russland oder China an. So erkennt China bis heute nicht die 2008 ausgerufene Unabhängigkeit des Kosovo an, betonte Xi Jinping am Mittwoch; Vučić bekräftigte seinerseits, dass Serbien Taiwan für einen untrennbaren Teil Chinas hält.

Xis Besuch in Belgrad fand zum 25. Jahrestag eines Bombenangriffes der Nato statt. Während ihrer Bombenkampagne gegen Serbiens damaligen Diktator Slobodan Milošević am 7. Mai 1999 wurde statt eines von der CIA festgestellten Militärversorgers tatsächlich die chinesische Botschaft getroffen. Drei Chinesen starben, 20 wurden verletzt.

Die chinesischen Kredite sind teuer

Vučić sprach am Mittwoch mit Xi Jinping aber nicht nur über Handel und Landwirtschaft, Industrie und künstliche Intelligenz, sondern auch über eine Zusammenarbeit im Militärbereich. Das Hauptaugenmerk liegt indes auf der Wirtschaft. Im Oktober 2023 unterschrieb Vučić in China ein Freihandelsabkommen, das am 1. Juli in Kraft tritt.

Vor dem Serbien-Palast wartet eine Menge auf Xi und Vučić: Mitarbeiter von Staatsfirmen waren zu diesem Zweck aus anderen Städten nach Belgrad gefahren worden. (Foto: Darko Bandic/dpa)

Wie vorteilhaft Chinas Investitionen in und für Serbien tatsächlich sind, steht aber auf einem anderen Blatt. Die Tageszeitung Danas schätzt, dass Serbien in China bereits mit fünf Milliarden Euro in der Kreide steht – das wäre weit mehr als ein Zehntel der offiziell 36,4 Milliarden Euro Staatsschulden des schon amtlich nur 6,6 Millionen Einwohner zählenden Serbiens. Zudem sind chinesische Kredite für Serbien “teurer als solche, die wir im Westen hätten bekommen können”, urteilt der Ökonom Ljubomor Madžar in Danas.

Dazu kommen milliardenschwere Bauprojekte, sie sind oft ebenfalls auf Kredit finanziert. Die Rechnungen für Bauvorhaben seien “höher gewesen, als sie hätten sein müssen”, so Ökonom Madžar. Und der Oppositionsparlamentarier Dušan Nikezić schätzte die gesamten Verbindlichkeiten gegenüber Peking im Infodienst N1 gar auf fast 18 Milliarden Euro.

Es gibt Hinweise, dass Vietnamesen und Inder Zwangsarbeit geleistet haben

Einzelne chinesische Großinvestitionen haben inzwischen einen zweifelhaften Ruf oder profitieren von fragwürdigen Entscheidungen. Da ist etwa die früher staatliche Kupfermine von Bor im Osten Serbiens. Der Abbau der Vorkommen führte dort zu einer massiven Belastung der Umwelt. 2020 stellte ein Bericht zweier Ministerien und des Instituts für öffentliche Gesundheit in Bor ein erhöhtes Krebsrisiko fest und die höchste Belastung mit Schwermetallen in Serbien, die alle Grenzwerte zigfach überschreite, so berichtet der Investigativdienst “Balkan Insight” (BI).

2018 übernahm die chinesische Zijin Mining 63 Prozent der Bor-Minengesellschaft RTB Bor und erhöhte die Produktion weiter. Die Firma will weitere Regionen für den Abbau erschließen – Serbiens Regierung stellte fest, eine Umweltverträglichkeitsprüfung für eine beantragte Zone sei überflüssig.

Auch die chinesische Baufirma CEEG EPC bekam mehrere große Projekte – etwa den Bau einer Reifenfabrik des chinesischen Reifenherstellers Shandong Linglong im serbischen Srenjanin oder einen Straßenbau in Valjevo im Westen Serbiens. Doch BI zufolge wurde die Firma von mindestens 25 serbischen Unternehmen auf Zahlung verklagt. Zudem beschäftigte die Firma Leiharbeiter aus Vietnam und Indien – zu Bedingungen, die Zwangsarbeit oder gar Menschenhandel gleichgekommen seien.

Tomoya Obokata, Spezialberichterstatter der Vereinten Nationen über aktuelle Formen der Sklaverei, stellte gegenüber BI fest, die Belege deuteten “sowohl im Fall der Vietnamesen wie der Inder zumindest auf Zwangsarbeit”. Schon im Januar 2022 habe er entsprechende Nachfragen an die chinesische Firma und die serbische Regierung gestellt. Eine Antwort sei ausgeblieben, so teilte Obokata im März mit.



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