„In seiner Partei ist er die erste Geige, aber in seiner Freizeit Gitarrist“: Leicht und launig stieg Caren Miosga in die neueste Folge ihres Polittalks am Sonntag ein, als sie Lars Klingbeil, den Parteivorsitzenden der SPD, mit diesen Worten und einem Video vom Gitarre spielenden Klingbeil anmoderierte. Doch mit der Leichtigkeit war es schnell dahin.

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Als die Moderatorin eine kürzlich von SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich im Bundestag gehaltene Rede rund um die Taurus-Debatte ansprach, fühlte der für seine Lockerheit bekannte Politiker sich nämlich missverstanden – und nicht nur sich, sondern auch seinen Parteikollegen und die gesamte Partei. Mützenich hatte in der Rede die Frage gestellt, ob „es nicht an der Zeit ist, dass wir nicht nur darüber reden, wie wir einen Krieg führen, sondern auch darüber nachdenken, wie man einen Krieg einfrieren und später auch beenden kann“.

Satz machte Mützenich für Melnyk zum „widerlichsten deutschen Politiker“

Der Satz hatte bei Grünen, FDP und Union viel Kritik ausgelöst und der frühere Botschafter der Ukraine in Deutschland, Andrij Melnyk, nannte Mützenich deshalb sogar den „widerlichsten deutschen Politiker“. Doch was sagt Klingbeil dazu, der bei der Rede applaudiert hat? Steht er hinter dem Satz, will Miosga wissen, und lässt nicht locker.

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Klingbeil findet es jedenfalls nicht richtig, „die Rede auf diese Passage zu verkürzen“, sagte er. Wenn Leute die Rede Mützenichs wegen dieses Satzes als ein Abrücken von der Ukraine deuteten, sei das ein „Missinterpretieren dieser Rede“, so der SPD-Vorsitzende weiter. Lockert Miosga sonst immer mal wieder die Stimmung zwischendurch auf, blieb sie hier hart bei der Sache, ließ unter anderem eine Ukraine-Karte einblenden, die die besetzten Gebiete zeigte, die bei einem „Einfrieren“ des Krieges „unter russischer Herrschaft leben“ müssten – und Gewalt, Vertreibung und Vergewaltigungen ausgesetzt seien.

Wir werden aus Deutschland niemals der Ukraine sagen: ‚Ihr hört jetzt auf zu kämpfen‘. (…) Wir werden die Ukraine dauerhaft und tatkräftig unterstützen.

Lars Klingbeil, Parteivorsitzender der SPD

Das änderte nichts an Klingbeils Aussagen, er beharrte darauf, dass die SPD und auch Mützenich voll hinter der Ukraine stünden, und betonte: „Wir werden aus Deutschland niemals der Ukraine sagen: ‚Ihr hört jetzt auf zu kämpfen‘. (…) Wir werden die Ukraine dauerhaft und tatkräftig unterstützen.“ Miosga hakte nach, ob Klingbeil den Satz von Mützenich so wiederholen würde. Ein „Ja“ oder „Nein“ bekam sie allerdings nicht aus ihm heraus, stattdessen: „Ich mache mir den Satz zu eigen, dass wir in Deutschland im Parlament auch eine Debatte führen müssen, wie man Kriege beendet und Frieden bekommt.“ Und weiter: „Es gibt doch keinen Zweifel daran, wo die SPD steht.“ Bei Miosga offenbar schon. Klingbeil hingegen will „nicht akzeptieren, dass unser Fraktionsvorsitzender dafür so angegangen wird“. Die Debatte – immer noch nur zu zweit – schien festgefahren an der Stelle. Zeit für einen Themenwechsel.

Miosga fand ihre Leichtigkeit wieder, sagte, dass Klingbeil beim Wahlkampf für die letzte Bundestagswahl viel gelobt worden sei: „Viele sagen: ‚Der Lars ist so nett.‘“ Doch einen gebe es, der das nicht gesagt habe: Armin Laschet. Sie blendete dazu ein Zitat des CDU-Politikers ein, der dem SPD-Parteivorsitzenden darin „negative campaigning“ vorwarf und sagte, dass Klingbeil ihn als „Mini-Trump“ bezeichnet habe. Ob er die Aussage bereue, wollte Miosga wissen. Und kam diesmal nahe an ein „Ja“ oder „Nein“ heran: „Es war Wahlkampf“, so Klingbeil. „Da wird dann auch mal hart argumentiert.“ Er habe Aussagen bereut, für die er sich entschuldigt habe, aber die über Laschet gehörte offenbar nicht dazu.

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Klingbeil: Union und AfD nicht in einen Topf werfen

Union und AfD wolle er aber keineswegs in einen Topf werfen, betonte er dann, weil Miosga das seiner Partei vorwarf, indem sie einen Instagram-Beitrag der SPD dazu einblendete, der die Rentenpolitik von Union und AfD gleichstellte. „Die Union ist für mich ein politischer Gegner“, so Klingbeil dazu, die AfD nicht. Zu CDU-Chef Friedrich Merz habe er ein „vernünftiges Verhältnis“, sie träfen sich ab und zu und sprächen über Dinge, aus denen nichts nach außen dringe. Die AfD hingegen sei eine rechtsextreme Partei. „Sie werden von mir diesen Vergleich nicht hören“, versprach er.

Nach knapp einer halben Stunde wurde die Runde dann geöffnet. Helene Bubrowski, Stellvertretende Chefredakteurin von Table.Briefings, und Moritz Schularick, Präsident des Kiel Instituts für Weltwirtschaft, saßen nun mit am Tisch – gingen jedoch etwas unter in der Debatte, die eigentlich die Frage „Wofür braucht es die SPD noch?“ beantworten sollte, es aber nicht so richtig tat.

Das ist ein tolles Zukunftsprogramm, aber in erster Linie für die, die schon Rentner sind oder bald in Rente gehen.

Moritz Schularick, Präsident des Kiel Institut für Weltwirtschaft

Stattdessen ging es etwa um die Kommunikation von Bundeskanzler Olaf Scholz – dem Bubrowski vorwarf, nicht nur nicht richtig zu erklären, sondern auch Versprechen nicht einzuhalten, ohne das weiter auszuführen. Dazu, dass 76 Prozent laut einer neueren Umfrage unzufrieden mit der Arbeit des Kanzlers seien, wie Miosga einwarf, sagt Schularick: „Die Lage ist einfach schlecht, da ist nicht viel schön dran zu reden.“ Deutschlands Wirtschaft sei seit 2019 nicht mehr gewachsen. Es müsse langsam wieder in den Vordergrund gestellt werden, wo diese Volkswirtschaft hingehe. Womit er die Debatte zumindest etwas nach vorne drehte.

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„Zukunftsfest“ müsse die SPD das Land machen, forderte auch Bubrowski. Am Beispiel des neuesten Rentenpaket-Entwurfs wurde das dann einmal durchexerziert. „Das ist ein tolles Zukunftsprogramm, aber in erster Linie für die, die schon Rentner sind oder bald in Rente gehen“, kommentierte Schularick. Dass das Rentenniveau dauerhaft stabilisiert werden solle, wie Klingbeil betonte, nahm auch die Journalistin Bubrowski ihm nicht ganz ab und warf ihm vor: „Das ist dieselbe Antwort, die der Kanzler immer gibt: ‚Alles wird gut‘.“

Wie wird wirklich alles gut?

Wie wirklich alles gut werden könne, blieb in dieser Debatte, die eher abrupt endete, weitestgehend offen. Ein paar abschließende Gedanken dazu durfte zumindest Schularick noch einbringen: „Wir brauchen eine dezidierte Wachstumsagenda“, forderte der Wirtschaftexperte. Es müssten mehr Anreize geschaffen werden, etwa für Pensionäre, die was dazuverdienen wollen, „unbedingt“ müsse die Erwerbstätigkeit von Frauen erhöht werden, und es brauche Zuwanderung, „die uns nützt“. Weg von der „eingefrorenen, gelähmten Republik“ zu mehr finanziellem Spielraum. Wogegen am Ende auch Klingbeil nichts einzuwenden hatte.



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