„Ich bin auch ein Opfer von Roman Polanski“, sagt Charlotte Lewis. „Er hat mich ausgenutzt, und ich musste seitdem mit den Folgen seines Verhaltens leben.“ Für die britische Schauspielerin ist dieser Moment vor Reportern wohl ein Befreiungsmoment. Lewis wirft dem Regisseur Polanski vor, sie Anfang der 80er als Teenager vergewaltigt zu haben. Im Mai 2010 tritt sie damit das erste Mal an die Öffentlichkeit. Ihre Anwältin erklärte, Lewis sei willens, unter Eid auszusagen, Polanski müsse als Täter zur Rechenschaft gezogen werden. Sie habe ihre Aussage bei Polizei und Staatsanwaltschaft hinterlegt. Auf eine Klage verzichtete sie aber. Ein Moment, der Lewis bis heute beschäftigt – und sie nun doch vor Gericht führt, in der Position der Anklägerin.

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Denn kurz nach dem Statement melden sich Polanskis Anwälte, ebenfalls in der Öffentlichkeit. Man sei „ziemlich verwundert“ darüber, dass die Britin Jahre nach der mutmaßlichen Tat eine Rolle in Polanskis Film „Piraten“ übernommen habe. Sollte sie die Vorwürfe wiederholen, „ist es wahrscheinlich, dass wir sie vor Gericht bringen“. Sein Kollege Hervé Temime sprach von einem wahren „Lügennetz“.

„Man versucht aus mir ein Monster zu machen“

Und auch Polanski meldet sich selbst zu Wort. 2019 beteuert er in einem Interview mit dem Klatschblatt „Paris Match“ erneut seine Unschuld. „Man versucht aus mir ein Monster zu machen“, prangt in kursiven Buchstaben auf dem Cover der Zeitung. Die Vorwürfe von Lewis bezeichnet er als eine „abscheuliche Lüge“. In einem Interview mit der britischen Boulevardzeitung „News of the World“ habe sie ihr Verlangen nach ihm zum Ausdruck gebracht. Sie soll gesagt haben, dass sie bei ihrer Begegnung mit Polanski wusste, dass dieser „in den USA etwas Schlimmes“ gemacht hatte, „aber ich wollte seine Geliebte sein“.

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Weiter zitierte das Blatt die Schauspielerin mit den Worten: „Ich begehrte ihn möglicherweise mehr, als ihm recht war“. Mit ihren früheren Aussagen konfrontiert, erklärte Lewis, „News of the World“ habe sie falsch zitiert. Wegen der Aussagen im „Paris Match“-Interview zieht Lewis nun mit einer Verleumdungsklage vor ein Pariser Gericht. Sie halte an ihren Vorwürfen gegen Polanski fest.

Die britische Schauspielerin Charlotte Lewis wirft Roman Polanski Vergewaltigung vor.

Die britische Schauspielerin Charlotte Lewis wirft Roman Polanski Vergewaltigung vor.

Es sind nicht die ersten Vorwürfe sexuellen Missbrauchs gegen Polanski. Und es ist nicht das erste Mal, dass er deshalb mit der Justiz in Berührung kommt. 1977 wurde er wegen „Vergewaltigung unter Verwendung betäubender Mittel“ in Los Angeles angeklagt.

Um die damals 13-jährige Samantha Geimer vor der öffentlichen Anteilnahme zu schützen, verständigten sich die Anwälte sowie die Staatsanwaltschaft auf einen sogenannten „plea bargain“. Geimer musste damit nicht vor Gericht aussagen und Polanski bekannte sich unter der neuen Anklage des „außerehelichen Geschlechtsverkehrs mit einer Minderjährigen“ für schuldig. Weil Geimer zur Zeit des Vorfalls noch so jung war, musste Polanski 90 Tage in ein Gefängnis, wo er gerichtspsychiatrisch beurteilt wurde. Nach 42 Tagen wurde er entlassen, mit der Empfehlung einer Bewährungsstrafe.

Weitere Vorwürfe von weiteren Frauen

Doch es kam anders. Als sich abzeichnete, dass der Richter der Empfehlung nicht folgen würde, floh Polanski nach London und lebte anschließend jahrelang in Frankreich. Erst am 26. September 2009 wurde er durch einen internationalen Haftbefehl am Flughafen Zürich festgesetzt. Er wollte beim „Zurich Film Festival“ den Preis für sein Lebenswerk entgegennehmen.

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Statt in Haft musste Polanski ab Dezember 2009 in einen elektronisch überwachten Hausarrest, seine Ausweispapiere abgeben und eine Kaution in Höhe von 4,5 Millionen Schweizer Franken zahlen. Rund ein halbes Jahr später wiesen die Schweizer Justizbehörden den Auslieferungsantrag der USA ab und hoben Polanskis Hausarrest auf. Auch Polens Oberstes Gericht verbot im Dezember eine Auslieferung Polanskis in die USA.

Bekannte #MeToo-Täter drängen wieder in die Öffentlichkeit.

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Ist die Schamfrist vorbei? Mehrere im Zuge der #MeToo-Bewegung als Sextäter identifizierte oder beschuldigte Stars versuchen ein Comeback – etwa Komiker Louis C. K. Nur wenige Fälle landeten vor Gericht. Ist es schon Zeit für eine zweite Chance?

Im September 2017 meldete sich eine weitere Frau zu Wort, die dem Regisseur vorwarf, sie 1972 in Gstaad (Schweiz) vergewaltigt zu haben. Sie habe aus Rücksicht auf ihre Eltern so lange geschwiegen. Zum Zeitpunkt der mutmaßlichen Tat war die ehemalige deutsche Schauspielerin Renate Langer 15 Jahre alt. Sie erstattete bei der Schweizer Polizei Anzeige gegen ihn.

Zwei Jahre später warf auch Valentine Monnier ihm vor, sie 1975, ebenfalls in Gstaad, vergewaltigt zu haben. Sie war zu dieser Zeit 18 Jahre alt. Einen Monat vorher warf eine Frau aus Kalifornien, die ihren Namen nur mit Robin angab, Polanski vor, sie 1973 missbraucht zu haben. Sie sei damals 16 Jahre alt gewesen. Da in diesem Fall die Verjährungsfrist bereits abgelaufen sei, plane sie aber keine Klage gegen den Filmemacher. Tatsächlich ist das Gerichtsverfahren der damals 13 Jahre alten Samantha Geimer bisher das einzige gegen Polanski.

Frankreich und sein Me-Too-Moment

Nun folgt der Prozess gegen Charlotte Lewis – wenn auch nur indirekt. Das Verfahren dürfte große Aufmerksamkeit in Frankreich erregen. Erst 2020 trat die gesamte Führung des César Filmpreises zurück, nachdem Polanski den Preis erhalten sollte und die Schauspielerin Adèle Haenel aus Protest die Veranstaltung verlassen hatte.

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Schon länger wird in Frankreich Machtmissbrauch und sexualisierte Gewalt in der Filmindustrie angeprangert. Vorwürfe gab es zuletzt auch gegen den Schauspieler Gérard Depardieu. Charlotte Lewis gab bekannt, dass sie zum Prozess erscheinen will. Polanski will dem Verfahren laut seiner Anwälte fernbleiben.



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