Die Ampelkoalition verfehlt ihre Ziele für neu gebaute Wohnungen, vor allem bei Sozialwohnungen. Bauministerin Geywitz gibt sich aber optimistisch.
BERLIN taz | Vielleicht hängt es manchmal vom eigenen Status, von der eigenen Wohnsituation ab, wie man die Neubautätigkeit bewertet. Am Donnerstag veröffentlichte das Bundesamt für Statistik, wie viele neue Wohnungen im vergangenen Jahr gebaut wurden. Es ist also der Tag, an dem sich die Bundesregierung an ihren selbst gesteckten Zielen messen lassen muss. 400.000 neue Wohnungen hatte sie pro Jahr versprochen, 100.000 davon öffentlich gefördert.
Nun steht fest: Dieses Ziel hat sie erneut krachend verfehlt. 2023 wurden 294.400 Wohnungen neu gebaut, das bewegt sich auf einem ähnlichen Niveau wie 2022, es ist ein Minus von 0,3 Prozent.
Nun muss man wissen: Wirklich niemand hat im Vorfeld daran geglaubt, dass 400.000 Wohnungen geschafft werden können. Seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine steckt der Bau in der Krise. Die Bauzinsen sind hoch, die Materialpreise auch. Zudem muss die Vielzahl an Geflüchteten aus der Ukraine und anderen Ländern mit Wohnraum versorgt werden. Manche schätzen den Bedarf an neuen Wohnungen mittlerweile auf 800.000 pro Jahr.
Angesichts dieser Krise bedarf es doch einer gewissen Chuzpe, sich als Bundesbauministerin in Berlin vor die Presse zu stellen und zu sagen, dass die Bauindustrie doch „stabil durch die Krise des letzten Jahres gekommen“ sei. Klara Geywitz (SPD) befand: Die Zahlen seien „überraschend gut.“ Zudem befänden sich noch 390.000 weitere Wohnungen im Bau.
Weniger Sozialwohnungen
Die Statistik selbst schlüsselt nicht auf, wie viele Sozialwohnungen entstanden sind. Aber Geywitz wies darauf hin, dass es einen Aufwuchs im sozialen Wohnungsbau gegeben habe. „Die Zahl der geförderten Wohneinheiten stieg mit 8.400 um mehr als 20 Prozent auf insgesamt 49.430 an“, erklärte sie – was aber auch weit vom Ziel entfernt ist. Immer mehr private Wohnungsbaugesellschaften würden in den sozialen Wohnungsbau einsteigen, so die Bauministerin.
Was Geywitz an dieser Stelle aber unerwähnt ließ: Die Gesamtzahl der Sozialwohnungen sinkt nach wie vor, weil Sozialwohnungen nach der aktuellen Fördersystematik immer nach einer gewissen Zeit ihren Status als Sozialwohnung verlieren. Laut Zahlen des Bundesbauministeriums, die der taz vorliegen, ist der Gesamtbestand von 2022 auf 2023 um 14.000 Wohnungen auf insgesamt 1,07 Millionen Wohnungen gesunken.
Eigentlich wollte die Bundesregierung eine neue Wohngemeinnützigkeit einführen. Gemeinwohlorientierte Wohnungsbauunternehmen, die dauerhaft günstigen Wohnraum schaffen, bekommen dann steuerliche Vorteile. Doch diese ist immer noch nicht umgesetzt. „Wir sind jetzt gerade in Verhandlung über eine Lösung mit dem Finanzministerium“, sagte Geywitz auf Nachfrage und stellte eine baldige Einigung in Aussicht.
Insgesamt sei die Situation „immer noch unter Druck“, resümierte Geywitz. Wichtig sei deshalb, auch durch seriellen Wohnungsbau, also das Bauen mit vorgefertigten Teilen, die Produktivität zu steigern. Derzeit arbeite man zudem auch an einer „Leerstandsaktivierungsstrategie.“
Mit dieser recht optimistischen Sichtweise schien die Bauministerin an diesem Tag aber ziemlich alleine zu sein. Die linke Bundestagsabgeordnete Caren Lay warf der Bundesregierung vor, „nicht dem Ernst der Lage entsprechend zu handeln. „Insbesondere der soziale und gemeinnützige Wohnungsbau kommt zu kurz“, kritisierte Lay gegenüber der taz und forderte dafür „ein öffentliches Wohnungsbauprogramm und Investitionen in Höhe von 20 Milliarden Euro jährlich.“ Derzeit stellt der Bund den Bundesländern für den Sozialen Wohnungsbau für den Zeitraum 2022 bis 2027 rund 18,15 Milliarden Euro zur Verfügung.
Jutta Hartmann vom Deutschen Mieterbund forderte „durch mehr Mieterschutz endlich Druck vom völlig überhitzten Wohnungsmarkt zu nehmen.“
Selbst von den Koalitionspartnern kamen recht scharfe Töne gegenüber der Bauministerin. Geywitz fehle „ein Plan zur Lösung der sozialen Wohungskrise“, sagte der Baupolitiker Kassem Taher-Saleh (Grüne). Es brauche deshalb die neue Wohngemeinnützigkeit und ein soziales Mietrecht. Auch Baupolitiker Daniel Föst (FDP) sieht „noch lange keine Entwarnung für die Baubranche“. Man müsse Maßnahmen ergreifen, „damit mehr, schneller und günstiger gebaut wird“, sagte er der taz. Der baupolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Jan-Marco Luczak, warf der Ampel vor, „die Baukosten durch immer strengere Standards in die Höhe getrieben“ zu haben.
Auch die Wohnungsbranche schien wenig erfreut. Axel Gedaschko, Präsident des Spitzenverbandes der Wohnungswirtschaft GdW, wies darauf hin, dass sich die Folgen der zahlreichen Stornierungen erst in den nächsten Jahren zeigen würden. „Der Pfeil bei der Entwicklung der Baufertigstellungen“ zeige deutlich in eine Richtung. „Nach unten.“