Rund 2100 Genossen müssen bangen. Die Rede ist nicht von den Sozialdemokraten, sondern den Mitgliedern der Maro Genossenschaft für selbstbestimmtes und nachbarschaftliches Wohnen. Tausende von Euro und der Wohnraum von teilweise alten und kranken Menschen stehen auf dem Spiel, seit die Genossenschaft einen Antrag auf Insolvenz gestellt hat.
Demenz-Wohngemeinschaften und Mehrgenerationenhäuser
Maro betreibt in Oberbayern mehrere Wohnprojekte mit sozialer Ausrichtung, darunter Mehrgenerationenhäuser und Demenz-Wohngemeinschaften. Die 18 Genossenschaftsbauten sind in ganz Südbayern vertreten, von Wolfratshausen bis Prien am Chiemsee. In Schieflage gekommen ist Maro nun, weil bei einem Projekt für Demenz-Wohngemeinschaften in Landsham (Gemeinde Pliening im Landkreis Ebersberg) eine Finanzierungszusage weggebrochen ist.
Banken finanzieren nicht
Ein Maro-Sprecher bezeichnet es im Gespräch mit der AZ als eine Art “Domino-Effekt” von Umplanungen und Bauverzögerung. “Wir konnten leider mit einer Gruppe von Banken keine Einigung erzielen.” Insofern sei der Genossenschaft nichts anderes übriggeblieben, als einen Insolvenzantrag zu stellen. “Die zurückgezogene Zusage hat uns sehr überrascht und uns blieb aus diesem Grund keine andere Möglichkeit, als einen Insolvenzantrag für die Genossenschaft zu stellen”, sagt Maro-Vorständin Inge Schmidt-Winkler.
Zweistelliger Millionenbetrag der Genossenschaftsmitglieder
Ziel von Maro ist es, den Betrieb und die 287 Wohneinheiten, darunter 56 WG-Plätze, zu erhalten. Für die Genossenschaftsmitglieder stehen ihre Anteile sowohl bei der Genossenschaft als auch bei den Wohnungspflichtanteilen auf dem Spiel.
Laut Maro-Sprecher handelt es sich um einen zweistelligen Millionenbetrag, der im Insolvenzverfahren als Eigenkapital bewertet wird. Eigenkapital, das auch für die Forderungen der Gläubiger verwendet wird. Konkret sieht das für die einzelnen Mitglieder so aus: Während der einmalige Mitgliedsbeitrag bei 15.000 Euro liegt, wird der Wohnungspflichtanteil nach Quadratmetern berechnet.
25.000 Euro bei Einzug
Im Mehrgenerationenprojekt in Unterwössen (Landkreis Traunstein) liegt er bei 500 Euro pro Quadratmeter. Sprich: Wer 50 Quadratmeter mietet, muss 25.000 Euro einzahlen. Keine unerhebliche Summe. Kritiker sagen deshalb, dass Maro – unabhängig von der Insolvenz – sein soziales Ziel verfehle. Schließlich sei es für viele Menschen sehr schwer, diese Summe aufzubringen.
Hat sich MARO übernommen?
Hört man sich in den Kommunen um, stellen sich viele die Frage, ob sich die Genossenschaft nicht übernommen habe mit den zahlreichen Projekten, unter anderem in Andechs und Rosenheim. Ist das Unternehmen deshalb in Schieflage gekommen? Ein Sprecher von Maro dementiert das. Auslöser sei das Projekt in Landsham gewesen, das sogar kurz vor der Fertigstellung stand.
In einer Rettungsaktion hat Maro bereits über 1,3 Millionen Euro Unterstützungszusagen bekommen und somit ein gutes Viertel des Bedarfs, so dass die Bauprojekte in Wolfratshausen, Andechs und Wielenbach fertiggestellt werden können. Allerdings sind diese reine Absichtserklärungen und rechtlich nicht bindend.
Werden auch die Mieten teurer?
Noch ist der schlimmste Fall nicht eingetreten, dennoch steht für die Maro-Mitglieder weit mehr als nur der mögliche finanzielle Schaden auf dem Spiel. Sollte ein Investor Projekte übernehmen, drohen deutlich höhere Mieten, das räumt auch Maro ein.
Maro hat sich Ende April in einem Hilferuf an die Politik gewandt. Bayerns SPD-Chef Florian von Brunn hat in der vergangenen Woche eine Senioren-WG in Dietramszell besucht und zeigt sich erschüttert. Er erwarte von der Staatsregierung unter Markus Söder (CSU), alle Möglichkeiten zu prüfen sowie Taten- “und nicht nur bürokratisches Abwiegeln”. Sabine Gross, wohnungspolitische Sprecherin der SPD im Landtag, bringt auf AZ-Anfrage die Bayerische Beteiligungsgesellschaft oder die BayernHeim ins Spiel, die einspringen könnten.
Knappe Antwort aus dem Bauministerium
Die AZ fragt beim Bayerischen Bauministerium nach. Die Antwort fällt knapp aus. Da viele der Maro-Projekte mit Wohnraumförderungsmitteln unterstützt worden seien, sei es aufgrund der gesetzlichen Vorgaben nicht möglich, etwas zu tun. Denn es könne “nur die Schaffung von Wohnraum in Form baulicher Maßnahmen gefördert werden”, nicht aber “finanzielle Unterstützungsmaßnahmen, die etwa Kreditmarktmittel ersetzen und zur Überbrückung finanzieller Schwierigkeiten dienen”.
CSU-Abgeordneter noch nicht vor Ort
Der Traunsteiner Stimmkreisabgeordnete Konrad Baur (CSU) ist Mitglied im Bauausschuss im Landtag und hat neben Unterwössen gleich noch ein zweites Projekt von Maro in seinem Stimmkreis, das für Marquartstein geplant ist. Von einem “echten Gewinn” spricht Baur für die Gemeinden, ihm seien “nur positive Erfahrungen” bekannt. Vor Ort in Unterwössen sei er seit der Insolvenz noch nicht gewesen, aber er habe “intensive Gespräche” mit dem Vorstand von Maro geführt und setze sich für die Rettung ein, sagt er der AZ. Zugleich schränkt er ein: “Aus beihilferechtlichen Gründen sind die Handlungsmöglichkeiten des Freistaats allerdings sehr begrenzt.”
Streit zwischen CSU und Freien Wählern?
Ärger droht womöglich in der Bayern-Koalition zu dem Projekt. Denn der Freie-Wähler-Fraktionsvorsitzende Florian Streibl appellierte am Donnerstag an Finanzminister Albert Füracker sowie Bauminister Christian Bernreiter (beide CSU), dass eine schnelle Rettung in die Wege geleitet werde. Füracker sagt der AZ, er sei jedoch nicht zuständig. Das Bauministerium sieht wie erwähnt keine Möglichkeiten.
Streibls Parteichef und Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger klingt auf AZ-Anfrage etwas versöhnlicher: “Die Staatsregierung prüft, ob wir unterstützen können.” Doch auch Aiwanger weist darauf hin: “Die Sache ist nicht ganz einfach.”