Für die 750 bedrohten Beschäftigten des Reifenwerks und die Wirtschaftsregion Fürstenwalde gibt es auch am Montag kaum mehr Neuigkeiten. Die Hängepartie für den Erhalt des Reifenstandorts des US-Unternehmens Goodyear geht weiter. »Wir haben noch reichlich Weg vor uns«, erklärte Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) auf einer Kundgebung der Gewerkschaft IG BCE. Zu der Versammlung vor dem Traditionswerk waren etwa 100 Beschäftigte, Gewerkschaftsmitglieder und Unterstützer*innen gekommen.
Gegenwärtig werde auf drei Wegen versucht, die Schließung zu verhindern, erklärte Steinbach. Einerseits sei die Landesregierung in Kontakt mit der Geschäftsführung: »Die Gespräche sind aber eher schwieriger geworden.« Andererseits werde auch auf Bundesebene nach Lösungen gesucht: »Wenn es politisch gelingt, einen Mechanismus zu implementieren, der die Wettbewerbsfähigkeit wiederherstellt, dann fällt die Argumentation für die Schließung weg.« Auf Nachfrage des RBB sprach Steinbach von Subventionen. »Es muss belohnt werden, wenn hier und recycelbar produziert wird.« Als dritte Baustelle nannte der Minister die Möglichkeit eines Verkaufs der Produktion an einen Konkurrenten. »Hier gab es erfreulicherweise neue Töne von ganz oben.« Goodyear habe schriftlich erklärt, den Verkauf einer Schließung vorzuziehen. »Ich weiß, davon könnt ihr euch noch nichts kaufen«, sagte Steinbach auf der Kundgebung.
Goodyear erklärte auf nd-Nachfrage hierzu lediglich: »Das Hauptaugenmerk liegt auf einer zügigen Einigung mit den Sozialpartnern bis Juni.« Man habe gründlich alle Möglichkeiten abgewogen. Man wolle schnell »Klarheit« für die Mitarbeiter*innen schaffen, möglichst bald einen Sozialplan abschließen. Ein Sozialplan ist gesetzlich vorgeschrieben, wenn Standortschließungen vorgenommen werden. Goodyear erklärte, man habe sich bereits gemeinsam »auf das Gesamtbudget der geplanten Abfindungen geeinigt«.
Die IG BCE bekräftigte ihr Unverständnis. Gewerkschaftssekretär Boris Loew sagte »nd«: »Ich vermute, dass Goodyear mit seinen Entscheidungen Marktanteile verlieren wird.« Die Entscheidungen, die Lieferketten hierzulande zu beschneiden, erhöhe die Abhängigkeit von ausländischen Produkten. Die Lieferkette werde insgesamt fragiler. Bald werde es wieder Bedarf nach lokaler Reifenproduktion geben, um eine verlässliche Versorgung zu gewährleisten. »Der Standort soll im Interesse der Aktionäre kaputtgemacht werden«, sagte Loew. »In einer solchen Situation und bei dem Organisationsgrad sind auch Sozialtarifverträge immer ein Thema.« Damit wären Vereinbarungen über einen Sozialplan hinaus möglich. Außerdem sind dafür weitergehende Maßnahmen wie Streiks möglich. Die wollte Loew zwar am Montag nicht ausschließen, doch aus dem Betriebsrat hieß es, das sei momentan kein Thema.
Dessen Vorsitzender Peter Weiser sprach davon, dass der Arbeitgeber momentan alles dafür tue, die Mitarbeiter*innen davon abzuhalten, für ihre Interessen einzutreten. Wegen des hohen Drucks müsse man nun zweigleisig fahren und vorbereiten, dass eine eventuelle Schließung so teuer wie möglich werde. »Wir wissen, dass Fürstenwalde für Goodyear ein lukrativer Standort ist«, sagt Weisers Kollege René Damm. Für den Erhalt des Standorts sei für ihn auch ein Verkauf denkbar und eine gänzliche andere Produktion: »In den Hallen hier, kann man vieles fertigen«, sagt Damm gegenüber »nd«. Bei der langfristigen Ankündigung, erst 2027 den Standort aufzugeben, sei es schwierig, dauerhaft eine kämpferische Stimmung aufrechtzuerhalten, meint Damm. Das sei strategisch klug von Goodyear. »Das wäre mit Sicherheit anders, wenn es geheißen hätte: Mitte 2024 ist Schluss.«
Die Reifenindustrie ist bundesweit in der Krise: So plant auch Michelin 1500 Stellen bis 2025 zu streichen, durch Schließung der Werke Karlsruhe und Trier. Das Bundeswirtschaftsministerium erklärte »nd« lediglich, dass aktuell Gespräche mit der deutschen Reifenindustrie zur Lage und Handlungsmöglichkeiten laufen, »sodass wir zu eventuellen Ergebnissen noch keine Auskunft geben können«.
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