In Berlin streiken zum ersten Mal Kli­ma­ak­ti­vis­t:in­nen und Bus- und Bahn­fah­re­r:in­nen gemeinsam. Nicht alle sind mit dem Bündnis zufrieden.

Das Bild zeigt den Klimastreik in Berlin

Selfies – immer beliebt: Klimaaktivistin Luisa Neubauer (l.) beim Klimastreik in Berlin Foto: Imago/photothek/Lorenz Huter

BERLIN taz | Gelbe Warnwesten lassen den Invalidenpark in Mitte aufleuchten. Im Hintergrund wirft das Gebäude des Bundesverkehrsministeriums einen langen Schatten auf die Beschäftigten der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG). Sie sind die ersten, die am Freitagmorgen am Streikort eintreffen, denn um 9 Uhr findet die Streikgelderfassung statt. Auf der Anzeigetafel an der Straßenbahnhaltestelle steht: „Streik bis Freitag, 14 Uhr. U-Bahnen, Straßenbahnen und die meisten Buslinien fahren nicht“.

Eine Stunde später sieht der Invalidenpark deutlich bunter aus. Immer mehr Plakate, genauer: Fridays-for-Future-Plakate ragen aus der Menge heraus. Immer mehr Transparente, die eine Verkehrswende und die Einhaltung von 1,5 Grad fordern, werden herausgeholt und aufgehängt. Bunte Seifenblasen wabern über die Menge.

Es ist Klimastreiktag und hier der Höhepunkt der Kampagne #WirFahrenZusammen: Kli­ma­ak­ti­vis­t:in­nen und Verdi-Ge­werk­schaf­te­r:in­nen schließen sich zusammen. Im Invalidenpark geht es dann auch um Klima- und Arbeitskampf gleichermaßen.

Ohne bessere Arbeitsbedingungen für Bus- und Bahn­fah­re­r:in­nen wird es keine Verkehrswende geben – das ist zumindest die These von Fridays for Future und Verdi. Gemeinsam fordern sie den Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs. „Um eine gerechte Verkehrswende zu schaffen, muss jetzt in den ÖPNV investiert werden“, heißt es in dem Aufruf zum Klimastreik. „Notwendig sind 100 Milliarden bis 2030.“

Die Beschäftigten der BVG streiken zum zweiten Mal in dieser Verhandlungsrunde. Am 2. Februar bekamen sie an den Streikposten Unterstützung von Fridays-for-Future-Aktivist:innen – diesmal zeigen sich die Bus- und Bahn­fah­re­r:in­nen solidarisch mit dem Klimastreik.

„Die Klimaaktivisten dürfen uns unterstützen“

Doch nicht alle freuen sich über die Zusammenarbeit zwischen den beiden Gruppen. Martina arbeitet seit 1983 bei der BVG und ist ebenso lange Mitglied bei Verdi. Ihren Nachnamen will sie, wie die anderen BVG-Mitarbeiter:innen auch, nicht in der Zeitung lesen. Martina sagt, sie könne nicht mehr zählen, an wie vielen Streiks sie in ihrem Leben schon teilgenommen hat. Zum ersten Mal in ihrer Laufbahn bei der BVG findet der Streik nicht an einem der Betriebsbahnhöfe statt, sondern im Invalidenpark. „Wir streiken als BVG-Mitarbeiter vor dem Verkehrsministerium, unserem Arbeitgeber“, sagt sie der taz. „Die Klimaaktivisten dürfen uns unterstützen. Nicht andersherum.“

Sie macht sich Sorgen, „dass der Streik politisch wird“ – und nicht mehr als Kampf für Arbeitnehmer:innen-Rechte gesehen wird. Tatsächlich ist es in Deutschland nicht erlaubt, die Arbeit niederzulegen, um politische Forderungen durchzusetzen. Auch ihre Kollegin Manuela hat Bauchschmerzen mit der Kampagne #WirFahrenZusammen. „Unsere Forderungen rücken in den Hintergrund, weil es jetzt nur noch um den Klimastreik geht“, sagt sie. „Ich will nicht mit deren Forderungen gemein gemacht werden.“

Andere BVG-Mitarbeiter:innen sehen das Bündnis weitaus positiver. „Viele BVG-Beschäftigte streiken nur, damit sie ihr Geld bekommen“, sagt etwa Michael, der seit 20 Jahren in der technischen Abteilung der BVG arbeitet. Ebenfalls seit 20 Jahren ist er Mitglied bei Verdi und versteht die Zusammenarbeit mit den Kli­ma­ak­ti­vis­t:in­nen als Chance. „Die Fridays-for-Future-Leute streiken, damit es uns allen besser geht.“

Genau deshalb sind auch Jakob, Lillya und Julia mit ihren Klas­sen­ka­me­ra­d:in­nen hier. „Wir brauchen einen gut ausgebauten ÖPNV“, sagt Lillya zur taz. „Und das geht nicht ohne bessere Arbeitsbedingungen für Bus- und Bahnfahrer:innen.“ Sie ist in der 9. Klasse und hat die Schule geschwänzt. „Heute ist Streiktag“, sagen sie alle gemeinsam. Sie tragen ein Schild mit der Aufschrift „Futur II gibt es nur im Deutschunterricht“.

Es ist nicht das erste Mal, dass die Neunt­kläss­le­r:in­nen an einem Klimastreik teilnehmen. Für sie ist es schon lange Realität, für klimagerechte Politik auf die Straße zu gehen. Das Interesse an dem Streik scheint aber längst nicht mehr so verbreitet zu sein, wie es zu Beginn der Fridays-for-Future-Zeit mal war. Die Organisation selbst spricht von tausenden De­mons­tran­t:in­nen am Freitag. Nach Angaben der Polizei waren es rund 600 Teilnehmer:innen. Beim letzten Klimastreik im September 2023 sprach die Polizei noch von 12.500 Demonstrant:innen.

Doch das irritiert die Kli­ma­ak­ti­vis­t:in­nen nicht. „Viele Menschen sind heute zum ersten Mal dabei, vor allem viele ÖPNV-Beschäftigte“, sagt Darya Sotoodeh, Sprecherin von Fridays for Future. „Der Fokus liegt heute darauf, Menschen zu motivieren, für die sozial gerechte Verkehrswende aktiv zu werden.“



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