Verschneites Idyll: Alpe Wildmoos

Verschneites Idyll: Alpe Wildmoos

Foto: Bregenzerwald Tourismus/Michael Meusburger

Käsknöpfle oder Wiener Schnitzel? Eine schwierige Frage, wenn man im Jägerstüble sitzt, wo das Mittagessen auf dem Programm steht, aber der Appetit nicht allzu groß ist. Schuld ist das opulente Frühstück im Hotel Alpenstern. An der ersten Station unserer kulinarischen Winterwanderung war der Tisch so reich gedeckt, dass wir immer wieder zulangten. Hier ein Schälchen Müsli, da noch ein Stückchen von dem herzhaften Bergkäse oder ein süßes Teilchen – nur gut, dass wir auf Eierspeisen und French Toast mit Blaubeeren verzichtet haben, die uns die nette Kellnerin ans Herz legte.

Das Hotel Alpenstern ist eine jener Herbergen, in der viele Gäste morgens schon mal ein bis zwei Stunden beim Frühstücken zubringen. Zwischen selbst gequirltem Smoothie und Cappuccino blättern sie in der Hotelpost, überlegen, was sie beim Abendmenü ankreuzen und welche Massagen sie buchen sollen. Vielleicht lösen sie auch noch das Sudoku.

Tipps

  • Kulinarisch Winterwandern: Vier Tages­touren ab 52 Euro, die neben Info-­Material, GPS-Tracks Gutscheine für Frühstück, Mittagessen und Dessert in ausgewählten Gastronomiebetrieben enthalten. Ein spezieller Architekturweg sowie »Umgang« genannte Folder zu zwölf Gemeinden führen zu Beispielen wegweisender Holzbau-Architektur. Besonders sehenswert ist der Werkraum in Andelsbuch, wo bis Ende August die Ausstellung »Please touch. Handwerk erleben« gezeigt wird und an jedem Freitag Führungen stattfinden.

    www.bregenzerwald.at

    www.werkraum.at
  • Frauenmuseum: Nicht nur architektonisch interessant ist außerdem das innovative Frauenmuseum in Hittisau, das bis August die Ausstellung »Blitz! Blank! Vom Putzen – innen, außen, überall« zeigt. www.frauenmuseum.at
  • Unterkunft: Guter Standort für Wanderungen sind z. B. das Hotel Gretina in Bizau (gretina.at, DZ ab 155 Euro), das Hotel Bären in Mellau mit preisgekröntem Café Deli (baerenmellau.at, DZ mit Super­frühstück ab 250 Euro) oder das Hotel Krone in Au mit sensationellem Wellnessbereich und Kulinarium

    (krone-au.at, HP für 2 Pers. ab 230 Euro).

Wir wollten uns dagegen nur für die bevorstehende Wanderung stärken: eine Runde durch die Bergwelt von Damüls in Bregenzerwald. 6,5 Stunden sind dafür veranschlagt. Die reine Gehzeit beträgt indes nur 3,5 Stunden. Denn in der Pauschale für das kulinarische Winterwandern sind noch drei Einkehrschwünge vorgesehen – ein regionales Bergfrühstück, Mittagessen im Jägerstüble und ein süßer Abschluss mit Kaffee im Damülser Hof. Unter dem Motto »Schritt für Schritt von Gang zu Gang« versucht man Gästen das Wandern in der kalten Jahreszeit im wahrsten Sinn des Wortes schmackhaft zu machen.

»Bisher sind es vor allem Einheimische, die sich mit Freunden oder Familie auf den Weg machen, um dabei auch verschiedene Gastronomiebetriebe kennenzulernen«, hat Simone Gridling vom Tourismusverband Bregenzerwald beobachtet. Nach und nach kommen auch andere auf den Geschmack, die nicht Ski fahren, sich aber dennoch bewegen wollen. Und ein kleines Zuckerl kann dabei nicht schaden. Wer weiß, vielleicht ist das ja die Zukunft des Wintersports, wenn im Zeichen des Klimawandels selbst in ehemals schneesicheren Gebieten wie Bregenzerwald die weiße Pracht ausbleibt? In jedem Fall ist man nachhaltig und kostengünstig unterwegs und braucht dazu nicht viel mehr als ein Paar gute Schuhe.

Tatsächlich hat es in dieser Saison nach einigen ungewöhnlich warmen Tagen unten im Tal bereits getaut. Grüne Almwiesen wecken die Erwartung auf den nahenden Frühling. Das Bild ändert sich erst, als wir den Landbus besteigen, der sich von Mellau aus auf unzähligen Haarnadelkurven in die Höhe bewegt. Je höher es geht, desto weißer wird es. Erst recht, als wir im Walserdorf Damüls auf 1400 Metern Höhe ankommen. Der Naturschnee ist mehrere Meter hoch, der Skisport inmitten einiger stattlicher Zweitausender in vollem Gang. Was man fast übersieht: Neben den Liftanlagen markieren pinkfarbene Pfähle auch ein paar Winterwanderwege. Aber ist das nicht doch ein bisschen uncool, zwischen Freeridern und Snowboardern vor sich hin zu stapfen?

Zunächst geht es hinter dem Frühstückshotel eine ganze Weile bergauf, bis die Route in einen Höhenweg auf der Oberdamülser Alpe mündet. Schnell wird uns warm. An der kleinen Kapelle Stofel angekommen – stummes Denkmal bäuerlicher Frömmigkeit aus der Zeit, als die Menschen eher unfreiwillig Wintersport betrieben – müssen wir schon eine Schicht ablegen. Noch einmal blicken wir zurück auf den Skibetrieb, dann empfängt uns die Bergeinsamkeit. Nur das Knirschen unserer Schritte ist zu hören. Rundum weiße Gipfel, Portlahorn, Sünser Spitze, Damülser Mittagspitze, rechts und links haushohe Tannen, die unter der Last des Schnees resigniert ihre Zweige herunterhängen lassen: als wäre die Welt schockgefroren. Wenn jetzt noch die Sonne herauskäme und den Schnee zum Glitzern brächte, wäre das Wintermärchen perfekt. Doch sie lässt sich Zeit. Erst nach dem Mittagessen blinzelt sie schüchtern aus der Wolkendecke hervor, als wir vom Jägerstüble durch die Unterdamülser Alpe Apfelstrudeln und Buchteln in Damüls entgegenwandern.


Wohlfühlessen und Kalorienbombe zugleich: Käsknöpfle

Wohlfühlessen und Kalorienbombe zugleich: Käsknöpfle

Foto: imago/Robert Kalb

So könnten wir in Bregenzerwald eine kulinarische Wanderung nach der anderen machen. Auf einem Höhenweg das aussichtsreiche Hochplateau am Sulzberg erkunden oder vom Dorf Sibratsgfäll aus zur Vorsäßsiedlung Schönenbach aufsteigen und die gleichnamige Schlucht durchqueren. Eine weitere Variante führt unten im Tal an Gebirgsbächen entlang zu den Dörfern Mellau, Bizau und Bezau, was erstmal nicht so spannend klingt, sich aber in mehrfacher Hinsicht als wahre Entdeckung entpuppt. Zwar liegen die ausgewählten Gastronomiebetriebe nur auf rund 700 Metern, bewegen sich aber kulinarisch auf besonders hohem Niveau. Ob es das unaufgeregte Café Deli in Mellau ist, das vom Falstaff-Guide als bestes Café in Vorarlberg ausgezeichnet wurde, oder das Biohotel Schwanen in Bizau – hier darf man weit mehr erwarten als Käsknöpfle und Wiener Schnitzel. Die beiden Betriebe stehen für eine auch gern vegetarische Feinschmeckerküche mit regionalen Bio-Produkten, für die viele eigens nach Bregenzerwald pilgern.

Was auf dem zwölf Kilometer langen Verdauungsspaziergang mindestens ebenso beeindruckt, ist die Baukultur. Markenzeichen der Region ist eine innovative, nachhaltige Architektur aus unbehandeltem, mit der Zeit ergrautem Holz. Fast jeder der 23 Orte hat das Zeug zu einer kleinen Bauaustellung, sodass sich viele Architekten und Stadtplaner hier Inspirationen fürs Häuslebauen, aber auch für eine resiliente Gestaltung des ländlichen Raums holen, in dem Landwirtschaft, Handwerk und Tourismus mehr oder weniger harmonisch zusammenleben. Auf dem Weg durch Mellau, Bizau und Bezau machen uns Apps und handliche, »Umgang« genannte Folder auf die Besonderheiten aufmerksam.

Tatsächlich sieht es hier ganz anders aus als in anderen österreichischen Regionen. Baumeister und Tischler, von denen es in Bregenzerwald überdurchschnittlich viele gibt, verordnen sich strenge Austerität. Statt Balkonen mit geschnitzten Herzchen, aus denen Geranien quellen, schmücken – wenn überhaupt – Schindeln oder bemalte Fensterläden die Fassaden. Und was für Privathäuser gilt, zählt erst recht für öffentliche Gebäude. Ob es die Feuerwehr, das Gemeindezentrum, der Kindergarten oder die Gondelstation von Mellau ist – alle Bauten sind in ihrer Gradlinigkeit völlig kitschfrei, funktional und nachhaltig konzipiert.Wie es dazu kam und was von den Handwerkern, Architekten und Designern in Bregenzerwald noch zu erwarten ist, könnten wir im Werkraum in Andelsbuch erfahren, einem avantgardistischen Gebäude des Schweizer Architekten Peter Zumthor, das sowohl Treffpunkt der einheimischen Kreativen als auch Ausstellungsraum für ihre Produkte und Projekte ist.

Neugierig geworden, planen wir den Besuch für einen anderen Tag. Und gleich noch Abstecher nach Krumbach, Au oder Hittisau, wo markante Gebäude oder von Künstlern gestaltete Bushaltestellen stehen. Was mit dem kulinarischen Winterwandern begann, endet schließlich im Anschauungsunterricht in Sachen Baukultur und Lebensqualität im ländlichen Raum. »Wir bieten sogar einen Weitwanderweg zum Thema Architektur an, bei dem man in sechs Tagen die interessantesten Orte und Objekte kennenlernt«, sagt Tourismusexpertin Simone Gridling. »Aber dazu müsst ihr im Sommer wiederkommen.«

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