Baton Rouge. Herr Collins, traditionell gelten die afroamerikanischen Wähler als Unterstützer der Demokraten. Nun scheint diese Allianz vor allem bei jüngeren Schwarzen zu bröckeln. Laut Umfragen unterstützt rund ein Drittel von ihnen Donald Trump, obwohl der immer extremer auftritt. Wie ist das zu erklären?

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Hier in Baton Rouge beobachte ich, dass vor allem unsere jüngeren Wähler das Vertrauen in die demokratische Partei verlieren. Ich treffe auf eine Generation, die anders denkt als meine Eltern oder ich. Und teilweise kann ich sie sogar verstehen. Die sehen, dass das Schild, das vor zwei Jahren abgerissen wurde, immer noch herunterhängt. Die beobachten, dass die Polizei in bestimmten Gemeinden mit übermäßiger Härte vorgeht, ganz gleich, wer an der Regierung ist. Wenn diese Menschen dann sagen, dass das Wählen für sie nichts verändert hat, dann schildern sie ihre Wahrnehmung. Wir müssen aufhören, ihnen zu sagen, dass sie lügen.

Politikverdruss ist das eine. Aber woher kommt der Drift nach rechts?

Wir Afroamerikaner sind kein monolithischer Block. Viele sind nicht so liberal, wie Sie vielleicht glauben. Einige sind extrem konservative Menschen. Wenn Sie am Samstagmorgen zu meinem Barber Shop gehen, wo Sie nur schwarze Männer treffen, klingt es da wie bei den Republikanern. Ich glaube, dass zumindest hier in Louisiana der Glaube nicht nur an die Demokraten, sondern auch an die linksliberalen Ansätze, die unsere Gemeinschaft seit einiger Zeit prägen, teilweise verloren gegangen ist.

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„Die Demokraten können derzeit niemanden begeistern.“ Der schwarze Bürgerrechtler Eugene Collins macht sich große Sorgen vor der Präsidentschaftswahl.

„Die Demokraten können derzeit niemanden begeistern.“ Der schwarze Bürgerrechtler Eugene Collins macht sich große Sorgen vor der Präsidentschaftswahl.

Zur Person

Eugene Collins war von 2018 bis Ende 2023 Präsident der Bürgerrechtsorganisation NAACP (National Association for the Advancement of Colored People) in seiner Heimatstadt Baton Rouge, der Hauptstadt des US-Südstaats Louisiana. Die NAACP kämpft gegen Rassismus und für die politische, wirtschaftliche und soziale Teilhabe der afroamerikanischen Bevölkerung. Collins ist Mitglied der Demokratischen Partei. Der 40-Jährige, der auch in der Aids-Bekämpfung und als Fußballtrainer aktiv ist, arbeitet als Politikberater.

Wie ist es dazu gekommen?

Das hat auch mit dem schwindenden Zusammengehörigkeitsgefühl zu tun. Die Bürgerrechtsbewegung war erfolgreich, weil sie für Arbeitsplätze und Gerechtigkeit kämpfte, denn die meisten Schwarzen brauchten damals Arbeit und sie brauchten Gerechtigkeit. Im Jahr 2024 gibt es einige Schwarze, die erfolgreich sind. Die brauchen keinen Job und haben ganz andere Interessen als jene, die von 25.000 Dollar im Jahr leben müssen. Ich sehe das selbst bei meiner Tochter.

Wie alt ist sie?

Sie ist zwölf. Aber als sich Nikki Haley um die Präsidentschaftskandidatur der Republikaner bemühte, versuchte sie tagelang, mich davon zu überzeugen, dass ich Nikki Haley wählen müsse. Ich habe mich zwischenzeitlich gefragt: Wer hat dieses kleine Mädchen in meinem Haus abgegeben? (lacht) Im Ernst: Für sie stand Haley für den Fortschritt. Und zwar nicht nur den Fortschritt als Schwarze, sondern als Frau, was etwas ganz anderes bedeutet. Meine Tochter hört Podcasts und hat zu meiner Bestürzung einen Tiktok-Account. Sie sieht Dinge anders. Sie kommt nicht da her, wo ich herkomme.

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Tief im Süden der USA: Louisianas Hauptstadt Baton Rouge (im Bild das State Capitol) liegt am Ufer des Missisippi. Rund 53 Prozent der Bevölkerung sind Afroamerikaner.

Tief im Süden der USA: Louisianas Hauptstadt Baton Rouge (im Bild das State Capitol) liegt am Ufer des Missisippi. Rund 53 Prozent der Bevölkerung sind Afroamerikaner.

Was meinen Sie damit?

Im Gegensatz zu ihrem Vater, der aus einer unterversorgten Gemeinde stammt, eine öffentliche Schule besucht hat und sein bisheriges Leben damit zugebracht hat, für die Rechte der Afroamerikaner zu kämpfen, ist sie ein typisches privilegiertes Mittelklasse- und Privatschulkind. Ihre Eltern haben beide einen Hochschulabschluss. Sie sieht die Welt anders. Es fällt ihr schwer zu verstehen, was mich antreibt.

Immerhin wollte sie Nikki Haley unterstützen und nicht Donald Trump. Woher rührt die Faszination dieses Mannes auf junge Afroamerikaner?

Wir beide wissen, dass der Mann böse ist. Aber für junge Schwarze wirkt er attraktiv, weil er sich nicht zu verstellen scheint. Er sagt einfach offen das, was er denkt, auch wenn es rassistisch ist. Und dann ist da die Popkultur. Trump versteht es meisterlich, die Popkultur für sich zu nutzen. Er hat Kanye West ins Weiße Haus eingeladen. Er verbindet sich mit Leuten, zu denen die jüngere Zielgruppe aufschaut.

„I love this guy“: Bei seinem Besuch im Oval Office 2019 schwang der Rapper Kanye West große Worte.

„I love this guy“: Bei seinem Besuch im Oval Office 2019 schwang der Rapper Kanye West große Worte.

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Trump ist knapp 78 Jahre alt, gerade mal dreieinhalb Jahre jünger als Joe Biden.

Ja, aber wenn ich einen Rap-Podcast aufrufe, sehe ich keine Bilder von Joe Biden. Ich sehe Bilder von Donald Trump. Ich sehe da auch keine Werbung für Joe Biden, sondern für Donald Trump. Und bei Instagram findet man kein Meme oder Parodie von Joe Biden, wohl aber von Donald Trump. Trump hat es geschafft, junge Schwarze anzusprechen, und es funktioniert. Ich meine, er hat sogar goldene Tennisschuhe erfunden. Wir wissen, was das bedeutet. (Schüttelt den Kopf) Wir wissen, was er damit bezweckt. Aber viele junge Schwarze durchschauen das nicht.

Warum gelingt es den Demokraten nicht, ähnliche Kontakte beispielsweise ins Rappermilieu zu knüpfen?

Wenn man für die Demokratische Partei sprechen will, muss man fast perfekt sein. Man darf nur eine Frau haben. Am besten war das die einzige Frau, mit der man je geschlafen hat, damit keine Geschichten aufkommen. Dann können Sie die Demokratische Partei vertreten.

Trump erreicht junge Menschen, von denen wir nicht wissen, wie wir an sie herankommen.

Eugene Collins,

Bürgerrechtler

Ist das nicht ein bisschen überzeichnet?

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Glauben Sie mir! Was denken Sie passiert, wenn ich hier in Baton Rouge sage: „Hey Leute, ich bringe einen Rapper mit, der uns hilft, Wähler anzusprechen“? Andere Demokraten werden sagen: „Bist du verrückt?“, „Weißt du, dass der Junge im Gefängnis war?“, „Weißt du, dass ein Verfahren gegen ihn anhängig ist, weil er 1986 Drogen verkauft haben soll?“ Um solche Sachen scheren sich die Republikaner wenig und Trump schon gar nicht. Das wirkt weniger voreingenommen. Ich sage das als jemand, der sein Leben lang die Demokraten unterstützt hat: Trump erreicht junge Menschen, von denen wir nicht wissen, wie wir an sie herankommen.

Das klingt beunruhigend.

Ja, das ist es. Und ich bin überzeugt: Wir müssen uns ein wenig an Donald Trumps Drehbuch orientieren, wenn es darum geht, Menschen zu erreichen. Ich spreche nicht von seiner Politik oder dem verrückten Zeug, das er von sich gibt. Aber wenn es darum geht, Menschen zu erreichen, hat dieser Mann einfach einen besseren Weg gefunden.

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In fünf Monaten sind Präsidentschaftswahlen. Kann Joe Biden das noch schaffen?

Ich werde mir den Arsch aufreißen, um die Leute an die Wahlurnen zu bringen, damit wir Biden wieder ins Weiße Haus bringen. Aber ich will ehrlich zu Ihnen sein: Ich mache mir große Sorgen. Ich glaube, Donald Trump spricht jüngere Wähler an, und ich glaube, die Leute wechseln gerade die Lager. Biden sieht wirklich alt aus. Die amerikanische Bevölkerung wünscht sich jüngere, dynamischere Führungspersönlichkeiten – zumindest beim äußeren Auftritt.

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Kann Vizepräsidentin Kamala Harris dem Präsidenten bei den afroamerikanischen Wählern helfen?

Kamala Harris? Hm. Ganz ehrlich? Deren Arbeit habe ich nicht so verfolgt. Sie war früher Generalstaatsanwältin. Das mögen wir nicht so. Als kleiner Junge nahm mich meine Großmutter einmal mit ins Wahllokal. Unterwegs sagte sie: „Diese Leute können wir nicht wählen, weil sie Staatsanwälte sind. Die arbeiten für die Ankläger.“ Dieser Gedanke ist in manchen afroamerikanischen Gemeinden noch immer verbreitet. Barack Obama hat vor seinem Wechsel in die Politik die armen Gemeinden in Chicago organisiert und mobilisiert. Kamala Harris hat beruflich Leute ins Gefängnis gebracht. Das ist nichts, was mich begeistert. Ich glaube nicht, dass sie „unsere“ Vizepräsidentin ist.

In manchen Kreisen hält sich hartnäckig die Hoffnung, bei den Conventions im August könne völlig überraschend Michelle Obama als Kandidatin einschweben.

Das ist reines Wunschdenken. Ich glaube nicht, dass wir das erleben werden. Aber die Sehnsucht deutet auf ein echtes Vakuum hin: Sie zeigt, dass die Demokraten derzeit niemanden mehr begeistern können. Wir brauchen wieder Aufregung und Spannung. Bei aller Verrücktheit, die Donald Trumps Republikaner ausmacht – langweilig sind die nicht.

Könnte die Verurteilung Donald Trump am Ende also sogar helfen?

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Der Prozess wird ihm ganz sicher helfen. Manches Mitglied der afroamerikanischen Gemeinschaft erinnert das an Strafverfahren, in denen Menschen, die wie ich aussehen, bisweilen ungerecht behandelt werden. Ich hasse, dass so ein Gefühl existiert. Aber gewisse Teile der Bevölkerung können sich mit Trump auf einer Ebene identifizieren, die wir mit Präsident Biden einfach nicht erreichen können.



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