Der neue Nahostkrieg geht in den sechsten Monat. Und die Lage wird immer schlimmer. Die Hamas hält nach wie vor rund 100 israelische Geiseln gefangen. Im Gazastreifen sind nach Angaben der radikalislamischen Terrororganisation über 30.000 Menschen umgekommen. Hilfsorganisationen sprechen von erbärmlichen Bedingungen für die Überlebenden.

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Weil Israel zu wenig Hilfsgüter ins Land lässt und rechtsradikale Siedler die Lieferung teilweise verhindern, springen nun die USA und die Europäische Union auf dem Seeweg ein – getrieben von US-Präsident Joe Biden, der weiß, dass von seinem Agieren der Ausgang der Präsidentschaftswahlen im Herbst abhängen kann. Unterdessen ist eine Eskalation des Konflikts zwischen Israel und dem Libanon, im Westjordanland und mit den jemenitischen Huthi-Rebellen weiter möglich.

Vielfach rücksichtslos

Man darf bei den desaströsen Verhältnissen im Gazastreifen nicht vergessen, was der Auslöser des neuen Krieges war: der bestialische Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober. Sie könnte den ohnehin aussichtslosen Kampf leicht beenden, wenn sie sich ergäbe – und das Existenzrecht Israels anerkennen würde. Man darf ebenfalls nicht vergessen, wer hinter der Hamas steckt: der Iran. Dies enthebt die israelische Regierung aber nicht ihrer Pflicht, selbst für Humanität im Krieg zu sorgen, statt es den Partnern im Westen zu überlassen.

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Das gebietet zunächst das humanitäre Kriegsvölkerrecht. Eine Zivilbevölkerung, die einem Krieg nicht entfliehen kann, sondern stattdessen in einem immer kleiner werdenden Gebiet darbt – das ist ein unhaltbarer Zustand. Das Problem ist offenbar die Regierung mit einem Ministerpräsidenten namens Benjamin Netanjahu an der Spitze, der sich durchweg rücksichtslos verhält. Rücksichtslos gegenüber den israelischen Geiseln und ihren Angehörigen, rücksichtslos gegenüber wehrlosen Palästinensern, rücksichtslos auch gegenüber den eigenen Alliierten, die Israel nicht fallen lassen können und werden.

Entsetzen nach tödlichem Vorfall bei Hilfsgüterlieferung in Gaza

Am Donnerstag waren im nördlichen Gazastreifen mehr als 100 Palästinenserinnen und Palästinenser, die auf eine Hilfslieferung warteten, getötet worden.

Ein ehemaliger israelischer General sagte jetzt, was die meisten Israelis über ihren Premierminister denken: „Deine Politik zielt nur auf eines ab: um jeden Preis an der Macht zu bleiben, und der Krieg dient deinen Zwecken bestens.“

Die Unverhältnismäßigkeit des Krieges, der ohne jeden erkennbaren Plan für die Zukunft stattfindet, ist überdies politisch unklug. Mag sein, dass man die Hamas auf diese Weise besiegen oder gar „vernichten“ kann. Aber aus den zwei Millionen Palästinensern wird unter den herrschenden Umständen früher oder später eine neue Hamas entstehen. Israels Politik müsste ja darauf abzielen, zwischen die Hamas und die Zivilbevölkerung einen Keil zu treiben – durch die Demonstration der eigenen moralischen Überlegenheit. Tatsächlich schweißt der Krieg die Gegenseite zusammen.

Das Leid der anderen

Es ist schließlich nicht so, dass die Folgen des Krieges Israel allein beträfen. Er wirkt sich längst global aus – sei es durch die Störung der Handelsschifffahrt im Roten Meer, sei es durch zunehmende Konflikte in Staaten mit starker muslimischer Bevölkerung. Der Westen muss die Existenz Israels sichern. Doch er hat auch das Recht, dafür zu sorgen, dass dies auf humane und nachhaltige Weise geschieht. Denn Frieden ist nur mit, nicht gegen die Palästinenser möglich.

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Die Wut der Verzweifelten – Proteste gegen Netanjahu verschärfen sich

In Israel wächst der Zorn über die israelische Regierung. Im Zentrum der Demonstrationen stehen die Familien der Geiseln. Wie Gadi Kedem und seine Frau, die am 7. Oktober ihre Tochter, deren Mann und die drei Enkelkinder verloren haben. Doch auch gegen Angehörigen geht die Polizei mit aller Härte vor.

Sieht man von der Regierung Netanjahu einmal ab, so besteht das Kernproblem freilich darin, dass beide Seiten seit Langem ausschließlich das eigene Leid im Blick haben – und nicht das der Gegenseite. Schon gar nicht haben sie im Blick, dass das Leid der anderen das eigene Leid bedingt. Solange sich das nicht grundlegend ändert, wird es unabhängig von den politischen Akteuren keinen Frieden geben.



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