Kiel. Das Wort Vereinsgaststätte hat immer noch einen gewissen Beigeschmack. In der Tat stellt der Betrieb einer solchen die Gastronomen vor vielfältige Herausforderungen, die vom meist vereinsmäßig geprägten Ambiente bis hin zur Berücksichtigung der Interessen der Mitglieder reichen.

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Dementsprechend kann der Versuch, sich an einem solchen Standort zu etablieren, auch gründlich daneben gehen. Jüngstes Beispiel: der Kieler Sternekochs Arne Linke, der im Golfclub Altenhof krachend scheiterte.

Unter den Kieler Restaurants, die sich dieser Herausforderung erfolgreich gestellt haben, nimmt das Lagom eine Sonderstellung ein. Denn bei seiner Gründung im Jahre 2018 haben seine Betreiber Nils und Per Drews gar nicht erst versucht, das besondere Flair, das die „Marinekameradschaft Kiel – von 1914“ an der Kiellinie verbreitet, zu vertreiben. Stattdessen haben sie geschickt die Flucht nach vorn angetreten. Schaut man im Gastraum in die entsprechende Richtung, könnte man meinen, man befinde sich in einem Schifffahrtsmuseum. Blickt man weiter, ändert sich der Eindruck in Richtung Hafenkneipe und schließlich sogar in Richtung moderne Bar.

Das Tatar vom Rind wird im Lagom zur Aromenparty

Ähnlich sieht es auf der Speisekarte aus. Es gibt Bodenständiges wie Pannfisch und Roastbeef, aber auch einige Gerichte, vor allem jedoch Beilagen, mit kreativem Touch. Ich beginne meinen ersten Besuch mit einem Klassiker: Tatar vom Holsteiner Rind mit pochiertem Ei und pikanten Perlzwiebeln (19 Euro). Pikant ist nur eines von vielen Attributen, die einem hier in den Sinn kommen. Das Tatar ist auch sauer, scharf und salzig, und all das nicht zu knapp. All das verleiht dem Gericht viel Dynamik – um den Preis, dass der Eigengeschmack des rohen Fleisches in den Hintergrund tritt. Ist die Aromenparty das wert? Geschmackssache.

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Als Ausgleich zum rohen Fleisch bestelle ich als Hauptgericht Linsenköttbullar mit veganer Pilzsoße und Preiselbeeren (19 Euro). Heutzutage ist es ja üblich, dass man bei fleischlosen Gerichten ziemlich exakte Fleischnachbildungen bekommt. Ich begrüße es, dass Küchenchef Benjamin Stadler diesem Trend nicht folgt, sondern die Linsenbällchen vor allem nach Linsenbällchen schmecken und sich im Mund auch so anfühlen.

Der Preis bezieht sich hier auf die Grundversion des Gerichts ohne Beilagen. Für das Kartoffelgratin mit Bergkäse und das geschmorte Wurzelgemüse, die mir der Service dazu empfiehlt, zahle ich jeweils fünf Euro mehr. Die Kombination funktioniert gut und dem Gratin merkt den guten Käse angenehm an.

Vor dem Brot bräuchte es kein Brot als Küchengruß

Hätte ich gewusst, wie mächtig das Dessert, eine weiße Kaffeemousse mit Baumkuchen, Kumquats und Nougatspuma (12 Euro) ausfällt, hätte ich wohl nur eine Beilage bestellt. Die Zwergorangen sorgen in der stimmigen Komposition für schöne Säurespitzen. Dazu kommt an diesem Abend eine gehörige Portion House-Musik, die die maritime Atmosphäre zusätzlich relativiert und den freien Blick auf die Förde nicht nur traumhaft, sondern auch hip macht.

Er ist wohl auch dafür verantwortlich, dass das Lagom in der Saison ein beliebter Ort für Hochzeiten ist. Bei meinem zweiten Besuch stoße ich fast mit einem Motivtortenträger zusammen. Da das Restaurant über einen großen Nebenraum verfügt, ist der Parallelbetrieb zum Glück kein Problem.

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Die Brüder Per (links) und Nils Drews sind die Betreiber des Lagom.

Die Brüder Per (links) und Nils Drews sind die Betreiber des Lagom.

Zu den Spezialitäten des Lagom gehören auch die nordischen Sauerteigbrote. Der Empfehlung, diese Smørrebrøds auch einmal als Hauptgericht zu bestellen, komme ich gerne nach und bestelle eine Variation mit Brokkolisalat, Trüffelbrie, Roastbeef und Saibling (22 Euro). Eine gute Entscheidung, denn das rustikale Brot ist nicht nur üppig, sondern auch einfallsreich belegt. Als kulinarische Begrüßung auch bei einer solchen Bestellung vorweg Brot zu reichen, sollte allerdings überdacht werden.

Die Crème brûlée „Snickers Art“ gehört zu den Klassikern im Lagom (10 Euro). Sie ist in Ordnung. Doch in Zeiten, in denen die versierten Eishersteller in Kiel raffinierte Mini-Desserts mit ganz ähnlichen Pointen in ihren Kugeln verstecken, verliert sie hier etwas an Schlagkraft.

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Fazit: So schmeckt es im Lagom

Im Lagom gelingt der Spagat zwischen Vereinslokal und Kneipe ebenso wie zwischen rustikaler und nordischer Küche. Das Kieler Publikum nimmt dieses Angebot dankbar an, das durch den traumhaften Blick auf die Förde noch gewinnt.

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Öffnungszeiten

Restaurant Lagom, Düsternbrooker Weg 38, 24105 Kiel, Telefon 0431/568374, www.lagom-kiel.de

Öffnungszeiten: Täglich ab 11.30. Küche 11.30 bis 15 Uhr und 17 bis 21.30 Uhr.

KN



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