Frankfurt am Main. Filip Thon, Deutschland-Chef des Energieriesen Eon, warnt vor allzu großer Sorglosigkeit bei den Preisen für Strom und Gas. „Da reichen Kleinigkeiten, um die Stimmung zu verändern. Die Märkte sind noch immer unruhig“, sagte der Manager im RND-Interview. Mit den aktuell günstigen Tarifen könne es sehr schnell wieder vorbei sein. Generell macht Thon darauf aufmerksam, dass die Energiewende nicht zum „Nulltarif“ zu haben sei. So müssten die Stromnetze massiv ausgebaut werden, was letztlich von den Verbrauchern bezahlt werde.

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Thon ist seit 2021 der Deutschland-Chef von Eon. In der Energiebranche ist er seit Mitte der 1990er-Jahre aktiv – zunächst als Strategieberater. 2004 wechselte er zum Ableger des RWE-Konzerns in seinem Heimatland Tschechien. Seit 2019 ist er für Eon tätig.

Herr Thon, die Strom- und Gaspreise sinken, liegen zum Teil wieder auf dem Niveau vor der Energiekrise. Können die Verbraucher jetzt aufatmen?

In Deutschland beeinflussen die Großhandelspreise für Gas maßgeblich auch die für Strom. Zwar hatten wir im Februar dieses Jahres schon einen Gas-Großhandelspreis von rund 25 Euro pro Megawattstunde, was in etwa dem Vorkrisenniveau entspricht. Aber mittlerweile sind wir schon wieder bei mehr als 30 Euro. Da reichen Kleinigkeiten, um die Stimmung zu verändern. Die Märkte sind noch immer unruhig. Wir müssen bedenken, dass nach mehreren sehr milden Wintern auch sehr kalte Winter kommen könnten.

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Die Verbraucher sollten also wachsam bleiben?

Eine schwache Konjunktur in China, aber auch hierzulande und entsprechend geringerer Energiebedarf in der Industrie haben die Preise niedrig gehalten. Die Verbraucher sind dadurch entspannter geworden, verbrauchen privat vielleicht auch wieder ein bisschen mehr. Die Lage kann sich allerdings wieder verändern. Wenn es im nächsten Winter kälter wird oder wenn die Nachfrage der Industrie anspringt oder beides zusammen.

Wie werden sich die Strompreise des Marktführers Eon entwickeln?

Vor der Energiekrise lagen die durchschnittlichen Strompreise bei rund 30 Cent pro Kilowattstunde. Heute bezahlt der deutsche Haushalt durchschnittlich etwa 42 Cent pro kWh. Als Eon liegen wir unter diesem Durchschnitt. Wir planen, wenn in diesem Jahr keine außergewöhnlichen Ereignisse geschehen, keine Erhöhung der Grundversorgungstarife.

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Auf dem Markt ist die Konkurrenz hart. Es sind viele Anbieter wieder mit Preisen für Neuverträge unter 30 Cent unterwegs.

Die Verbraucher sollten genau hinschauen. Das sind nicht alles günstige Angebote, sondern zum Teil schädliche und irreführende Angebote. Wir haben es in der Energiekrise gesehen: Anbieter, die Strom und Gas im Großhandel nur kurzfristig eingekauft hatten, konnten mit extrem niedrigen Tarifen werben, mussten dann aber plötzlich extrem erhöhen. Andere haben ihren Kunden gekündigt oder sind insolvent geworden, wodurch Grundversorger wie wir in die Bresche gesprungen sind.

Wer war für diese Verwerfungen verantwortlich?

Ich sehe hier mindestens vier Parteien in der Verantwortung. Erstens müssen sich die Anbieter selbst verantwortungsvoller bei der Beschaffung verhalten. Zweitens müssen die Vergleichsplattformen intensiver vor unseriösen Anbietern warnen, anstatt ihnen uneingeschränkt eine Verkaufsplattform zu bieten. Drittens müssen die Verbraucher wissen, dass sie beim Verschwinden eines Billiganbieters in die Grundversorgung rutschen. Sie setzen damit auf die Solidarität anderer Kunden, die auf seriöse Angebote achten, anstatt nur kurzfristig von Billiganbietern zu profitieren. Und dann ist auch die Frage, in welchem gesetzlichen Rahmen sich solche Anbieter überhaupt bewegen dürfen.

Was soll der Gesetzgeber tun?

Hier hat der Gesetzgeber bereits einiges getan – zum Beispiel ist es jetzt möglich, unseriösen Anbietern die Tätigkeit zu untersagen. Denkbar wäre in Zukunft außerdem eine Art Nachweis, dass Anbieter für den Fall von schnell und stark steigenden Preisen vorgesorgt haben. Erfreulich ist, dass die Verbraucherzentralen hier einen guten Job machen. Es wurden einige Klagen gegen unseriöse Anbieter auf den Weg gebracht.

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Wie sieht es bei den Preisen mit Blick auf die Energiewende aus?

Die Aussage, dass es die Energiewende zum Nulltarif gibt, weil die Sonne keine Rechnung schickt, war immer schon falsch. Wir unterstützen als größter Spieler auf dem Markt natürlich die Energiewende. Mehr noch: Wir treiben sie aktiv voran. Es gilt, überall dezentral die Erneuerbaren an die Verteilnetze anzuschließen, und auch die Windkraftanlagen in Norddeutschland müssen mit den industriellen Verbrauchszentren im Süden verbunden werden. Diese Investitionen sind unabdingbar, bedeuten aber Kosten, die getragen werden müssen. Ich sehe daher keine Signale für nachhaltig sinkende Preise.

Wirtschaftsminister Habeck hat vorgeschlagen, die steigenden Netzentgelte mit staatlichen Subventionen abzufedern. Der richtige Weg?

Was bedeutet abfedern? Wenn zum Abfedern Steuergeld benutzt wird, dann ist es am Ende wieder der Kunde, der die Zeche zahlt. Man kann sich drehen und wenden, wie man will. Am Ende müssen wir die Energiewende gemeinsam stemmen. Aber noch mal: Am Umstieg auf erneuerbare Technologien und dem dafür erforderlichen Netzausbau führt kein Weg vorbei.

Gibt es für Verbraucher einen Ausweg?

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Wir als Eon wollen die Kunden unterstützen. Wer sonst als wir mit unseren rund 14 Millionen Kunden in Deutschland könnte hier helfen? Wir wollen der Playmaker sein – mit intelligenten Lösungen.

Was haben Sie in petto?

Auch Kunden, die nicht in einem Eigenheim leben, müssen zunächst einmal mit grüner Energie versorgt werden. Bei den Stromangeboten für Privatkunden haben wir inzwischen schon fast auf 100 Prozent Grünstrom umgestellt. Am Ende des Jahres werden es alle sein. Das läuft natürlich auch über Zertifikate, die zum Einsatz kommen.

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Was können flexible Strompreise und intelligente Stromzähler – Smart Meter – für die Verbraucher bringen?

Derzeit wird der Strommarkt noch durch Tarife mit festgelegtem Strompreis dominiert, deren Preis für einen bestimmten Zeitraum konstant bleibt. Zugleich sehen wir bereits im europäischen Ausland, dass der Anteil der flexiblen Tarife steigt. Wir schätzen, dass 2030 auch hierzulande bereits rund 40 Prozent aller Stromtarife flexibel sein könnten. Darunter fallen dynamische Tarife, die zum Beispiel eins zu eins die aktuellen Spotmarktpreise an der Strombörse abbilden. Das können aber auch hybride Tarife sein, die Preisspannen innerhalb eines Tages oder einer Woche ausnutzen. Und es gibt zeitvariable Tarife, bei denen Kunden abhängig von der Tageszeit unterschiedlich viel für den Strom zahlen.

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Worauf läuft das hinaus?

Für Kunden, die selbst Strom erzeugen und speichern und zudem mit einer strombetriebenen Wärmepumpe heizen, werden diese flexiblen Tarife sehr interessant, um den Strombezug zu optimieren. Ein Beispiel: Tagsüber lässt sich ein großer Teil des Strombedarfs bereits mit einer Solaranlage decken und überschüssiger Solarstrom speichern. In der Nacht kann ein flexibler Tarif unterstützen und Energie dann liefern, wenn der Strom besonders günstig ist.

Und die Kunden machen da mit?

Ohne Frage herrscht aktuell unter Verbrauchern eine gewisse Unsicherheit. Die Komplexität wollen wir für sie vereinfachen: mit Automatisierung.

Mit intelligenten Stromzählern und einer Künstlichen Intelligenz, die immer die besten Lösungen findet?

Im Prinzip: ja. Gemeinsam mit der Konzerntochter gridX haben wir ein Energiemanagement-System für Wohnhäuser entwickelt, das dem Kunden die Arbeit abnimmt, die Steuerung der verschiedenen Geräte optimiert und so die Energiekosten reduziert.

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Geht es auch ein bisschen einfacher?

Ja. Wir testen gerade zum Beispiel für Kunden, die ihr Elektroauto regelmäßig zu Hause laden, einen Flex-Charging-Tarif. Dafür braucht der Kunde nur eine App. In die App gibt der Kunde ein, dass er morgens sein Elektroauto zu 80 Prozent geladen haben will. Wir organisieren das auf die preiswerteste Weise: Der Strom wird dann gekauft, wenn er günstig ist. Eine Win-win-Situation: Wir profitieren davon, dass wir die Kapazitäten unserer Netze besser nutzen, der Kunde freut sich über preiswertere Energie. Diese Lösung geht in diesen Tagen in die Pilotphase und wird in den nächsten Monaten in ganz Deutschland verfügbar sein. Das wird ein Standardprodukt von Eon.

Aber das Misstrauen der Verbraucher ist groß. Vor allem wegen der Angst, dass ihnen der Versorger mithilfe des Smart Meters den Strom abdreht. Können Sie diese Ängste verstehen?

Tatsächlich wird die Autonomie der Verbraucher steigen. So entwickeln wir gerade gemeinsam mit BMW und weiteren Partnern das bidirektionale Laden. Dann werden E-Autos nicht mehr nur geladen, die Fahrzeuge werden auch zu mobilen Speichern und bringen den Strom aus ihren Batterien zurück in das Haus. Die Kapazitäten der Elektroauto-Batterien haben sich enorm erhöht und werden weiter steigen. Theoretisch könnten Verbraucher mit einer heute verfügbaren E-Auto-Batterie mit 80 bis 120 Kilowattstunden Kapazität ihr Eigenheim notfalls ein bis zwei Wochen mit Strom versorgen.



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