Berlin. Ausgerechnet mit dem Slogan „Gesicht zeigen!“ ist ein Facebook-Post des AfD-Ortsverbands Unteres Filstal vom 8. Februar überschrieben. Das Gesicht, das auf dem zugehörigen Bild zu sehen ist, soll einen Tobias Mayer aus der kleinen Gemeinde Bad Boll zeigen, hinter ihm ist unscharf eine Landschaft mit zwei Windrädern zu sehen. „Weil die Verspargelung der Landschaft überhand nimmt, bin ich AfD Mitglied geworden“, wird der junge Mann mit den dunkelbraunen, zurückgekämmten Haaren und dem gepflegten, leicht gräulichen Bart dort zitiert.

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Das Problem: Es gibt ihn gar nicht, das Bild wurde mithilfe Künstlicher Intelligenz erzeugt. Geübte Augen erkennen das auf den ersten Blick, spätestens bei einem kritischen zweiten Blick fallen mehrere Bildfehler auf.

Generative KI, die Texte, Bilder oder ganze Videos erzeugt, ist in den vergangenen Jahren und Monaten immer leistungsstärker, überzeugender und für die Allgemeinheit leichter verfügbar geworden. Unternehmen setzen Künstliche Intelligenz ein, um Werbebotschaften zu verfassen, oder Grafiken zu erzeugen. Auch in die politische Kommunikation hat KI längst Einzug erhalten.

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KI lässt sich zur Meinungsmanipulation nutzen

Expertinnen und Experten für digitale Entwicklungen und Desinformation warnen bereits seit geraumer Zeit davor, dass sich die neuen, immer potenteren KI‑Anwendungen auch zur Meinungsmanipulation in Wahlkämpfen nutzen lassen. In Deutschland fällt der Blick dabei besonders auf die AfD.

Erst vor einigen Tagen hatten der SWR und andere Medien über ein KI‑generiertes Bild berichtet, dass der AfD-Kreisverband Göppingen auf Facebook verbreitet hatte: Es zeigte das Gesicht einer jungen Frau, die ebenfalls vermeintlich der AfD beigetreten sein soll. Zum Kreisverband Göppingen gehört auch der Ortsverband Unteres Filstal.

In einem anderen, mittlerweile gelöschten Facebook-Post verbreitete der Göppinger AfD-Kreisverband im Februar noch ein weiteres KI‑generiertes Bild, das einen weiteren jungen Mann zeigen soll. Weil ihm während der Corona-Maßnahmen die Übergriffigkeit des Staates bewusst geworden sei, sei er seit dem 1. Februar 2024 Mitglied der AfD.

„Gesicht zeigen“: In diesem Post des AfD-Kreisverbands Göppingen ist kein echter Mensch zu sehen.

„Gesicht zeigen“: In diesem Post des AfD-Kreisverbands Göppingen ist kein echter Mensch zu sehen.

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AfD-Anhänger halten Bilder offenbar für echt

Der AfD-Kreisverbandsvorsitzende Sandro Scheer sagte der dpa, mit „Fake News“ hätten solche Posts nichts zu tun, es sei klar erkennbar, dass keine echte Person abgebildet ist. Die Kommentare mancher AfD-Anhänger unter den Posts zeigen aber, dass ihnen das nicht klar ist: „Hat zwar lange gedauert, dass du den Weg zu uns gefunden hast, aber dennoch toll“, schrieb ein Nutzer unter einem der Bilder. „Mutige junge Frau“ kommentierte jemand unter einem weiteren Post.

Im Dezember nutzte der AfD-Ortsverband Unteres Filstal ein KI‑generiertes Bild, um Stimmung gegen die Unterbringung Geflüchteter zu machen. Es zeigt fünf aggressiv wirkende schwarze Männer, die vor Wohncontainern stehen.

Eine Wahlkampfkundgebung vor einer Kirche, an der ein Transparent hängt mit dem Schriftzug: "Glaube statt Misstrauen, Herz statt Hetze, Hoffnung statt Angst"

Wie die Kirchen an einer christlichen Brandmauer bauen

Die Spitzengremien der beiden christlichen Kirchen sind im Februar in die offene Konfrontation mit der AfD gegangen. Für Katholiken und Protestanten sei die Partei wegen ihrer völkischen Positionen nicht wählbar, erklärten sie. Wie kommt das eigentlich an der Basis an?

Diese Posts, mit KI‑Anwendungen wie ChatGPT oder Midjourney erstellt, sind keine Einzelfälle bei der AfD. Allein aus den vergangenen Monaten lassen sich auf Facebook und in anderen sozialen Netzwerken Dutzende Posts von AfD-Politikern und Parteigliederungen mit KI‑generierten Bildern finden.

Zum Beginn des muslimischen Fastenmonats Ramadan veröffentlichte der AfD-Kreisverband Esslingen am 10. März ein Bild, das ein Spanferkel und eine Menschengruppe an einem gedeckten Tisch zeigt, dazu die Beschriftungen „#GenussMonat“ und „Deutsches Grillfest“.

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Auch der AfD-Spitzenkandidat zur Europawahl, Maximilian Krah, nutzt auf seiner Facebookseite regelmäßig KI‑generierte Bilder. Nur in seltenen Fällen werden KI‑generierte Bilder in Posts von AfD-Verbänden und ‑Politikern transparent als solche gekennzeichnet.

So nutzen die anderen Parteien KI-Anwendungen

Auf eine Anfrage des RedaktionsNetzwerks Deutschland (RND), ob sie generative Künstliche Intelligenz im EU‑Wahlkampf verwendet, antwortete die AfD als einzige der im Bundestag vertretenen Parteien nicht. Die Umfrage unter den Parteien zeigt, dass die Mehrheit bislang sehr zurückhaltend beim Einsatz von KI in der Öffentlichkeitsarbeit und Wahlwerbung ist.

  • Die SPD nutzt laut eigenen Angaben bislang keine generative KI in der öffentlichen Kommunikation, eine abschließende Entscheidung für oder gegen die Nutzung von KI in kommenden Wahlkämpfen sei noch nicht getroffen worden. „Generell gilt: Wir brauchen als Gesellschaft einen transparenten Umgang mit KI. Deswegen halten wir die Kennzeichnung von KI‑generierten Produkten für erforderlich“, sagte eine SPD-Sprecherin.
  • Die Grünen erklärten, KI‑Anwendungen bereits punktuell „im Bereich des Datenmonitorings und zur Erstellung von Social Media Content“ zu nutzen. „Wir kennzeichnen KI‑generierte Inhalte transparent und verzichten auf die Verwendung von KI zur Nachahmung von Stimmen oder physischem Erscheinungs­bild einer Person – außer, wenn die Person ihre ausdrückliche Zustimmung dazu gegeben hat“, sagte eine Parteisprecherin. Die Grünen hätten Richtlinien zur Nutzung von KI‑Anwendungen festgelegt und ihren Parteigliederungen zur Verfügung gestellt.
  • Die FDP betonte die Chancen generativer KI für bürgernahe Kommunikation. „Wir als Freie Demokraten möchten Digitalisierung aktiv und verantwortungsbewusst mitgestalten. Deshalb werden wir die Chancen, die uns KI bietet, auch für unsere kommunikative Arbeit nutzen“, sagte ein Sprecher der Liberalen. „Da unsere Arbeit jedoch ohne das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Integrität der Kommunikation nicht möglich ist, verpflichten wir uns beim Einsatz dieser Werk­zeuge zu absoluter Transparenz.“
Googles Chatbot Gemini kann schon 46 Sprachen – aber auch er braucht Nachhilfe.

Google-Chatbot: „Gemini kann teilweise auch Bairisch, obwohl wir ihm das nie explizit beigebracht haben“

Auch eine KI braucht Sprachtraining. Als Computerlinguistin ist es Sabine Lehmanns Job bei Google, dem Chatbot Gemini Sprachen beizubringen. Im Interview erklärt sie, wie das funktioniert – und warum Dialekte ihr Team vor Herausforderungen stellen.

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Transparente Kennzeichnung

  • Eine CDU-Sprecherin erklärte, die Partei habe noch keine abschließende Entscheidung getroffen, in welchem Umfang die Partei KI in Wahlkämpfen nutzen werde. „Wenn wir KI anwenden, würden wir dies kennzeichnen.“ Die Partei erkenne aber an, dass KI eine Technologie sei, die in allen Wirtschafts- und Politikbereichen großen Mehrwert generieren könne.
  • Die bayerische Schwesterpartei CSU erklärte, sie nutze KI in begrenztem Umfang zur Gestaltung grafischer Elemente.
  • Die Linke teilte mit, in ihrer öffentlichen Kommunikation KI‑generierte Bilder zu nutzen – das jedoch stets transparent zu kennzeichnen. „Wir generieren ausschließlich künstlerische KI‑Bilder und keine realistischen, die reale Personen oder Situationen versuchen darzustellen oder zu imitieren“, sagte ein Parteisprecher. Gegenwärtig gebe es keine konkrete Planung, KI‑generiertes Bildmaterial im Wahl­kampf einzusetzen. „Wir schließen dies aber auch nicht prinzipiell aus.“
  • Das Bündnis Sahra Wagenknecht erklärte, die Partei befinde sich derzeit noch in der Planung des Wahlkampfs, ob dabei Künstliche Intelligenz eingesetzt werde, könne noch nicht gesagt werden.

Mehrere Parteien äußerten zudem Bereitschaft, gemeinsame parteiübergreifende Regeln und Selbst­verpflichtungen zu beschließen.



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