München. Einen Digitalvergleich entlang der Grenzen von Bundesländern gab es bislang noch nicht. „Es zeigen sich enorme Unterschiede zwischen den digital führenden Ländern und den Nachzüglern“, benennt Ralf Wintergerst ein Ergebnis der Pionierstudie. Er ist Chef des Digitalverbands Bitkom, der sie erstellt hat. Punkte vergeben wurden dabei in den vier Digitalkategorien Wirtschaft, Infrastruktur, Verwaltung und Gesellschaft, was vieles von 5G-Mobilfunk über digitale Teilhabe des Einzelnen bis zu Digital-Start-ups und Digitalministerien umfasst. Vorne liegen die beiden Stadtstaaten Hamburg und Berlin, was wohl nicht nur Wintergerst im Fall der Bundeshauptstadt als durchaus überraschend empfindet.
Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige
Hamburg schaffte 73, Berlin 71 von 100 möglichen Punkten. Bayern folgt als erstes Flächenland mit 66 Punkten auf Platz drei. Aber nimmt man Thüringen als Klassenletzten mit 49 Punkten, dann sieht man, wie groß die Differenzen auch unter Flächenstaaten sind. „Die Nachzügler nach oben holen muss das Ziel sein“, fordert Wintergerst. Optimismus zieht er aus der Tatsache, dass in der Studie kein Bundesland nur schlecht und keines nur gut abgeschnitten hat. „Alle können voneinander lernen“, folgert er daraus. Zugleich kritisiert er, dass sie es aktuell nicht tun und vielmehr versuchen, das digitale Rad jeweils selbst im Alleingang zu erfinden. Landespolitiker mögen das Föderalismus nennen. Für den Bitkom-Chef ist es ein Irrweg, der Zeit und Ressourcen vergeudet.
Selbst Hamburg als digitaler Spitzenreiter könne sich hinsichtlich seiner mäßig digitalen Gesellschaft eine Scheibe von anderen abschneiden, betont Wintergerst. In dieser Kategorie ist der Stadtstaat nur auf Platz elf gekommen. Digitalgesellschaftlich Erster ist Mecklenburg-Vorpommern. Hinsichtlich digitaler Wirtschaft kommt das Bundesland dagegen auf den letzten Rang.
Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige
Hoffnungslos sei die Lage nirgendwo, bei zugleich Raum zu Verbesserung auch bei den Vorreitern, folgert Wintergerst daraus. So habe sich Deutschland als Ganzes binnen weniger Jahre im europäischen Vergleich bei digitaler Infrastruktur aus dem Mittelfeld auf Platz vier vorgearbeitet. Solche Fortschritte hält der Bitkom-Chef auch auf Ebene der Bundesländer für machbar. „Die Länder hängen nicht vom Bund oder EU ab, sie haben ihre Digitalisierung selbst in der Hand“, argumentiert er.
Unbezahlbar
Unser Newsletter begleitet Sie mit wertvollen Tipps und Hintergründen durch Energiekrise und Inflation – immer mittwochs.
Bei digitaler Verwaltung hinkt Deutschland flächendeckend hinterher
Einige durchgängige Schwächen gibt es dennoch. Das ist zum einen mangelnder Glasfaserausbau bundesweit. Dazu kommt allgemeines Hinterherhinken bei digitaler Verwaltung. Selbst Hamburg und Bayern, die in dieser Kategorie unter den Bundesländern führen, kommen hier nur auf 64 und 60 von 100 Punkten. Wintergerst hofft auf eine segensreiche Wirkung des Onlinezugangsgesetzes, sieht Deutschland aber global in dem Punkt abgeschlagen. Nur auf Rang 59 sei die Bundesrepublik global bei digitaler Verwaltung im Nationenvergleich. Wenn Verwaltungsakte händisch statt digital erledigt werden müssen, koste das sehr viel Zeit und Geld.
Entscheidend für Verbesserungen ist für den Bitkom-Chef vor allem eines. „Es ist eine Frage des politischen Willens“, sagt er. Auf Ebene von Bundesländern seien Stadtstaaten zwar prinzipiell im Vorteil. Mit Bremen auf Rang neun sei der aber nicht durchgängig. Auch andere Startchancen wie vorhandene Ansiedelung von Großkonzernen seien ungleich verteilt. Die Studie zeige aber zugleich, dass Länder digital vorne mitspielen, die ein Digitalministerium haben und neue Gesetze einem Digitalcheck oder ihre Digitalisierung einer öffentlichen Fortschrittsüberprüfung unterziehen. Das könne jedes Bundesland so handhaben.
Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige
Viel gewinnen ließe sich zudem dadurch, dass Bundesländer beim digitalen Aufrüsten bereit seien, voneinander zu lernen und sich abzusprechen, appelliert Wintergerst. Hessen und Nordrhein-Westfalen hebt er als digital kooperierende Bundesländer hervor. Meist sei es aber so, dass einzelne Länder ihre digitalen Instrumente sogar selbst entwickeln und nicht einmal frei am Markt verfügbare Programme oder Systeme verwenden würden. „Was mich nervt, ist, dass von Bundesland zu Bundesland alles anders ist“, wird der Bitkom-Chef an einer Stelle schließlich persönlich.