Berlin. Rückhalt sieht anders aus: Nach einem kaum halbstündigen Krisengespräch mit den AfD-Parteivorsitzenden Alice Weidel und Tino Chrupalla stellte sich Maximilian Krah am Mittwochmorgen vor dem Reichstagsgebäude alleine vor die Kameras. Der Spitzenkandidat der AfD für die Wahl zum EU-Parlament gab ein kurzes Statement ab, beantwortete keine Fragen, zog sich dann zurück.

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Er werde am Wochenende beim Wahlkampfauftakt der AfD in Donaueschingen nicht teilnehmen. Darauf hätten sich die drei in der Runde verständigt. „Wenn Sie jetzt aber glauben, das sei das Ende meiner Spitzenkandidatur, dann muss ich Sie enttäuschen. Ich bin und bleibe Spitzenkandidat.“ Seinen Mitarbeiter Jian G., der wegen Spionageverdachts für China in der Nacht zu Dienstag festgenommen wurde und nun in Haft sitzt, werde er sofort entlassen.

Krah sprach von einer „unangenehmen Angelegenheit“. Er habe sich aber kein „persönliches Fehlverhalten vorzuwerfen“.

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Volle Rückendeckung klingt anders

Drinnen im Bundestag zeigte sich Tino Chrupalla zufrieden, weil Krah sich immerhin an die Abmachung gehalten habe, sich nur kurz vor die Kameras zu stellen. Mühsam genug war es, Krah den Verzicht auf den Wahlkampfauftakt abzuringen. Noch am Dienstag sprach er vollmundig davon, er werde in Donaueschingen die Rede seines Lebens halten und die Vorwürfe gegen ihn entkräften. Weidels Mitarbeiter musste bei einem Abendessen am Kurfürstendamm am Dienstagabend erst einmal Vorarbeit leisten.

Weidel und Chrupalla teilten in einem gemeinsamen Statement mit: „Jegliche Einflussnahmen fremder Staaten durch Spionage, aber auch der Versuch, Meinungen und Positionen zu kaufen, müssen aufgeklärt und mit aller Härte unterbunden werden.“ Auch volle Rückendeckung klingt anders. Dieser Satz klingt eher nach einer Absicherung vor weiteren unangenehmen Nachrichten für die Europakandidaten.

Krah bleibt trotz Spionageaffäre EU-Spitzenkandidat der AfD

Die AfD-Chefs beraten mit AfD-Politiker Maximilian Krah über Konsequenzen nach der Festnahme seines Mitarbeiters wegen Spionageverdachts.

Die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Bundestagsfraktion, Irene Mihalic, sagte dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) zu der Entscheidung, an Krah als Spitzenkandidat festzuhalten: „Technisch bleibt der AfD wohl nichts anderes übrig, als es so zu machen. Aber es dokumentiert natürlich auf ziemlich harte Art und Weise, wo die AfD steht. Sie hat Spitzenpersonal nominiert für die Europawahl, das durch Spionage, Einflussnahme und Zusammenarbeit mit autoritären Regimen von sich reden macht, anstatt mit Politik. Das sagt eigentlich schon alles über den Zustand der AfD aus.“

Auch Bundeskanzler Olaf Scholz äußerte sich am Mittwoch über die mutmaßliche China-Spionage aus dem AfD-Büro. Er nannte die Berichte nicht nur „besorgniserregend“ oder „sehr besorgniserregend“, sondern „sehr, sehr, sehr besorgniserregend“.

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Verschärfte Regeln werden geprüft

Tatsächlich ist der Fall Krah, auch wenn er im EU-Parlament spielt, Wasser auf die Mühlen derer, die bereits im März verschärfte Regeln für die Mitarbeiter von Bundestagsabgeordneten – etwa in Form einer Regelabfrage beim Bundesamt für Verfassungsschutz – forderten. Damals war bekannt geworden, dass für die AfD mehr als 100 Frauen und Männer arbeiten, die in von deutschen Verfassungsschutzämtern als rechtsextrem eingestuften Organisationen aktiv sind.

Zwar gibt es Widerstände gegen strengere Vorgaben, und zwar sowohl in der Bundestagsverwaltung als auch bei Union und SPD. Sie betonen die Freiheit des Mandats. Allerdings lässt Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) mittlerweile verschärfte Regeln prüfen. Die zuständigen Sicherheitsbeauftragten des Parlaments, es handelt sich um Abgeordnete, werden darüber nach RND-Informationen am 15. Mai erneut beraten.

Maximilian Krah(l-r),  Kandidat der AfD für den Spitzenplatz bei der Europawahl, Tino Chrupalla, AfD-Bundesvorsitzender und Fraktionsvorsitzender der AfD, und Alice Weidel.

Zur Kenntlichkeit entstellt: Die AfD, eine Partei nützlicher Idioten

Maximilian Krah bleibt Spitzenkandidat der AfD für die Wahl zum EU-Parlament, soll aber im Wahlkampf in den Hintergrund rücken. Mit dieser halbherzigen Distanzierung schadet die AfD-Spitze der ganzen Partei. Die AfD wird immer mehr zu Alternative gegen Deutschland, kommentiert Jan Sternberg.

Am Donnerstag kommt der Bundestag zum zweiten Mal in zwei Wochen zu einer aktuellen Stunde über die Kontakte der AfD zu Russland und China zusammen. Für die AfD wird erneut Stefan Keuter reden, dem der chinesische Geheimdienst 2021 eine Anfrage zu Oppositionellen in Hongkong in die Feder diktiert haben soll.

Verfassungsschutz: Zunehmend illegale Versuche der Einflussnahme

Unterdessen hat der Vizepräsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), Sinan Selen, bei einer gemeinsamen Tagung mit der Allianz für Sicherheit in der Wirtschaft (ASW) mit Blick auf China eindringlich vor Naivität gewarnt. „Wir sehen zunehmend Versuche der Einflussnahme mit illegitimen Mitteln auf Politik, Wirtschaft und Wissenschaft, aber auch klassische Spionage“, sagte er. Es sei höchste Zeit, hier zu einer realistischeren Einschätzung zu kommen.

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Da, wo deutsche Manager zu naiv und optimistisch gewesen seien, lasse sich beobachten, „dass sich diese Unternehmen praktisch aufgelöst haben“. Selen warnte jedenfalls vor dem Glauben, formal private chinesische Unternehmen seien frei von staatlichem Einfluss. Dass China jahrelang die Antriebstechnik von Volkswagen ausgespäht haben soll, füge sich „komplett in unser Lagebild ein“.

Allerdings riet der BfV-Vize von Abschottung ab. Es müsse um Risikominimierung gehen. Deutsche Konzerne schicken mittlerweile Mitarbeiter mit „leeren“ IT-Geräten außerhalb des globalen Firmennetzwerks nach China, um Angriffen vorzubeugen. Auch gelten chinesische Hotelsafes nicht als sichere Orte für vertrauliche Unterlagen. Eine verpflichtende Software für Steuern erlaubt schließlich einen umfassenden Zugriff staatlicher Stellen auf Unternehmensinterna.



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