München – Wer sich in Feldmoching direkt am S-Bahnhof auf den fußballfeldgroßen Walter-Sedlmayr-Platz stellt, wird schnell bemerken, dass hier einfach nichts passiert – als ob hier keiner leben würde. Völlige Leere, kaum einer setzt sich auf die Stufe der karierten Mauer, die vielleicht sinnloseste Münchens.

“Die Mauer muss weg”, fordert daher der Bezirksausschuss (BA) Feldmoching/Hasenbergl einstimmig und auch deren Vorsitzender Rainer Großmann (80, CSU). Gemeint ist der ganze Platz, gebaut 2000, von Künstler Gerdes Ludger.

Frust in Feldmoching: “Im Winter ist der Walter-Sedlmayr-Platz Platz zu kalt, im Sommer zu heiß”

Eine totale Neugestaltung – das beschloss der BA am vorvergangenen Dienstag. Der Beschluss liegt dem Kulturreferat vor, das zustimmen muss. Längst überfällig, sagt Großmann: “Im Sommer zu heiß, im Winter zu kalt. Hier möchte niemand sein.”

Die Probleme sind lange bekannt. Der Betreiber des Rewe-Marktes beklagte vor Jahren, dass zwischen Gleisen und Platz an seine Marktmauer gepinkelt werde. Das liegt auch an der Toilettensituation. Die einzigen WCs in der Gegend sind im Sperrengeschoss der U-Bahn und seit Jahren verriegelt. “Sie sollen bald in Betrieb genommen werden”, sagt Großmann.

Der Bezirkschef macht mit der AZ den Selbsttest: Wir stellen uns an einem sonnig-frischen Mittwoch etwa 45 Minuten neben die ominöse Mauer. Kaum ein Mensch geht über das gestrichelte Oval, das Teil des Gesamtwerks ist. Von Laufkundschaft träumen die Geschäfte am Platz hier. Möglicherweise sind es Albträume.

Ist das der hässlichste Platz in München? “Wir können nicht mal einen Blumentopf hinstellen”

Das Gestaltungsrecht des verstorbenen Künstlers wiegt schwer und hat 50 Jahre Laufzeit. “Wir können nicht mal einen Blumentopf hinstellen. Die Erben lehnen jede kleinste Änderung ab”, sagt Großmann. Dieses starke Urheberrecht will der BA über die Neugestaltung umgehen. Bei einem Umbau wird das Urheberrecht außer Kraft gesetzt, sagt der BA-Chef.

Ob er jemals den Sinn der Mauer verstanden habe? “Gerdes Ludger wollte hier kaskadenartig Stufen bauen, die man als Tribüne hätte nutzen können”, sagt Großmann, aber der Künstler habe die Gestalt der Mauer eigenmächtig geändert. Auf dem Platz könnten Kinder-Fußballturniere stattfinden, Konzerte oder auch Freiluft-Kino. All das ist aber kompliziert, weil für solche Anlässe oberirdische Leitungen verlegt werden müssten. Auch das kollidiere häufig mit der Urheberschaft. Lebendig wird der Platz nur freitags. Dann nämlich findet der Wochenmarkt statt.

München: Die Anwohner in Feldmoching ärgern sich vor allem über Müll und Verwahrlosung

Auch viele Anwohner sind unzufrieden. Nicht nur mit dem Walter-Sedlmayr-Platz, sondern grundsätzlich. Eine von ihnen meldet sich bei der AZ. Sie habe sich auch schon längst beim BA vorgestellt, erzählt sie, fühlt sich dort aber nicht mehr ernst genommen. In der AZ möchte sie namentlich nicht genannt werden. Sie und ihre Nachbarn rund um den Bahnhof empfinden Verwahrlosung.

Als Erstes zeigt sie auf den Grünstreifen zwischen Rewe und Bahngleisen. Es ist DB-Areal. Müllberge sind es nicht, aber der Streifen ist bedeckt. Hin und wieder schickt die Bahn Müllsammler. Doch meistens ist das Bild gruselig-vermüllt. Auch Essenreste sind in der Müllschicht. Das lockt Kleintiere an. Und die Bahn hat keine bessere Idee, als Fallen für Mäuse und Ratten zum Müll dazuzustellen. Anwohner würden sich wünschen, dass einfach häufiger saubergemacht wird.

Rattenfallen auf dem vermüllten S-Bahn-"Grün"-Streifen. Anwohner fordern, dass die Bahn die Haltestelle Feldmoching sauberer hält.
Rattenfallen auf dem vermüllten S-Bahn-“Grün”-Streifen. Anwohner fordern, dass die Bahn die Haltestelle Feldmoching sauberer hält.
© Hüseyin Ince
Rattenfallen auf dem vermüllten S-Bahn-“Grün”-Streifen. Anwohner fordern, dass die Bahn die Haltestelle Feldmoching sauberer hält.

von Hüseyin Ince

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Auch die Parkplatzsituation sorgt für reichlich Frust

Gleiches Recht für alle, fordern Anwohner auch, was die Parkplatzsituation betrifft, rund um Ponkratz- und Luitfriedstraße. Hier ist eine Sackgasse Richtung Gleise, wo auch einige Auto-Werkstätten betrieben werden. In dieser Sackgasse stehen viele defekte Fahrzeuge Spalier. “Das ist öffentlicher Grund”, glaubt ein Anwohner, “aber der Schrott darf hier stehen. Und wehe, wir parken mal einen halben Meter über dem Halteverbotsschild”, dann habe man schnell einen Strafzettel.

Als die Anwohner im Juli 2022 beim BA vorstellig wurden, habe die Polizei gesagt, die Sackgasse sei kein öffentlicher Grund und deshalb dürften keine Strafzettel ausgestellt werden. Die AZ fragt nach beim Kreisverwaltungsreferat (KVR). Die Sackgasse ist weder öffentlicher, noch privater Grund, sondern “städtischer Privatgrund”, antwortet das KVR. Die Polizei sei hier nicht zuständig. Im Umgriff habe die Polizei sogenannte rote Punkte an vier Autos ohne Betriebserlaubnis angebracht. Diese Punkte fordern dazu auf, das Fahrzeug unverzüglich zu entfernen.

Feldmochinger Verwahrlosung: Vorbei ist der Boris-Becker-Boom lange. Auf dem Tennisplatz stehen Schrottautos, Gras wächst aus der roten Asche.
Feldmochinger Verwahrlosung: Vorbei ist der Boris-Becker-Boom lange. Auf dem Tennisplatz stehen Schrottautos, Gras wächst aus der roten Asche.
© Hüseyin Ince
Feldmochinger Verwahrlosung: Vorbei ist der Boris-Becker-Boom lange. Auf dem Tennisplatz stehen Schrottautos, Gras wächst aus der roten Asche.

von Hüseyin Ince

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Interessiert sich die Stadt München überhaupt für Randbezirke wie Feldmoching?

Die AZ fragt auch bei der Polizei nach. Die Antwort: “Der Polizeiinspektion 43 ist die Örtlichkeit bekannt. Im Rahmen der vorhandenen Kapazitäten wird der Bereich bei den Streifenfahrten mit abgedeckt.” Ein großes Thema ist bei manchen Anwohnern, dass sich bei einem Container-Parkplatz einer Umzugsfirma an der Luitfriedstraße abends Jugendliche versammeln und mutmaßlich mit weichen Drogen handeln. “Da kommen teure Limousinen, öffnen die Fenster, etwas heraus, etwas rein und weiter”, sagt ein Anwohner.

Die Polizei antwortet, Drogendelikte seien in der Gegend nicht vermerkt. Zwei Einsätze wegen Ruhestörung durch Jugendliche habe es an dem Punkt gegeben, doch bei den Einsätzen sei niemand angetroffen worden. Der Anwohner erzählt, er habe selbst mal das Gespräch mit den Jugendlichen gesucht, sei aber angepöbelt worden.

Jugendliche haben sich an der Luitfriedstraße hinter Containern ein Sofa hingestellt, um es ein wenig gemütlicher zu haben. Anwohner vermuten, dass hier nachts auch mit weichen Drogen gehandelt wird.
Jugendliche haben sich an der Luitfriedstraße hinter Containern ein Sofa hingestellt, um es ein wenig gemütlicher zu haben. Anwohner vermuten, dass hier nachts auch mit weichen Drogen gehandelt wird.
© Hüseyin Ince
Jugendliche haben sich an der Luitfriedstraße hinter Containern ein Sofa hingestellt, um es ein wenig gemütlicher zu haben. Anwohner vermuten, dass hier nachts auch mit weichen Drogen gehandelt wird.

von Hüseyin Ince

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Ein Platz, der seit zwei Jahrzehnten kaum genutzt wird, ein vermüllter Bahnsteig, Toiletten, die seit Jahren verriegelt sind, ein früherer Tennisplatz, der als Autofriedhof genutzt wird, Jugendliche, die sich hinter Containern vergnügen und vielleicht Drogen hin- und herreichen, Anwohner, die Beamte verdächtigen, mit zweierlei Maß zu messen.

Da stellt sich einem auch die Frage: Schaut die Stadtspitze in den Randbezirken Münchens nicht so genau hin? Der Eindruck erhärtet sich bei einem Gedankenspiel. Es wäre unvorstellbar, dass solche Zustände rund um die Altstadt – oder in der Altstadt – wochen-, monate- oder jahrelang geduldet werden würden.





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