Rund 4200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, ein Jahresbudget von 12,6 Milliarden Euro, elf Standorte: Der Westdeutsche Rundfunk ist die größte und mächtigste Anstalt der ARD. Seit elf Jahren führt der einstige „Tagesthemen“-Mann Tom Buhrow (65) als Intendant die Geschäfte. Jenseits des Dauerlächelns hat er sich nach zähem Anfangsfremdeln und vielen Entschuldigungen für Programmpannen (wie die Kinderchor-Parodie „Meine Oma ist ’ne alte Umweltsau“) als umstrittener, aber cleverer Sanierer erwiesen. Ende 2024 aber will Buhrow ausscheiden. Gesucht wird: ein Nachfolger oder eine Nachfolgerin.
Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige
Ab Freitag beginnt die heiße Phase
Am Freitag dieser Woche wird der zuständige Rundfunkrat erstmals die eingegangenen Bewerbungen sichten. Fünf Personen machen sich nach Informationen des RedaktionsNetzwerks Deutschland (RND) ernsthafte Hoffnungen auf den Topjob, der mit mehr als 400.000 Euro im Jahr sogar besser vergütet wird als der des Bundeskanzlers (360.000 Euro). Die Personalie ist auch deshalb brisant, weil ARD und ZDF heftig um ihre Legitimation kämpfen und sich auf Druck von Politik und Gesellschaft verschlanken und fokussieren müssen.
Bewerber Nummer 1: Jörg Schönenborn
Jörg Schönenborn, Programmdirektor Information, Fiktion und Unterhaltung des WDR.
Quelle: Peter Kneffel/dpa
Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige
Zu den Personen, die sich offiziell beworben haben sollen, gehört Senderurgestein Jörg Schönenborn (59), langjähriger Zahlenmann an ARD-Wahlabenden und WDR-Chefredakteur, dann Fernsehdirektor und seit 2019 Programmdirektor. Nach traditionell-hierarchischen Gepflogenheiten wäre er wohl erste Wahl. Der Mann, der den Rundfunkbeitrag einst keck als „Demokratieabgabe“ feierte und sich über die Jahre mit treuen Loyalisten umgab, steht aber weniger für ein alertes, smart-modernes Medienmanagement nach außen und innen, sondern eher für die alte, vom eigenen Saft geprägte ARD-Behördendenke.
Bewerberin Nummer 2: Katrin Vernau
Katrin Vernau, Verwaltungsdirektorin des WDR.
Quelle: Britta Pedersen/dpa
Als Buhrows eigene Favoritin gilt eher Katrin Vernau (51), gelernte Wirtschaftswissenschaftlerin und seit 2015 Verwaltungsdirektorin beim WDR. Keine Journalistin als Intendantin? Das wäre neu für den WDR. Beim NDR aber hat Ex‑WDR-Verwaltungsdirektor Lutz Marmor zuletzt gezeigt, dass man eine große Anstalt auch als Nichtjournalist glaubwürdig führen kann. Vernau war nach dem Skandal um RBB‑Intendantin Patricia Schlesinger ab Herbst 2022 Interims-Chefin des RBB, bevor dort im Juni 2023 Ulrike Demmer übernahm.
Bewerberin Nummer 3: Christine Strobl
Christine Strobl, ARD-Programmdirektorin für das Erste.
Quelle: ARD/Laurence Chaperon
Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige
Beworben hat sich dem Vernehmen nach auch Christine Strobl (52), lange Chefin der ARD-Produktionsfirma Degeto und seit Mai 2021 Programmdirektorin für das Erste. Die älteste Tochter von Wolfgang Schäuble gilt außerhalb der ARD als Klartext-Kommunikatorin („Wir haben Teile der Bevölkerung verloren“), hat sich innerhalb aber naturgemäß Feinde gemacht mit ihrer Zielrichtung beim Programmumbau: weniger Nachrichten und Politik, mehr Unterhaltung. Denkbar ist jedoch, dass die süddeutsche Volljuristin, die ihre Karriere beim SWR begann, eher auf die Nachfolge von SWR‑Intendant Kai Gniffke spekuliert.
Bewerber Nummer 4: Helge Fuhst
Helge Fuhst, Zweiter Chefredakteur von „ARD-aktuell“ („Tagesschau“ und „Tagesthemen“).
Quelle: Nancy Heusel
Seinen Hut hat nach RND-Informationen offenbar auch Helge Fuhst (40) in den Ring geworfen, der sich als Zweiter Chefredakteur von „ARD-aktuell“ („Tagesschau“ und „Tagesthemen“) einen stabilen Ruf als zupackender Erneuerer im ARD-Verbund erarbeitet hat. Fuhst volontierte beim NDR und arbeitete eng mit Buhrow zusammen, als der noch die „Tagesthemen“ moderierte. Fuhst könnte lachender Dritter werden, wenn keine klare Mehrheit für Schönenborn oder Vernau zusammenkommt.
Bewerber Nummer 5: Christian Vogg
Christian Vogg, Chief Data Officer beim Schweizer Fernsehen SRG.
Quelle: SRF/Oscar Alessio
Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige
Eher als Außenseiter geht Christian Vogg (59) ins Rennen. Der frühere WDR-Manager war unter anderem Referent von WDR-Intendant Fritz Pleitgen und dann von 2012 bis 2015 als Radio- und Musikchef bei der Europäischen Rundfunkunion tätig, die auch den Eurovision Song Contest veranstaltet. Seit 2016 arbeitet er beim Schweizer Fernsehen. 2020 bewarb er sich bereits als Intendant des Bayerischen Rundfunks, unterlag in der Wahl aber Katja Wildermuth.
Vorsicht vor „Anmaßung“ im Amt
Die WDR-Intendantenwahl geht am 27. Juni über die Bühne. Wer auch immer den Zuschlag erhält, wird den WDR durch unruhige Zeiten steuern. Die größte Gefahr dabei, sagte der Medienwissenschaftler Bernd Gäbler im Deutschlandfunk, sei die Selbstüberhöhung. „Wenn ein Intendant sagt ‚Die Gebühr ist eine Demokratieabgabe‘ – das ist eine Anmaßung.“ Man müsse „aufpassen, dass man Arenen der Meinungsbildung organisiert, sich aber nicht als Erzieher des Volkes begreift“.
Das Stream-Team
Die besten Serien- und Filmtipps für Netflix und Co. – jeden Monat neu.