Thomas Nicol leitet die Aischgründer Tafel. Der Anteil der Rentner unter den Tafelbesuchern sei früher niedrig gewesen. Doch ihm habe diese Tatsache Sorge bereitet.
„Die Rentner wahren den Schein um jeden Preis“, sagt Nicol dem „Merkur“. Wer eins und eins zusammenzähle, der wisse doch, dass die Rente in diesem Land oft nicht für einen guten Lebensstandard ausreiche. „Altersarmut hat längst im vollen Maße eingeschlagen“, sagt Nicol.
Er kenne zum Beispiel Rentner, die „ihr letztes Geld eher für ein Kaffekränzchen mit Freunden ausgeben und dafür den Rest des Monats hungern“, als ihre Armut zuzugeben und bemitleidet zu werden.
Nicols Lösung sind anonyme Rentner-Pakete
Genau deshalb habe er sich dazu entschieden, vier anonyme Ausgabestellen einzurichten. An diesen könne jeder unerkannt sein Essen abholen. Auch einen anonymen Fahrdienst mit unauffälligem Fahrzeug ohne Tafelschriftzug gebe es mittlerweile.
„Da haben sich einige unserer Tafelfahrer bereiterklärt, eine Stunde dranzuhängen“, sagt Nicol. Seit der Einführung der anonymen Empfangsmöglichkeiten habe sich die Zahl der Empfänger von 500 auf 1000 Menschen verdoppelt.
„Es haben sich gleich am nächsten Tag [nach der Einführung] etliche Menschen gemeldet, die sagten, das sei genau das, was sie brauchen!“, sagt Nicol. Die meisten seien Rentner gewesen.
Wer ein Leben lang gearbeitet hat, sträubt sich oft davor, Sozialhilfen zu empfangen
Dass Altersarmut oft unerkannt bleibe, liege auch daran, dass ausgerechnet diejenigen, für die staatliche Unterstützungen wirklich gedacht seien, sich davor sträubten, sie anzunehmen. Wer sein gesamtes Leben gearbeitet habe und unabhängig war, der wolle eigentlich nicht auf andere Menschen angewiesen sein.
Ein seltenes Beispiel dafür, wie sich lebenslange Arbeit auszahlen kann, bot kürzlich eine 66-jährige Rentnerin. Mehr als 120.000 Euro jährlich habe sie zur Verfügung und mache sich über Geld absolut keine Gedanken mehr, sagte sie.