Leipzig. „Oh, wie süß!“, sagen die einen und schwärmen von den Knopfaugen, den kleinen Händen und den schwarzen Gesichtsmasken. „Oh, wie lästig!“, sagen die anderen. Denn Waschbären sind wahre Plagegeister: Sie wühlen in Mülltonnen, fressen die Futternäpfe von Hunden und Katzen leer, dringen durch den Schornstein ins Haus ein, verwüsten die Küche oder sie ziehen auf dem Dachboden ein und zerstören dort die Dämmung. In Gartenhäuschen werfen sie Blumentöpfe und Kisten um, fressen Vorräte auf und hinterlassen ihren Kot, der Krankheiten übertragen kann.

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Zudem sind Waschbären nicht wählerisch, sie fressen alles. Das macht sie auch zur Gefahr für viele einheimische Tiere. „Gefährdete Reptilien-, Amphibien- aber auch Fledermausarten sind dort, wo auch Waschbären vorkommen, durch diese bedroht“, sagt Sebastian Kolberg, Referent für Artenschutz beim Naturschutzbund Deutschland (Nabu) dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Ebenso konkurrieren sie mit heimischen Arten wie dem Baummarder um Quartiere wie Baumhöhlen.“

Bundesweit mehr als 1,6 Millionen Tiere

Weil sie keine natürlichen Feine habe, breiten sich Waschbären immer weiter aus. Mehr als 1,6 Millionen Tiere leben derzeit in Deutschland, schätzen Expertinnen und Experten. Und sie kommen den Menschen immer näher: In Leipzig wurde schon ein Waschbär gesichtet, der plötzlich auf dem Fensterbrett einer Rathausmitarbeiterin saß. Auch vor dem Rathauseingang hockten die kleinen Wildtiere schon.

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Ein zutraulicher Waschbär schaut neugierig in ein Büro der Stadtverwaltung Leipzig. Tierschützer warnen: Auch wenn die Tiere noch so zutraulich sind, dürfen sie nicht gefüttert werden.

Ein zutraulicher Waschbär schaut neugierig in ein Büro der Stadtverwaltung Leipzig. Tierschützer warnen: Auch wenn die Tiere noch so zutraulich sind, dürfen sie nicht gefüttert werden.

Ursprünglich sind die Kleinbären in Nordamerika zu Hause. Nach dem Ersten Weltkrieg wurden sie zur Pelzgewinnung auch in Deutschland gezüchtet – einige von ihnen konnten in die Freiheit fliehen. In Hessen wurden in den 1930er-Jahren nach Angaben des Nabu Tiere auch absichtlich ausgesetzt. Und 1945 entkamen etwa 50 von ihnen aus einer Pelztierfarm in der Nähe von Berlin, nachdem eine Bombe in das Gebäude eingeschlagen war.

Waschbären: Bekämpfen oder friedliche Koexistenz?

Seitdem haben sich die Tiere in Deutschland etabliert – doch: Was tun mit den eingebürgerten Nachbarn? Wie so oft, wenn sich die Wege von wilden Tiere und Menschen kreuzen und sie sich ins Gehege kommen, stellt sich die Frage: Bekämpfen oder die friedliche Koexistenz anstreben?

Rechtlich verhält es sich so: Waschbären stehen zwar nicht unter Artenschutz, aber man darf sie keinesfalls selbst töten – das darf nur der Jäger oder die Jägerin. Denn der Waschbär fällt unter das Jagdgesetz. Außerdem gibt es in einigen Bundesländern Schonzeiten für Waschbären. Wer dagegen verstößt, zahlt bis zu 5000 Euro Strafe.

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Bei Waschbär im Garten Ordnungsamt benachrichtigen

Was also tun, wenn ein Waschbär im Haus oder im Garten haust? „In den Städten und Gemeinden darf nicht gejagt werden“, sagt Torsten Reinwald, Pressesprecher und stellvertretender Geschäftsführer des Deutschen Jagdverbands (DJV), dem RND. „Hier müssen die Leute in der Regel das Ordnungsamt oder die Polizei anrufen.“

Vom „Nazi-Racoon“ bis zum emsigen Wäscher: Was ist dran an den Mythen über Waschbären?

Schwarze Brille, graues Fell, buschiger Schwanz – Waschbären gibt es fast überall in Deutschland. Um die Kleinbären ranken sich viele Gerüchte. Einige sind weit verbreitet, andere wohl eher unter Waschbär-Nerds bekannt.

Doch das Thema werde bundesweit ganz unterschiedlich geregelt. „In Berlin zum Beispiel lässt man die Menschen mit einem Waschbärproblem ganz allein.“ Die Leute würden das dann selbst irgendwie regeln, erzählt der Biologe. Viele Kommunen hätten aber mittlerweile auch Stadtjäger und -jägerinnen, die dann zum Einsatz kommen. „Die EU besagt ganz klar, dass Waschbären die einheimischen Arten bedrohen. Um die Zahl zu reduzieren, müssen sie gejagt werden“, sagt Reinwald.

Dass die Population ständig wächst, zeigen die Zahlen des DJV: So wurden im Jagdjahr 2022/23 bundesweit offiziell 202.821 Waschbären getötet, in der Saison 2000/01 waren es noch 9064. Besonders verbreitet seien die Tiere in Nordhessen, Südniedersachsen und Brandenburg. „Die Hauptstadt der Waschbären ist aber immer noch Kassel“, sagt Reinwald. „Warum, wissen wir aber auch nicht.“

Weiterverbreitung von Waschbären verhindern

„Eine lokale Bejagung in Gebieten, wo die Tiere vermehrt Schäden anrichten oder heimische Tierarten stark gefährden – zum Beispiel in Gebiete der Europäischen Sumpfschildkröte – kann in einigen Fällen der Eindämmung helfen“, sagt Nabu-Experte Kolberg.

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Viel wichtiger sei jedoch, die Weiterverbreitung der Art zu verhindern – und zwar mit Aufklärung. Denn durch falsch verstandene Tierliebe oder Unbedarftheit würden einige Menschen die Ausbreitung der Tiere fördern und sie an Menschen gewöhnen. „Einige füttern die Tiere absichtlich, weil sie sie niedlich finden. Aber auch die indirekte Fütterung über gut zugängliche Mülltonnen lehrt die Tiere, die Nähe des Menschen zu suchen.“

Einige Bundesländer haben deshalb in ihren Landesjagdgesetzen ein Fütterungsverbot für diese Tiere integriert. Wer beispielsweise in Berlin dagegen verstößt, zahlt bis zu 5000 Euro Bußgeld.

So wird man Waschbären los

Im Internet findet man zahlreiche Tipps, wie man einen Waschbären loswerden kann: durch Lärm und Licht, mit benzingetränkten Lappen oder sogar mit schmutzigen Babywindeln. Doch das wirkt alles nur kurzfristig. DJV-Experte Reinwald rät: „Man sollte es dem Waschbären von vornherein so ungemütlich wie möglich machen. Schon der Komposthaufen ist eine Einladung.“ Seine Tipps:

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  • Alle Schlupflöcher an Gartenhütten und Schuppen verschließen.
  • Baumaterial oder Sperrmüll zeitnah beseitigen.
  • Katzenklappe abschließen oder eine chipbasierte verwenden.
  • Vogelhäuschen mit Metallmanschetten schützen.
  • Müll- und Biotonnen mit Spanngurt oder Steinen sichern.
  • Gelbe Säcke in verschließbaren Boxen aufbewahren.
  • Keine Speisereste auf den Komposthaufen werfen.
  • Fallobst zeitnah aufsammeln.
  • Haustiere möglichst im Haus füttern beziehungsweise kein Futter über Nacht draußen lassen

Schlausau im Schlaraffenland: Das Wildschwein erobert den urbanen Raum

Wildschweine sind nicht nur borstig und wehrhaft, sondern vor allem schlau und anpassungsfähig. Das macht die Allesfresser zu den Gewinnern in unserer Kulturlandschaft. Die Bachen haben ihre Population in den vergangenen Jahrzehnten vervielfacht. Dadurch nehmen die Konflikte mit den Menschen zu.

Außerdem könne man vorsorgen, damit der Waschbär nicht ins Haus oder die Wohnung eindringt. Da sich Waschbären zum Schlafen und zur Jungtieraufzucht Höhlen suchen, sollten alle Aufstiegsmöglichkeiten aufs Dach vermieden werden. Dazu sollte man

  • Bäume beschneiden, deren Zweige aufs Dach reichen.
  • auf Fassadenbegrünung verzichten.
  • Blechmanschetten an Regenrinnen anbringen.
  • Metallgitter auf Schornsteinen anbringen.
  • regelmäßig überprüfen, ob sich Dachziegel verschoben haben.

„Ja, ich weiß, diese Tiere sind niedlich“, räumt der DJV-Sprecher ein. Doch am Ende dürfe man sich nicht täuschen lassen, wie viel Schaden sie in der Natur und in den Wohngebieten anrichten können. Reinhold warnt auch davor, Waschbären als Haustiere zu halten. „Das ist strikt verboten.“

Der Text wurde aktualisiert. Er erschien erstmals am 14. Oktober 2021.



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