Das Thema Organspende ist in Deutschland ein Dilemma. Tausende Menschen warten auf ein Spenderorgan, aber nur die wenigsten Deutschen entscheiden sich zu Lebzeiten bewusst für eine Spende im Todesfall. Deutschland ist in Europa sogar eines der Schlusslichter, was die Spenderzahlen angeht. Das könnte sich jedoch künftig ändern: Ab Montag, 18. März, geht das zentrale Organspende-Register bundesweit online.

Weiterlesen nach der Anzeige

Weiterlesen nach der Anzeige

Was ist das Organspende-Register?

Offiziell heißt es Register für Erklärungen zur Organ- und Gewebespende. Dabei handelt es sich um ein elektronisches Onlineverzeichnis, in dem Menschen ihre Entscheidung für oder gegen eine Organ- oder Gewebespende offiziell eintragen können. Das Register wird vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) geführt und ist unter organspende-register.de aufrufbar.

Das Leben und wir

Der Ratgeber für Gesundheit, Wohlbefinden und die ganze Familie – jeden zweiten Donnerstag.

Weiterlesen nach der Anzeige

Weiterlesen nach der Anzeige

Was sind die Vorteile eines Organspende-Registers?

Entnahmekrankenhäuser können im Ernstfall die Entscheidung für oder gegen eine Organspende im Register einsehen. Der Vorteil: Ein Organspende­ausweis kann verloren gehen, das Register ist immer abrufbar. Ein Organspende-Register sei „sinnvoll, weil damit das Auffinden der dokumentierten Entscheidung deutlich vereinfacht wird“, sagt der geschäftsführende Oberarzt und Transplantations­beauftragte am Uniklinikum Schleswig-Holstein, Felix Braun.

Fachleute haben zudem die Hoffnung, dass sich durch diese Vereinfachung mehr Menschen für eine potenzielle Organspende entscheiden werden. Allerdings wird das kein Selbstläufer. „Es ist sehr unwahrscheinlich, dass das Erklärendenportal in den ersten Jahren des Registers hochfrequent genutzt werden wird, wenn nicht gleichzeitig Aufklärung generell, Beratung im Einzelfall zur Organspende und Hilfestellung beim Eintrag in das Register geleistet werden“, sagt Frank Logemann, Transplantations­beauftragter der Medizinischen Hochschule Hannover.

Ändert sich mit dem Organspende-Register etwas an der Zustimmungslösung?

Nein, in Deutschland gilt weiterhin die Zustimmungslösung bei Organspenden. Das bedeutet, dass sich Menschen offiziell zu Lebzeiten dazu entscheiden müssen, ob sie einer Organspende im Todesfall zustimmen. Ohne Zustimmung dürfen keine Organe oder Gewebe entnommen werden.

Weiterlesen nach der Anzeige

Weiterlesen nach der Anzeige

Allerdings wird weiterhin über die Einführung der sogenannten Widerspruchslösung diskutiert: Nach diesem Prinzip müssen Menschen einer Organspende explizit widersprechen. Ansonsten dürfen Organe und Gewebe im Todesfall entnommen werden. Der Bundestag stimmte 2020 dagegen, aber der Trend in Europa geht in Richtung Widerspruchslösung.

Sie wird unter anderem in den Niederlanden und im Vereinigten Königreich angewandt. In den Niederlanden müssen sich Menschen sogar verpflichtend in das dortige Register eintragen und ihre Entscheidung festhalten.

Was passiert, wenn ich mich nicht im Organspende-Register eintrage?

Da in Deutschland weiterhin die Zustimmungslösung gilt, ändert sich nichts für Menschen, die ihre Entscheidung nicht im Register festhalten. Der Eintrag im Organspende-Register ist freiwillig. Wenn sie ihre Zustimmung auch nicht anderweitig offiziell registriert haben – etwa im Organspendeausweis oder in einer Patientenverfügung –, können ihre Organe im Ernstfall auch nicht entnommen werden. Eine bereits anderweitig erteilte Zustimmung bleibt gültig.

Muss die Organspende Normalität werden?

Es fehlen viele Spenderorgane – Abhilfe könnte eine Widerspruchslösung schaffen. Der Staat würde die Organspende zur Regel erklären, der jede und jeder aktiv widersprechen kann. Doch: Wollen wir das?

Wer kann sich im Organspende-Register eintragen?

Wer sich im Register eintragen möchte, muss mindestens 16 Jahre alt und im Besitz einer deutschen eID-Karte sein. Infrage kommen sowohl deutsche als auch EU-Staatsbürgerinnen und ‑bürger sowie Personen mit elektronischem Aufenthaltstitel. Der Eintrag im Organspende-Register ist kostenlos.

Weiterlesen nach der Anzeige

Weiterlesen nach der Anzeige

Wie kann ich meine Entscheidung für oder gegen eine Organspende im Register festhalten?

Ab dem 18. März geht das sogenannte Erklärendenportal online. Menschen in Deutschland können dann im Onlineregister ihre Entscheidung zur Organspende festhalten. Bürgerinnen und Bürger müssen sich dabei über ihre eID identifizieren. Das ist die Online-Ausweisfunktion des Personalausweises: Auf einem Chip, der in dem Ausweis integriert ist, sind persönliche Daten zur Identifikation gespeichert. Wie die eID funktioniert, lesen Sie hier. Ab 1. Juli und bis spätestens 30. September wird zudem schrittweise der Zugang zum Register über die App Ihrer Krankenkasse ermöglicht.

Was brauche ich, um meine Erklärung für oder gegen eine Organspende im Register einzutragen?

Für Ihre Erklärung benötigen Sie ein Smartphone oder ein Tablet, das NFC-fähig ist. Mit dieser Funktion kann es die eID Ihres Personalausweises auslesen. Sie können ihre Entscheidung für oder gegen eine Organspende auch über einen Computer oder Laptop festhalten. Dazu braucht der jeweilige Rechner ein Kartenlesegerät, damit Sie sich über die eID Ihres Personalausweises identifizieren können. Alternativ können Sie auch Ihr NFC-fähiges Smartphone oder Tablet als Kartenlesegerät nutzen. Unabhängig davon, welche Geräte Sie verwenden: Sie benötigen einen Personalausweis mit eID-Funktion, Ihre Krankenversicherten­nummer und Ihre E‑Mail-Adresse für den Prozess.

Weiterlesen nach der Anzeige

Weiterlesen nach der Anzeige

Wer hat Zugriff auf meine Daten im Organspende-Register?

Die Registerdaten sind nicht öffentlich einsehbar und werden geschützt gespeichert. Nur berechtigte Entnahme­krankenhäuser können eine Abfrage im Register durchführen, wenn die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt sind. Hierfür muss der Hirntod des oder der Betroffenen festgestellt worden sein, unmittelbar bevorstehen oder vermutlich bereits eingetreten sein. Die Abfrage können ausschließlich abrufberechtigte Ärztinnen und Ärzte sowie Transplantations­beauftrage durchführen. Sie müssen sich dabei immer im Register authentifizieren.

Wird es Alternativen zum Organspende-Register geben?

Ja. Wie bisher können Menschen auch im Organspende­ausweis oder in einer Patientenverfügung ihre Entscheidung für oder gegen eine Organspende festhalten. Sollten Sie dies bereits getan haben, bleibt Ihre Erklärung auch nach dem Start des Registers gültig. Wichtig ist, dass immer die jüngste Erklärung gilt. Sollten Sie sich also im Organspende-Register eintragen lassen und mit Ihrer neuen Angabe früheren Erklärungen widersprechen, gilt die aktuelle Erklärung im Organspende-Register.

Es ist zu hoffen, dass es sich auch in Deutschland positiv auswirkt, wenn die Wünsche der Spender in einem nationalen Spenderregister registriert werden.

Nichon Jansen,

Mitglied der European Society for Organ Transplantation

Wie erfolgreich sind Organspende-Register in anderen Ländern?

Es ist schwierig, den Erfolg von Organspende-Registern zu beurteilen. Bislang hat kein Land einen deutlichen Anstieg an Spenderinnen und Spendern verzeichnet, allerdings sind die meisten Register auch noch nicht lange im Einsatz.

Weiterlesen nach der Anzeige

Weiterlesen nach der Anzeige

In den Niederlanden gab es einen leichten Anstieg an Organspenderinnen und ‑spendern, nachdem die Regierung ihre Bevölkerung zum Eintrag ins Register verpflichtet hatte. Die Niederländerin Nichon Jansen ist Mitglied der European Society for Organ Transplantation und betont, dass es vorteilhaft ist, dass durch den Eintrag im Register im Ernstfall Angehörigen die Entscheidung abgenommen werden kann. „Es ist zu hoffen, dass es sich auch in Deutschland positiv auswirkt, wenn die Wünsche der Spender in einem nationalen Spenderregister registriert werden“, sagt sie.

In der Schweiz war ein Organspende-Register nur einige Jahre im Einsatz, ehe es 2022 wegen der Anfälligkeit für Hackerangriffe gesperrt wurde. „Das Register hat sicher nicht dazu beigetragen, dass die Spenderzahlen in der Schweiz angestiegen sind“, sagt Franz Immer, Direktor der Stiftung Swisstransplant. „Um einen direkten Einfluss zu messen, war die Betriebszeit zu kurz und es waren mit unter 2 Prozent der Bevölkerung zu wenige Menschen registriert.“ Auch die Tatsache, dass es keine Widerspruchslösung gab, könnte bei der geringen Zahl der Einträge eine Rolle gespielt haben. In einem Volksentscheid sprach sich die Schweizer Bevölkerung jedoch für eine Widerspruchslösung aus, die frühestens ab 2026 in Kraft tritt. Danach soll auch ein neues Register eingeführt werden.



Source link www.ostsee-zeitung.de