Anfänge: Nach Aussagen seiner Tante Mari war der am 20. Februar 1967 in Aberdeen, Washington geborene Kurt Cobain im Kindergarten- und frühen Schulalter ein fröhliches Kind gewesen, dessen künstlerische Begabung (Malen und Musik) nicht zu übersehen war. Er sang gerne („Hey Jude“ von den Beatles, „Seasons in The Sun“ von Terry Jacks), eine der Lieblingsbands seiner Kindheit war das Electric Light Orchestra, seinen ersten Song schrieb er angeblich mit vier Jahren. Der Gemütswandel zum Düsteren begann im Alter von neun Jahren, als sich seine Eltern, ein Automechaniker und eine Kellnerin, trennten, wofür Cobain sich schämte. Die Mutter gab das Sorgerecht an den Vater ab, der mit dem nun aufsässigen Kurt nicht klarkam. Viele Umzüge innerhalb der Familie folgten. Als ihm sein Onkel zum 14. Geburtstag vor die Wahl stellte – Gitarre oder Fahrrad – entschied Kurt sich für eine Gitarre.

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Beidhänder: Kurt Cobain schrieb (dazu gezwungen) rechtshändig, spielte die Gitarre aber mit links. Er versuchte sich zunächst an Coverversionen wie dem Kingsmen-Hit „Louie, Louie“, auf dem das Riff von Nirvanas „Smells Like Teen Spirit“ gründete, und „My Best Friend’s Girl“ von den Cars, mit dem Nirvana ihr letztes Konzert (am 1. März 1994 in München) eröffneten.

Club 27: Dieser fiktive Club schließt Künstlerinnen und Künstler ein, die – wie Kurt Cobain – im Alter von 27 Jahren starben. Die berühmtesten „Mitglieder“ sind Jimi Hendrix, Janis Joplin, Jim Morrison (The Doors), Brian Jones (The Rolling Stones) und Amy Winehouse. Dass die 27 generell ein besonders gefährliches Alter für Künstler sei, ist indes widerlegt.

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Drogen: Seine nie medizinisch ergründeten chronischen Magenschmerzen versuchte Kurt Cobain mit Heroin zu lindern. Ab 1990 spritzte er sich die Droge. Sechsmal versuchte er den Entzug, kam aber nie mehr davon los.

Erstes Album: „Bleach“ – der Titel des am 8. August 1989 veröffentlichten Nirvana-Debüts, geht auf ein Plakat zurück, auf dem Heroinsüchtigen nahegelegt wurde, ihre Spritze mit Bleichmittel zu desinfizieren – eine Vorgehensweise, die zuerst 1986 in San Francisco empfohlen wurde, um die Zahl der HIV-Infektionen zu verringern (zweimal mit klarem Wasser nachspülen). 30 Aufnahmestunden brauchte das Trio Kurt Cobain (Gesang, Gitarre), Krist Novoselic (Bass) und Chad Channing (Schlagzeug, später ersetzt durch Dave Grohl). 606,17 Dollar betrugen die unglaublich niedrigen Studiokosten. Bis zur Veröffentlichung des Millionensellers „Nevermind“ gingen 40.000 Exemplare in Nordamerika über den Tresen. Danach waren es allein in den USA 1,9 Millionen Exemplare. Es ist bis heute das erfolgreichste Album des Indielabels Sub Pop.

Bands zogen nach Seattle, um das nächste große Grunge-Ding zu werden

Fecal Matter: Anfang 1985 verließ Cobain vor dem Abschluss die Aberdeen High School, um seine erste Band Fecal Matter (Fäkalmaterie) zu gründen. Die Band hielt nur ein Jahr durch, war eher eine Witztruppe aus dem Dunstkreis der Grunge-Vorbereiter Melvins. Fecal Matter wurde damals dem Punk-Revival zugeschlagen und brezelte ihre Setlist mit Coverversionen auf, die von den Ramones bis Led Zeppelin reichten. Melvins-Frontmann Buzz Osbourne bediente kurzzeitig den Bass, nahm die Truppe aber zu Cobains Frust so wenig ernst, dass er sich nicht einmal einen Bassverstärker zulegte.

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Grunge: 1991 war Grunge, der lärmend-melodische Nirvana-Sound aus Indie, Metal und Punk das große Welt-Rock-Ding, war Seattle für zwei, drei Jahre das Zentrum der U-Musik, als Bands wie Mudhoney, Soundgarden, Alice in Chains, die von Cobain kritisch betrachteten Pearl Jam und eben Nirvana ihren energischen, schrägen Gitarrensound in die Welt entließen. Talentscouts durchkämmten die Stadt nach dem nächsten großen Ding, während Bands von überall her kamen und sich in Seattle niederließen, um genau dieses nächste große Ding zu werden.

„Teen Spirit“ war das Lieblingsdeo weiblicher US-Teenies

„Here we are now / entertain us“: Gelesen wird die Nirvana-Zeile gemeinhin als grimmiges Statement auf den Unterhaltungsanspruch der Massen. Aber Kurt Cobain sagte auch, so habe der Spruch gelautet, mit dem er auf Partys aufgeschlagen sei, um Schwung in die Bude zu bringen. Der Song, in dem die Zeile vorkam, war „Smells Like Teen Spirit“ (1991), dessen Titel gern als sarkastische Bemerkung über den Hang von Musikfans zur Vergottung von Musikern gelesen wird. Cobain zufolge entsprang der Titel einer Diskussion über Punkrock und den jugendlichen Hang zu Anarchismus. Und dann war „Teen Spirit“ Anfang der 90er-Jahre noch das bekannteste, von geschätzt einem Viertel der weiblichen amerikanischen Teenager benutzte Deo.

Idol: Kurt Cobain war mit Nirvana binnen fünf Jahren zum Idol all jener aufgestiegen, die vom Rock ’n’ Roll Reibung am Leben und Ehrlichkeit verlangten, statt getigerter Hosen und breitbeiniger Posen. 1989 waren Nirvana noch zu neunt (mit der Band Tad) im Fiatbus durch Europa getuckert und hatte (beispielsweise) nach dem Oldenburg-Konzert der „Bleach“-Tour (12. November 1989 im Kulturzentrum) aus Kostengründen bei Fans übernachtet. Arme Musikanten, die sich ihren Ruhm hart erarbeitet hatten. So wurden sie wie praktisch alle Bands des Grunge als authentisch empfunden.

Kino: Cobain war Filmfan, hatte das Drehbuch zu einem Horrorfilm geschrieben und in Interviews mehrfach erwähnt, dass er sich gern am Schauspiel versuchen und in einem Film mitwirken würde. Wozu es nie kam.

Ein Beatles-Song zur Beerdigung

„Last Days“ (2005): Ein Rockstar am Ende, ein murmelndes Wrack, verstörend unscharf in all seinem Tun. Man musste nichts über Kurt Cobain wissen, um Gus van Sants Spielfilm „Last days“ zu verstehen, jene Fiktion über den Sänger der Grungeband Nirvana. Cobain heißt hier Blake, ein zerstörter Held der Musik, der seinem Tod entgegendriftet. Zielloses Taumeln durch Wälder, Blake stirbt und steigt zum Himmel auf. Und Michael Pitt, sein Darsteller, liefert eine beklemmende Studie über den von so vielen verehrten Mörder Ruhm.

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Musikalische Einflüsse: Neben Hardrock- und Metallegenden und später den Sex Pistols und anderen Punkcombos liebte Kurt Cobain zeitlebens die Beatles, deren Lieder er schon als Kind sang. John Lennon bezeichnete er als „mein Idol“, der Song „In My Life“ der Beatles wurde bei seiner Beerdigung gespielt.

„Nevermind“: Das Album mit Kurt, Krist und Dave, dem Baby, dem Dollarschein (Idee: Geld verführt Unschuld) und all den Grunge-Hits. Erschien im September 1991 und hat bis heute 30 Millionen Exemplare verkauft. Die Wut des Punk traf nie wuchtiger auf die Süße des Pop. Mehr muss hierzu nicht mehr gesagt werden.

Ich bin ein viel glücklicherer Mensch, als viele Leute denken.

Kurt Cobain im Januar 1994 im Interview mit dem Musikmagazin „Rolling Stone“

Oyster und andere Namen: Am 19. März 1988 hatten Cobain, Krist Novoselic und Dale Crover (Schlagzeug) zum ersten Mal unter dem Namen Nirvana gespielt. Zuvor hatte die 1987 gegründete Gruppe sich in schneller Folge Ted Ed Fred, Bliss, Throat Oyster und Pen Cap Chew genannt. Und warum Nirvana? „Ich wollte einen Namen, der irgendwie schön, nett und hübsch war, nicht so einen ekelhaften Punk Rock-Namen wie Angry Samoans“, sagte Cobain.

Pro LGBT: Cobain war für LGBT-Gleichberechtigung. In einem Interview sagte er, dass Menschen, die homophob, rassistisch oder frauenfeindlich seien, der Band einen großen Gefallen täten, wenn sie keine Nirvana-Platten oder Konzertkarten kaufen würden, denn Nirvana würde dieses Geld nicht wollen und nichts mit ihnen zu tun haben. Als Cobain bei einem Konzert sah, wie ein Fan ein Mädchen bedrängte, warf er seine Gitarre zu Boden, und stürzte sich ins Publikum, um ihr beizustehen. Die Band spielte erst weiter, nachdem der Mann von Security aus dem Saal geführt war.

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Quo vadis, Kurt? Die gesicherten Nachrichten über den Verbleib Kurt Cobains enden am Samstag, 2. April 1994, dem Tag nach seiner Flucht aus der Entzugsklinik Exodus in Los Angeles. Die Cobain-Bilder der letzten Wochen seines Lebens widersprechen sich. Glücklicher Vater von Frances Bean – ständiger, medial ausgebreiteter Stress mit Gattin Courtney Love. Der quälerische Gedanke, mit „Nevermind“ den Indierock verraten zu haben – das Bekenntnis gegenüber dem „Rolling Stone“: „Ich bin ein viel glücklicherer Mensch, als viele Leute denken.“

Referenzen: Kurt Cobain findet postum nicht nur in zahllosen Songs namentliche Erwähnung, viele Musikerinnen, Musiker und Bands haben dem Rockstar ganze Lieder gewidmet – das reicht von R.E.M.s „Let Me In“, das kurz nach seinem Tod erschien, über Cage The Elephants „Aberdeen“ bis hin zu Patti Smiths „About A Boy“, das von einem spricht, „der einem Traum entgegengeht, der sich selbst träumt“. Kritisch-melancholisch ging die hannoversche Rockband Fury in The Slaughterhouse mit dem Freitod Cobains um. Im Song „Rainy April Day“ vom Album „The Hearing And The Sense of Balance“ (1995) heißt es: „Du hast alles gegeben / aber niemand will deine Angst haben / und Angst ist alles, was du deinem Kind hinterlassen hast.“

Du hast alles gegeben / aber niemand will deine Angst haben / und Angst ist alles, was du deinem Kind hinterlassen hast.

Zitat aus „Rainy April Day“, einem Kurt Cobain gewideten Song der Band Fury in the Slaughterhouse

Schusswaffen: „Ich mag Schusswaffen“, gestand Kurt Cobain im Januar 1994 dem Musikmagazin „Rolling Stone“ freimütig. Er hatte die Gewehre angeblich zum Schutz zu Hause, weil er ohne Bodyguards lebte und sich rein körperlich nicht stark genug fühlte, seine Familie im Ernstfall verteidigen zu können. Allerdings sprach er im selben Interview auch davon, dass er sich fünf Jahre lang wegen seiner extremen Magenprobleme („Ich habe gesungen und Blut gehustet“) jeden Tag habe umbringen wollen. Nachdem er die letzte Nirvana-Tour wegen Gesundheitsproblemen abgebrochen hatte (gerüchteweise war es ein Selbstmordversuch mit Tabletten), wurde Cobain am 8. April tot im Gewächshaus seines Anwesens aufgefunden. Er hatte sich erschossen, wie zuvor bereits zwei seiner Großonkel.

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Tagebücher: Kurt Cobains „Tagebücher“ („Diaries“) waren 2002 ein weiterer Coup in der Nachlassverwurstung des Sängers. Sie sagen uns einiges über musikalischen Anspruch und politische Wut Cobains, dieses nicht ganz freiwillig größten Rockstars der 1990er Jahre. Sie sagen uns nicht, warum alles so böse ausging. Die Kapitel sind undatiert, das Buch ist nur ein Ausriss des US-Originals. Man liest und staunt, dass Kurt Jimmy Carter mochte und liest nicht, wie er als Ehemann und Vater so war. Die Kurt-getreuen Courtney-Love-Hasser hatten dafür eine Erklärung, die in ihren finsteren Courtney-sucks-Kosmos passte. Cobain wollte diese Schriften nie veröffentlichen. Der echte Kurtianer kauft das Buch und wirft es ungelesen weg. Für Kurt.

Uterus statt Exitus: Das dritte Studioalbum (VÖ: 21. September 1993) sollte eigentlich „I Hate Myself And Want to Die“ heißen. Als „Scherz“ bezeichnete Cobain den Titel gegenüber dem „Rolling Stone“. „Aber ich wusste, dass die Mehrheit der Leute ihn nicht verstehen würde.“ So wurde daraus „In Utero“, ein raueres Album als das geschliffene „Nevermind“ – mit Songs wie „Scentless Apprentice“ (basiert auf Patrick Süßkinds Roman „Das Parfum“) oder dem unverhofft zarten „All Apologies“ („Ich wünscht‘, ich wär wie du – leicht zu amüsieren“). Der „Hate Myself“-Song kam dann im November auf dem Compilation-Album „The Beavis and Butthead Experience“ auf den Markt und sollte als B-Seite der Single „Pennyroyal Tea“ am 8. April 1994 erscheinen, wovon man dann wegen Cobains Suizid – vermutlich am 5. April – absah.

Ich wünschte, er hätte weitergelebt.

Michael Stipe, Sänger der Band R.E.M, Kurt Cobains Freund und Patenonkel seiner Tochter Frances Bean Cobain

Viertes Studioalbum: „Ich weiß, wir werden wenigstens noch eine Platte raushauen“, hatte Cobain 1993 nach dem Release von „In Utero“ gesagt. Sie sollte sanft und leise werden, mit Akustikgitarren und Streichern. Nirvanas „MTV Unplugged“-Auftritt gab die Richtung vor, das akustische „Automatic for The People“-Album von R.E.M. war Cobains Vorbild. Es kam nie dazu. „Ich wünschte, er hätte weitergelebt“, sagte deren Sänger, Cobains Freund Michael Stipe, später.

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Wolke über Seattle: „Das hat die Stadt drei Tage gelähmt“, erinnerte sich Chris Eckman, Sänger der Seattle-Band The Walkabouts 2001 im Interview an die Tage nach Cobains Tod. „Wir hatten am Tag danach das Heimspiel unserer Tour. Und als wir ‚Will you miss me, when I’m gone‘ spielten, fingen die Leute an zu weinen. Kurts Tod hing wie eine Wolke über Seattle.“

Kurts Tod hing wie eine Wolke über Seattle.

Chris Eckman,

Sänger der Band The Walkabouts aus Seattle

Young-Zitat: In seinem Abschiedsbrief wandte sich Kurt Cobain auch an seine Fans „Ich danke euch allen aus der Tiefe meines brennenden schmerzenden Magens heraus für eure Briefe der Besorgnis in den letzten Jahren. Ich empfinde keine Leidenschaft mehr, deshalb erinnert euch, dass es besser ist, auszubrennen als zu verblassen.“ Die „better to burn out than fade away“-Zeile stammt aus Neil Youngs Song „Hey Hey, My My“ (1979). Nach Cobains Tod wollte Young den Song nie wieder spielen, besann sich aber eines Besseren, als Dave Grohl und Krist Novoselic ihn dazu bewegten.

Zeitsprünge: Mit dem Tod Kurt Cobains endete offiziell die Geschichte von Nirvana. Seither erscheinen von Zeit zu Zeit Compilations und Liveaufnahmen. Dave Grohl gründete die bis heute erfolgreichen Foo Fighters, Krist Novoselic zog sich zeitweilig vom Musikgeschäft zurück. Courtney Love vermeldete 2022 die Vollendung ihrer Memoiren „The Girl with The Most Cake“. Tochter Frances Bean Cobain heiratete im vorigen Herbst den Skater Riley Hawk – mit ihrem Paten Michael Stipe als Zeremonienleiter. Die BBC zeigt am kommenden Samstag zum 30. Todestag des Musikers die neue Doku „Moments That Shook Music: Kurt Cobain“. Im Vorjahr schloss Krist Novoselic gegenüber dem „New Musical Express“ nicht aus, dass die noch lebenden Nirvana-Mitglieder noch einmal miteinander die alten Songs spielen könnten.

Wie ernst jedoch ein gerade beim Kurznachrichtendienst X geposteter Plan einer Nirvana-Welttour mit Grohl, Novoselic, Pat Smear (zeitweiliger zweiter Nirvana-Livegitarrist) und Frances als Sängerin ab Januar 2025 gemeint ist, muss sich noch weisen. Die „April Fools Tour“ benamte Konzertreise deutet eher auf einen Aprilscherz hin.



Source link www.ostsee-zeitung.de