Hallo zusammen,

wie die Klimaseniorinnen der Schweiz und wohl bald auch Ländern beim Klimaschutz Beine machen, warum der Verkehrsminister mit Fahrverboten droht und was es mit diesem komischen neuen Verschluss für Plastikflaschen auf sich hat, das alles steht heute im Klima-Kompass.

Viel Spaß beim Lesen!

Punkt eins: Klimaschutz wird Menschenrecht

Anne Mahrer (links) und Rosmarie Wydler-Waelti (rechts), Co-Präsidentinnen der Klimaseniorinnen Schweiz, freuen sich über den Entscheid des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte.

Anne Mahrer (links) und Rosmarie Wydler-Waelti (rechts), Co-Präsidentinnen der Klimaseniorinnen Schweiz, freuen sich über den Entscheid des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte.

Für Menschen, die sich ums weltweite Klima sorgen, war der Dienstag ein richtig guter Tag – und ganz besonders für die Schweizer Klimaseniorinnen. Der gleichnamige Verein hat beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg für schärfere Maßnahmen gegen den Klimawandel geklagt – und Recht bekommen. Der mangelnde Klimaschutz der Schweiz habe die klagenden Seniorinnen in ihren Menschenrechten verletzt, entschieden die Richter am Dienstag. Das Land muss also nachbessern.

„Es ist der Wahnsinn, dass das Interesse so groß ist. Wir hoffen auf einen starken Impact“, sagte die Co-Präsidentin der Klimaseniorinnen, Rosmarie Wydler-Wälti (74), dem RND. Auf eine Signalwirkung des Urteils hofft auch Martin Kaiser, geschäftsführender Vorstand bei Greenpeace Deutschland: „Das ist ein Meilenstein für den Klimaschutz weltweit.“ Das Urteil habe weitreichende Folgen. Denn der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte sei eine sehr hohe und weltweit angesehene Instanz und seine Argumentation richtungsweisend.

Ein Urteil mit Signalwirkung

Das Urteil bindet erst einmal nur die Schweiz. Trotzdem wird es darüber hinaus wirken. Denn der EGMR gehört zum Europarat und ist für die Einhaltung der Menschenrechtskonvention zuständig. Zum Europarat zählen die EU-Staaten, aber auch andere große Länder wie die Türkei oder Großbritannien. Das Urteil könnte nun also tatsächlich ein Präzedenzfall für weitere Klimaklagen werden – nicht nur vor dem EGMR, sondern vor unzähligen nationalen Gerichten.

Was hatte das Gericht überzeugt? Die Seniorinnen hatten argumentiert, sie seien durch ihr Alter besonders durch den Klimawandel gefährdet, beispielsweise wegen extremer Hitzewellen. Zuvor hatte sich der Verein, der mehr als 2500 Mitglieder mit einem Altersdurchschnitt von 73 Jahren hat, an die Schweizer Justiz gewandt. Dort war die Klage aber abgelehnt worden.

Zusammen zu klagen macht Sinn

Auch jetzt ist noch nicht gesagt, dass in der Schweiz künftig tatsächlich mehr für den Klimaschutz getan wird – trotz des rechtlich bindenden Straßburger Urteils. Aus der Schweizer Politik hat es nach der Verkündung bereits kritische Stimmen gegeben. Und ob das Urteil in nationales Gesetz umgesetzt wird, könnten Kritiker auch durch ein nationales Volksreferendum noch verhindern. Auf diese Weise wurde in der Schweiz 2021 auch ein strengeres CO₂-Gesetz mit einer knappen Mehrheit von Neinstimmen kassiert.

Trotzdem war der Weg der Klimaseniorinnen zunächst vor das Schweizer Gericht sinnvoll. Denn eine weitere Klimaklage wiesen die Straßburger Richter zurück: Sieben junge Menschen aus Portugal wollten am EGMR gleich 32 europäische Staaten auf einmal verklagen. Das EGMR befand jedoch: Die Betroffenen hätten sich zuerst in Portugal durch die Instanzen klagen und auch zu einer größeren Gruppe zusammenschließen müssen. Also ganz wie die Klimaseniorinnen.

Punkt zwei: Streit ums Klimaschutzgesetz

Sonntägliche Fahrverbote erlebte die Bundesrepublik schon im Jahr 1973. Unser Archivfoto zeigt die leere Autobahn Heilbronn–Stuttgart bei Weinsberg am 9.12.1973, dem dritten Fahrverbotssonntag des Jahres. War damals die anhaltende Ölkrise der Anlass, so droht Bundesverkehrsminister Volker Wissing nun mit Fahrverboten, damit die Klimaschutzziele eingehalten werden können.

Sonntägliche Fahrverbote erlebte die Bundesrepublik schon im Jahr 1973. Unser Archivfoto zeigt die leere Autobahn Heilbronn–Stuttgart bei Weinsberg am 9.12.1973, dem dritten Fahrverbotssonntag des Jahres. War damals die anhaltende Ölkrise der Anlass, so droht Bundesverkehrsminister Volker Wissing nun mit Fahrverboten, damit die Klimaschutzziele eingehalten werden können.

Auch in Deutschland wird wieder heftig gestritten – und zwar erneut ums Klimaschutzgesetz: Das sieht bestimmte Einsparziele vor, um bis 2030 den klimaschädlichen Ausstoß von Treibhausgasen um 65 Prozent gegenüber 1990 zu reduzieren. Für einzelne Wirtschaftssektoren – Industrie, Energiewirtschaft, Verkehr und Gebäude – wurden deshalb zulässige Jahreshöchstmengen festgelegt. Kernpunkt ist bisher der Mechanismus: Wenn Sektoren Vorgaben verfehlen, müssen die zuständigen Ressorts der Bundesregierung mit Sofortprogrammen nachsteuern, um die Einhaltung der Emissionsmengen sicherzustellen.

Im Juni 2023 hatte das Bundeskabinett – schon damals auf Druck der FPD – jedoch entschieden, die einzelnen Sektorziele aufzuweichen. Denn vor allem der Sektor Verkehr lag weit über seiner Emissionshöchstmenge. Künftig soll nun stattdessen nach vorne gerichtet betrachtet werden, ob die Volkswirtschaft insgesamt die Pariser Klimaziele für 2030 erfüllt. So der Plan. Seit September wird im Parlament um die Gesetzesnovelle gerungen: Die Grünen kritisieren die Aufweichung der Sektorziele, Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) hingegen erhöht nun seinerseits den Druck.

Drohung mit der Fahrverbotkeule

In einem Schreiben an die Vorsitzenden der Ampelfraktionen warnt er nun vor drastischen Einschnitten für Autofahrer – und zwar bis hin zu Fahrverboten am Wochenende. Wenn die Klimaschutznovelle nun nicht bald im Bundestag beschlossen werde, würden solche Maßnahmen ab Sommer nötig, um die Sektorziele zu erreichen. Das interne Schreiben, das dem RND vorliegt, aber auch via „Bild“-Zeitung an die Öffentlichkeit gelangte, offenbart: Der Verkehrsminister steht seinerseits ebenfalls unter Druck.

Denn auch ihm sitzt eine Klimaklage im Nacken. Im November 2023 hatte das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg die Bundesregierung dazu verurteilt, beim Nichterfüllen der Sektorziele wirksame Sofortprogramme für mehr Umweltschutz aufzustellen. Frist: 15. Juli 2024.

Klima-Kompass

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Hiermit schließt sich der Kreis zum vergangenen Klima-Kompass: Denn manche oder mancher mag sich nun fragen, warum nur radikale Fahrverbote wirksam sein sollen. Tempolimits könnten schließlich ebenfalls deutliche Einspareffekte erzielen. Nabu-Präsident Jörg-Andreas Krüger kritisiert Wissings Vorschlag dann auch als populistische Panikmache. „Auch mit Dienstwagenbesteuerung und Kilometerpauschale lassen sich Anreize für klimafreundlicheres Verhalten setzen.“

Punkt drei: Was baumelt denn da?

Eine Plastikflasche mit fest verbundenem Deckel

Eine Plastikflasche mit fest verbundenem Deckel

Es betrifft Getränke wie Cola und Limo, aber auch Milch: Ab dem 3. Juli 2024 müssen PET-Einwegflaschen und Getränkekartons bis drei Liter Fassungsvermögen einen festsitzenden Verschluss haben müssen. Sinn der sogenannten Einwegkunststoffrichtlinie der EU ist es, gegen die Verschmutzung der Meere durch Plastikmüll vorzugehen. Laut Verbraucherzentrale Hessen wurden bei Untersuchungen an der Nordsee mehr als 40 Plastikdeckel auf etwa 100 Metern Strand gefunden.

Die festen Deckel haben bei manchen allerdings erstmal für viel Empörung gesorgt – auch in den sozialen Medien. Ein User schrieb beispielsweise auf X: „Das ist das schlechteste Update jemals.“ Der Verpackungstechnologe Markus Prem denkt jedoch, dass sich die Aufregung um die festen Deckel legen wird. „Ich glaube, das ist eine Gewöhnungssache“, sagte Prem meiner Kollegin Laura Ebeling.

Ob das Verbot von losen Deckeln in Deutschland wirklich den erwünschten Effekt erzielt, stellt der Experte allerdings infrage. „Ich glaube, in Mitteleuropa und auch in Deutschland haben wir da kein großes Problem mit weggeschmissenen Deckeln“, sagt Prem, der Professor für Lebensmittel- und Verpackungstechnologie an der Hochschule Kempten ist. Wenn man aber auf Gesamteuropa schaue, ergebe die Regelung durchaus Sinn. „Und die EU kann keine Sonderregeln für einzelne Länder beschließen.“ Deswegen bringe die Regelung etwas. „Aber sie wird die Welt nicht retten.“

Kopf oder Zahl: 30,1

Baden gehen am 6. April: Eine Familie am Hufeisensee bei Hannover.

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Im baden-württembergischen Ohlsbach im Rheintal wurden am ersten Samstag im April 30,1 Grad gemessen – das ist ein absoluter Rekordwert seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Solche Werte gab es in Deutschland in dieser Form noch nie zu dieser Jahreszeit. Bisher lag der deutsche Rekord für die Zeit vom 1. bis 10. April bei 27,7 Grad. Gemessen wurde das im Jahr 2011.

Gibt es Feedback oder Anregungen? Gerne her damit an Klima-Kompass@rnd.de.

Es grüßt sehr herzlich bis zur nächsten Woche:

Andrea Barthélémy

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