Berlin. Viel Zeit hat die Ampelkoalition nicht mehr. Wenn sie die Kindergrundsicherung vor der nächsten regulären Bundestagswahl im September 2025 einführen will, dann müssen sich SPD, Grüne und FDP in den kommenden Wochen einigen. Die Bundesagentur für Arbeit (BA) hatte bereits gewarnt, dass sie ab einem Beschluss des Bundesrates mindestens ein Jahr zur Umsetzung benötigt. Und in der Länderkammer drohen wegen der skeptischen Haltung der Union noch langwierige Verhandlungen.
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FDP mit grundsätzlicher Kritik an der Reform
Doch stehen alle Ampelpartner überhaupt noch zu diesem Projekt? Die FDP ist am lautesten, wenn es um Kritik an dem Gesetzentwurf von Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) geht. Der bekämpfe in keinster Weise Kinderarmut, sagte die stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Gyde Jensen der Deutschen Presse-Agentur (dpa).
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Die Diakonie warnte die Regierungskoalition vor einem Scheitern der Reform. „Die Kindergrundsicherung sollte wegen der Streitereien der Ampel nicht auf der Strecke bleiben“, warnte der Präsident des evangelischen Wohlfahrtsverbands, Rüdiger Schuch, im Gespräch mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Das wäre für die betroffenen Kinder, die man besser absichern will, eine fatale Situation.“
Mit der Kindergrundsicherung sollen Leistungen wie das Kindergeld, Leistungen aus dem Bürgergeld für Kinder oder der Kinderzuschlag gebündelt werden. Ziel ist, dass alle Kinder, die Anspruch auf eine höhere Unterstützung haben, diese beantragen. So soll Chancengleichheit geschaffen werden. Die Reform gilt als das Prestigeprojekt der Grünen, weswegen die Ökopartei an den ursprünglichen Plänen festhält – auch wenn Paus nun ein wenig zurückgerudert ist. 5000 Stellen für eine neue Beratungsstruktur mit dem Titel „Familienservice“ braucht es laut der Grünen-Politikerin auf Dauer vielleicht doch nicht. Durch Synergieeffekte und konsequente Digitalisierung könne die Gesamtzahl noch reduziert werden, sagte die Ministerin der dpa.
Paus will FDP entgegenkommen
Die Grünen-Politikerin will der FDP offenbar entgegen kommen, deren öffentlicher Ärger sich vor allem an dem Bürokratieaufbau entzündet. Doch die Liberalen sind nicht die einzigen mit Kritik an den neuen Stellen. „Wenn man die Zahl 5000 hört, klingt das erst einmal verstörend hoch. Da muss man politisch sicherlich noch mal diskutieren – aber sachorientiert und ohne Polemik“, mahnte Diakonie-Chef Schuch. „Zwei Ziele müssen zusammengebracht werden: schlankere Verwaltungsstrukturen und barrierefreie Zugänge.“ Schuch forderte auch, dass die Kindergrundsicherung für bedürftige Kinder „bei mehr als 700 Euro im Monat liegen“ müsse.
Eine Erhöhung der Mittel für die Sozialleistung ist allerdings derzeit extrem unwahrscheinlich. Die Haushaltsverhandlungen im Bund stehen an, wobei für 2025 bis zu 30 Milliarden Euro eingespart werden müssen. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hatte daher ein Moratorium für Sozialausgaben gefordert, was bei Wohlfahrtsverbänden die Alarmglocken schrillen lässt. „Ein Moratorium käme in den kommenden Jahren einer realen Kürzung gleich“, sagte Schuch. „Es ist vollkommen richtig, die Staats- und Sozialausgaben immer wieder kritisch zu überprüfen. Dass Christian Lindner mit dem Rasenmäher über den Sozialstaat fahren will, ist allerdings populistisch.“ Auch die SPD äußerte sich bereits ablehnend.
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Die Sozialpolitik dürfte eines der Hauptthemen im Bundestagswahlkampf werden. Die Union will sie in den Mittelpunkt stellen, auch die FDP scheint sich derzeit entsprechend vorzubereiten. Deswegen gibt es bei Sozialverbänden und unter den Ampelpartnern bereits Zweifel, ob die FDP die Kindergrundsicherung noch mittragen wolle. Ihr Generalsekretär Bijan Djir-Sarai drohte eine Blockade an: „Wenn die Ministerin ihr Gesetz noch retten will, muss sie endlich etwas Praktikables auf den Tisch legen.“ Und auch der Liberale weiß: Die Uhr tickt.