John Travolta tanzte sich 1977 im Film „Saturday Night Fever“ unter ihrem Lichtermeer beinahe die Seele aus dem Leib – und löste damit eine gigantische Welle neuer Diskotheken aus. Auch heute hängt sie noch, die Discokugel: in Clubs, auf Hochzeitspartys und den Jubiläumsfeiern so mancher Firmen. Getreu dem Bee-Gees-„Saturday Night Fever“-Hit „Stayin’ Alive“ ist der glitzernde Ball heute so beliebt wie in den Siebzigern. Und er war es bereits davor.
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Vor genau 100 Jahren soll der Berliner Unternehmer Paul Baatz solch eine Kugel in seinem legendären Ballhaus Resi in Friedrichshain installiert haben, dem Residenz-Casino. Es soll die erste ihrer Art gewesen sein, die zumindest in Europa hing. Im Nachhinein war es kein Wunder, dass sie ausgerechnet im Resi auftauchte – denn dieses Lokal soll auch bei anderen Innovationen führend gewesen sein, etwa beim Tischtelefon und der Rohrpost. Auf alten Zeichnungen des Saals sind zumindest die Spiegelkugeln deutlich zu sehen.
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Das Prinzip ist so simpel wie genial: Eine Discokugel – im Englischen Disco Ball oder Glitter Ball – ist eine rundum mit kleinsten Spiegelscheiben beschichtete Kugel, die sich unter der Decke hängend um sich selbst dreht und dabei Licht reflektiert. Dies führt rundherum durch die Spiegelungen zu einem Meer an sich bewegenden Punkten. Mal sind diese Kugeln eher klein – 30 bis 40 Zentimeter Durchmesser –, mal messen sie in großen Hallen fast einen Meter. Immer aber stehen sie für Bewegung und Dynamik. Perfekt also zum Tanzen. So wie 1924 im Berliner Resi.
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Das später während des Zweiten Weltkriegs zerstörte Lokal wurde 1951 in der Hasenheide wieder aufgebaut – natürlich mit Discokugel an der Decke. 1978 wurde das Lokal jedoch geschlossen und gesprengt. Die Discokugel immerhin überlebte sowohl Kriegswirren als auch Neubauprojekte der Siebzigerjahre.
Die Discokugel – auch auf der Leinwand ein Star
„Saturday Night Fever“ war übrigens längst nicht der erste Film, in dem die Glitzerkugel groß rauskam: Sie war von Beginn an immer mal wieder auf der Leinwand zu sehen – unter anderem in „Sinfonie der Großstadt“ (1927), „Der blaue Engel“ (1930) und in „Casablanca“ (1943).
„Die Discokugel ist nicht nur ein Symbol, sondern steht auch für ein Lebensgefühl“, sagt Aurélie Bergen, Pressesprecherin des Bundesverbands deutscher Diskotheken und Tanzbetriebe (BDT), auf Nachfrage. Als Reflexionsfläche breche sie das Licht und erzeuge so ihre einmalige Stimmung. Sie stehe für Glamour und lange, intensive Partynächte. „Ohne Zweifel hat die Discokugel einen Kultstatus erreicht und ist aus den Club- und Diskothekenbetrieben kaum mehr wegzudenken.“
Schon 1917 patentiert
Über die Entstehungsgeschichte der Discokugel ist man sich heute nicht ganz einig – zwar wird hierzulande in diesem Jahr gern auf den angeblich 100. Geburtstag zurückgeblickt. Allerdings scheint die Discokugel 1924 nur erstmals nach Europa gelangt zu sein. Bereits 1917 gab es in den USA ein entsprechendes Patent und wohl auch die ersten Exemplare.
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Die Discokugel im Film „Saturday Night Fever“ mit John Travolta.
Quelle: ima o/Everett Collection
Louisville im US-Bundesstaat Kentucky gilt bis heute als das Zentrum des Ganzen. Hier produziert die Firma Omega Mirror Products nach wie vor Discokugeln in Handarbeit. Zur Hochphase der Diskotheken kamen weltweit rund 90 Prozent aller Kugeln von hier. Das ist längst anders – vor allem aus Kostengründen. Entsprechende Produkte aus Fernost kosten meist nur rund ein Fünftel. Doch schwören Kenner nach wie vor auf Kugeln made in USA.
Sechs Meter Durchmesser
Im legendären New Yorker Nachtclub Studio 54 soll ein solches Exemplar aus Kentucky gehangen haben. Und auch in der US-Kult-Fernsehsendung „Soul Train“ gehörte sie zur Kulisse. In Louisville enthüllte die Stadt deswegen bereits 2016 die damals mit 3,35 Meter Durchmesser angeblich größte Kugel Kentuckys. Es sollte eine Werbung sein für ein viel gewaltigeres Vorhaben: Eine Fangruppe wollte damals Geld sammeln für die größte Discokugel der Welt, geplanter Durchmesser: 20 Meter. Seitdem verstummte die Gruppe jedoch in den sozialen Netzwerken – ohne ihr Vorhaben umgesetzt zu haben.
Bislang hält ein Exemplar in Europa den Rekord: Im nordenglischen Seebad Blackpool, bekannt für Vergnügungsparks, Spielhallen und Junggesellenabschiede, steht an der Promenade die mit sechs Metern Durchmesser nach Aussage der Stadt größte Kugel der Welt. Der Künstler Michael Trainor schuf sie bereits im Jahr 2002 und damit offenbar ein Kunstwerk, so zeitlos wie die Discokugel selbst: Nach einer umfangreichen Sanierung der insgesamt 47.000 Spiegel der Kugel glänzt sie seit Kurzem wieder wie neu. Und sie gilt inzwischen als einer der am besten für Instagram-Aufnahmen geeigneten Orte der Stadt. Das Saturday Night Fever mag abgeklungen sein – die Glitzerkugel lebt weiter.