Frankfurt am Main. Bernd Holthaus hat es mit einer Herausforderung der besonderen Art zu tun. Er muss in Zeiten des massiven Fachkräftemangels 3000 hochqualifizierte Frauen und Männer für das geplante Chipfertigungswerk von Intel in Magdeburg finden. Dafür sei in der Landeshauptstadt von Sachsen-Anhalt günstiger Wohnraum und eine gute medizinische Versorgung enorm wichtig. Zugleich macht er sich Sorgen um den Unterricht in mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächern: „Wir brauchen Lehrkräfte, die Schüler für diese Fächer begeistern“, so Holthaus, der der Personalchef bei Intel Magdeburg ist. In seiner fast 20-jährigen Berufslaufbahn bei Intel war er unter anderem für Fachkräftegewinnung auf europäischer Ebene zuständig. Zudem leitete er kritische Projekte im Bereich Unternehmenstransformation, Akquisitionen und Integrationen.

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Herr Holthaus, wird es gelingen, für die Chipfabrik in Magdeburg genug Fachkräfte zu finden?

In unserer ersten Einstellungswelle waren wir überwältigt von der Resonanz. Das macht uns sehr hoffnungsvoll, nicht nur auf internationaler Ebene Talente nach Magdeburg zu holen, sondern auch auf lokaler Ebene. Als Arbeitgeber kann man schon viel tun – mithilfe der IHK in Magdeburg, der Agentur für Arbeit oder über Verbände. Über die große mediale Aufmerksamkeit für die Fabrik in Magdeburg versuchen wir, deutlich zu machen, dass viele Menschen bereits eine relevante Qualifikation für die Halbleiterbranche haben. In der Bevölkerung besteht die Auffassung, dass das nur etwas für absolute Topspezialisten ist, was überhaupt nicht stimmt.

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Wie überzeugen Sie Talente, die sich ihren Arbeitgeber aussuchen können, nicht nach Berlin oder München, sondern nach Magdeburg zu gehen?

Die Themen Wohnraum und Bildung sind für junge Familien sehr wichtig. Da hat Magdeburg im Vergleich zu Baden-Württemberg oder Ballungsgebieten einiges zu bieten, wo Wohnraum kaum noch bezahlbar ist. In Magdeburg sind aktuell einige Tausend Wohnungen verfügbar. Und es wird weiter stark in den Wohnungsbau investiert. Wichtig ist, wie das Schulsystem für die Kinder unserer Mitarbeiter ausschaut. Und wie ist es mit anderen Dienstleistungen, etwa im Gesundheitssystem?

Wie viele Beschäftigte haben sie bereits eingestellt?

Wir planen für dieses Jahr den Spatenstich für die Fabrik. Und nach der Bewilligung der EU-Kommission dauert es dann voraussichtlich vier, fünf Jahre, bis die Anlage in Betrieb genommen werden kann. Zu diesem Zeitpunkt brauchen wir 3000 Mitarbeitende. 70 Prozent davon sind gewerblich Arbeitende und 30 Prozent haben akademische Profile. Wir haben jetzt schon mehr als 30 Stellen besetzt und stellen laufend neue Mitarbeitende ein. 20 Auszubildende werden im September ihre Ausbildung zur Mikrotechnologin und zum Mikrotechnologen beginnen. Deren Zahl wird in den nächsten Jahren allmählich erhöht.

Was müssen junge Frauen und Männer können, wenn sie bei Intel in Magdeburg arbeiten wollen?

Wir haben 70 Berufsgruppen identifiziert, die an unserem Standort arbeiten können. Da können wir auf eine Ausbildung als Mechatroniker, Elektroniker oder Industrieanlagenmechaniker sehr gut aufbauen.

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Die Anforderungen in einer Chipfabrik sind doch sehr speziell.

Das ist richtig. In Deutschland haben wir aber aufgrund des dualen Ausbildungssystems, das international hohes Ansehen genießt, sehr gute Voraussetzungen. Den Mikrotechnologen zum Beispiel gibt es schon lange als Ausbildungsberuf.

Für diesen Job reicht das Abitur?

Da reicht sogar schon die mittlere Reife. Gute Kenntnisse in den Naturwissenschaften sind von Vorteil: Physik, Chemie, Mathe. Technisches Grundverständnis sollte man schon mitbringen.

Mehr nicht? Wer Intel hört, denkt doch sofort an Informatiker.

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Natürlich ist es gut, eine abgeschlossene Ausbildung oder ein abgeschlossenes Studium zu haben. Aber wir haben auch Bewerbungen von Studienabbrechern der Lehrgänge Informatik oder der Elektrotechnik erhalten. Wir sind dafür sehr offen, zumal unser System sehr durchlässig ist. So können die Mikrotechnologen ihrer Ausbildung ein duales Studium anschließen und bei uns angestellt bleiben.

Natürlich ist es gut, eine abgeschlossene Ausbildung oder ein abgeschlossenes Studium zu haben. Aber wir haben auch Bewerbungen von Studienabbrechern der Lehrgänge Informatik oder der Elektrotechnik erhalten.

Die technische Entwicklung in der IT-Branche ist rasant. Unis und vor allem Berufsschulen hinken hinterher. Wie kriegen Sie das übereinander?

Wir kriegen das übereinander mit der Zusammenarbeit mit der Industrie- und Handelskammer in Magdeburg. Die IHK hat den Kontakt zu den Berufsschulen und sie hat das Interesse, dass die jungen Leute mit ihrer Ausbildung bei Intel IHK-Zertifikate erwerben. Richtig aber ist auch, dass der Rahmenlehrplan für den Mikrotechnologen überholt werden sollte. Das befindet sich in Planung, dauert aber noch. Und was jetzt hinzukommt, ist natürlich das Thema Künstliche Intelligenz.

Sind insbesondere ältere Lehrer überhaupt in der Lage, KI-Themen zu vermitteln?

Ich würde es nicht am Alter festmachen. Lehrkräfte haben sich in der Covid-Krise beim Umgang mit IT sehr viel selbst erarbeitet. Nicht wegzureden ist aber die Frage, wie Lehrer und Lehrerinnen bei der extrem schnellen Entwicklung in Informationstechnik mithalten können. Das funktioniert etwa in Kooperation mit Unternehmen. Wir machen das beim Thema KI auf europäischer Ebene schon erfolgreich. Das muss man noch verstärken.

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Antigone Davis, Global Head of Safety bei Meta, über Jugendschutz, KI und Altersverifikation

Meta-Sicherheitschefin: „Wir wollen nicht die gesamte Verantwortung an die Eltern abwälzen“

Wie sicher sind die Apps von Meta für Kinder? Und wie sollen Eltern bei all den verschiedenen Werkzeugen und Einstellungen noch durchblicken? Im RND-Interview spricht Antigone Davis, Global Head of Safety bei Meta, über Jugendschutz, KI und Altersverifikation.

Viele Unternehmen beklagen ständig, dass die jungen Leute kein Interesse an den sogenannten MINT-Fächer – Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft, Technik – haben. Stimmt das?

Das stimmt so nicht. Richtig aber ist, dass wir in Zukunft gar nicht genug Fachleute haben können für Jobs im MINT-Bereich. Klar ist, dass man sich im einen oder anderen naturwissenschaftlich-mathematischen Fach ein bisschen quälen muss. Wir brauchen Lehrkräfte, die Schüler für diese Fächer begeistern.

Die OECD hat kürzlich beklagt, dass es im deutschen Schulsystem in die falsche Richtung geht, dass Schülerinnen und Schüler nicht begeistert, sondern immer mehr fürs sture Auswendiglernen getrimmt werden.

Bund und Länder tun einiges, um die digitale Transformation in die Schulen zu bringen. Ich mache mir aber Sorgen, dass das alles schnell genug geschieht, zumal das Thema Künstlichen Intelligenz nun noch mal eine ganz andere Rasanz entwickelt. Wenn solche Themen nicht in der Schule aufgegriffen werden, besteht die Gefahr, dass Schülerinnen und Schüler ihre Ausbildung infrage stellen, denn sie sehen ja überall, wie Künstliche Intelligenz wirkt – angefangen bei ChatGPT.

Wir brauchen in Deutschland eine konzeptionelle Stärke, um im internationalen Talentwettbewerb zu bestehen.

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Politiker aus der Opposition und Wirtschaftsverbände übertreffen sich gerade darin, den Standort Deutschland schlechtzureden. Schließen Sie sich an?

Wir brauchen in Deutschland eine konzeptionelle Stärke, um im internationalen Talentwettbewerb zu bestehen. Es geht darum, den Standort Deutschland zum attraktivsten Standort weltweit zu machen. Das heißt, wer ein Fachkräfteeinwanderungsgesetz macht, sollte auch die Kommunen so ausstatten, dass die Integrationsprozesse bewerberfreundlich ablaufen. Denn wer sich mit einer hohen Qualifikation entschließt, sein Heimatland zu verlassen, kann sich in der Regel das Land aussuchen, wo er oder sie hinzieht.

Was bedeutet das für im Fall von Magdeburg?

Wir wollen nicht, dass die Einstellung von Arbeitskräften für Magdeburg an bürokratischen Hürden für Migranten scheitert. Die Zusammenarbeit, vor allem auf Stadt- und Landesebene, ist hervorragend. Wichtig ist uns auch, dass Politiker durchdenken, was es aus Sicht eines Kandidaten oder einer Kandidatin bedeutet, nach Magdeburg zu kommen. Und entsprechend sollten die Prozesse in der Verwaltung adaptiert werden. Wenn wir von Willkommenskultur sprechen, dann geht es nicht nur um ein Gesetz, sondern es kommt auf das Engagement aller an, die an dem Prozess der Migration beteiligt sind.

Schreckt die hohe Zustimmung für die AfD in Sachsen-Anhalt Bewerber ab?

Wir sind ein Unternehmen, das für alle offen ist, wir leben diese Vielfalt jeden Tag mit Menschen aus mehr als 60 Nationen in Deutschland. Und bei unseren Bewerbern haben wir von Zurückhaltung wegen Aktivitäten politischer Parteien nichts gespürt. Ich will das nicht kleinreden. Aber wenn sie auf die europäische Landkarte schauen, dann sehen sie, dass wir dieses Thema auch in anderen Ländern haben.



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