Moskau. Dass die unter Ausschluss der Opposition stattfindende Präsidentenwahl in Russland eine Farce ist, darüber sind sich internationale Beobachterinnen und Beobachter einig – es wird keinen anderen Sieger als Kremlchef Wladimir Putin geben. Neben Hinweisen auf „massenhaften“ Wahlbetrug, den unabhängige Wahlbeobachtende bereits wenige Stunden nach der Öffnung der Wahllokale anprangerten, gab es auch Protestaktionen, die vor allem in sozialen Medien Aufmerksamkeit hervorriefen.
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Denn trotz massiver staatlicher Repressionen leisteten einige Wählerinnen und Wähler in verschiedenen Regionen Widerstand gegen die als unfair und unfrei kritisierte Abstimmung. Unter anderem vom oppositionellen Nachrichtenkanal Nexta verbreitete Videos zeigten etwa, wie Menschen in Moskau, auf der Krim und in Woronesch im südlichen Zentralrussland Farbe in die Wahlurnen gossen, um die darin liegenden Stimmzettel ungültig zu machen. Unabhängig prüfen lässt sich die Echtheit der Aufnahmen nicht.
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Andere, am Freitag verbreitete Videos sollen Brandanschläge auf Wahllokale in Moskau, St. Petersburg, Jekaterinburg und in der Region Jugorien im Westsibirischen Tiefland zeigen.
Der Vizechef der Wahlkommission in Moskau, Nikolai Bulajew, stellte die Proteste als von außen gesteuerte Aktionen dar und forderte eine stärkere Überwachung der Wahllokale. Die größte Protestaktion ist allerdings erst für Sonntag geplant: Da rufen Kremlgegner die Russinnen und Russen auf, um exakt 12 Uhr vor den Wahllokalen aufzutauchen und durch die langen Schlangen ihre Unzufriedenheit zum Ausdruck zu bringen. Sie sollen dann etwa die Stimmzettel durch mehrere Häkchen ungültig machen.
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Beobachter prangern „massenhaften“ Wahlbetrug an
Die unabhängige Wahlbeobachtungsorganisation Golos, die seit Jahren politisch verfolgt wird, wies auf „massenhaften“ Wahlbetrug hin: Vielerorts werden Staatsbedienstete und Angestellte großer, teils staatlicher Konzerne demnach zur Stimmabgabe gedrängt. „Der erste Wahltag hat begonnen, und alles läuft genauso ab, wie wir gewarnt haben: Von morgens an gab es Druck auf eine riesige Zahl von Wählern“, schrieb der Co-Vorsitzende von Golos, Stanislaw Andrejtschuk, auf Telegram. Für Kritik sorgte zudem, dass Russland die Wahlbeobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), die für eine unabhängige und transparente Kontrolle stehen, diesmal nicht eingeladen hat.
Krisen-Radar
RND-Auslandsreporter Can Merey und sein Team analysieren die Entwicklung globaler Krisen im wöchentlichen Newsletter zur Sicherheitslage – immer mittwochs.
Russlands Wahlleiterin Ella Pamfilowa erklärte, dass alles „normal“ ablaufe. Zugleich aber musste sie einräumen, dass es direkt zu Beginn Unregelmäßigkeiten bei der Online-Stimmabgabe gegeben habe. Offiziell begründete sie die Probleme mit einer Vielzahl von Wählern, die im Internet ihre Stimme abgeben wollten. Allein in der Hauptstadt Moskau hätten dies am Morgen 500.000 Menschen online getan, hieß es. Kremlkritiker hingegen warnten die Russen vor der elektronischen Stimmabgabe, die als besonders anfällig für Manipulationen gilt.
Abstimmung in Belgorod musste unterbrochen werden
Insgesamt sind rund 114 Millionen Menschen zur Stimmabgabe aufgerufen, davon mehr als 4,5 Millionen in den völkerrechtswidrig besetzten Gebieten der von Russland angegriffenen Ukraine. Die Ukraine kritisierte die Abstimmung als illegal. Auch auf russischem Staatsgebiet wurde der erste Wahltag überschattet von Putins Überfall auf die Ukraine: Aus der Grenzregion Belgorod wurden erneut Angriffe gemeldet, zwischenzeitlich musste die Abstimmung dort sogar unterbrochen werden.
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Die staatliche russische Nachrichtenagentur Ria Nowosti veröffentlichte ein Video, auf dem ein leeres Wahllokal zu sehen ist, und schrieb dazu, Belgoroder Wähler hätten in Schutzräumen Zuflucht suchen müssen. In Berichten unabhängiger russischer Medien stellte sich die Situation teils deutlich dramatischer dar: So kursierte etwa ein Video aus einem anderen Wahllokal, auf dem erst ein lautes Explosionsgeräusch zu hören ist – und dann panisch schreiende Menschen.
Putin bezeichnete die Angriffe auf das russische Grenzgebiet als sinnlosen Störversuch. „Ich bin überzeugt, dass unsere Menschen, das Volk Russlands, darauf mit einem noch größeren Zusammenhalt reagieren“, sagte er am Freitag bei einer Videoschalte mit den Vertretern nationalen Sicherheitsrates. Die Menschen in dem Vielvölkerstaat ließen sich nicht einschüchtern, so der Präsident.
Sowieso verbreiteten Putins Staatsmedien lieber fröhliche, bunte Bilder: Sie zeigten Abstimmungen, organisiert wie ein Volksfest mit Folkloredarbietungen und Auftritten von Sängerinnen und Sängern. Viele prominente Politiker, darunter Außenminister Sergej Lawrow und Verteidigungsminister Sergej Schoigu, gaben früh ihre Stimme ab.
Verteidigungsminister Sergej Schoigu gibt in einem Wahllokal seine Stimme ab.
Quelle: Vadim Savitsky/Russian Defense M
Oppositionelle sind zu Putins Wahl nicht zugelassen
Mehr als zwei Jahre nach dem Beginn des Moskauer Angriffskrieges und der damit auch verbundenen Verschärfung der Repressionen hat die Wahl in Russland unabhängigen Experten zufolge mit Demokratie kaum noch etwas zu tun. Putins drei Mitbewerber – der Kommunist Nikolai Charitonow, der Liberale Wladislaw Dawankow und Leonid Sluzki von der nationalistischen Partei LDPR – sind nicht nur völlig chancenlos, sie sind in wesentlichen Punkten auch voll auf Kremllinie.
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Bewerber, die sich gegen Putins Angriffskrieg aussprachen, wurden gar nicht erst als Kandidaten zugelassen. Die meisten echten Oppositionellen sind ohnehin ins Ausland geflohen, sitzen im Gefängnis oder sind tot. Kritiker sprechen deshalb von einer „Wahlfarce“, die nichts mit einer Abstimmung nach demokratischen Regeln gemein habe. Die Witwe des kürzlich im Straflager gestorbenen Kremlgegners Alexej Nawalny, Julija Nawalnaja, rief die internationale Gemeinschaft auf, das Wahlergebnis nicht anzuerkennen.
Mit der Bekanntgabe der Prognosen, die auf der Grundlage von Befragungen der Wähler nach der Stimmabgabe entstehen, und erster Ergebnisse wird direkt am Sonntagabend gerechnet, nachdem um 19.00 Uhr mitteleuropäischer Zeit in der Ostsee-Exklave Kaliningrad die letzten Wahllokale geschlossen haben. Staatliche Wahlforscher erwarten bei der auf drei Tage angesetzten Abstimmung ein Rekordergebnis von mehr als 80 Prozent der Stimmen für den Kremlchef.
RND/dpa/seb