Wenige Wochen vor der Wahl in Indien wächst der Druck auf die Opposition. Die Festnahme eines Oppositionspolitikers ruft Proteste hervor.

Polizisten tragen einen Mann weg

Die Polizei nimmt einen Anhänger der Aam Aadmi Party (AAP) während einer Demonstration fest Foto: Sharafat Ali/reuters

MUMBAI taz | Wasserwerfer und Paramilitärs: In Indien liefern sich Anhänger der Oppositionspartei Aam Aadmi Party (AAP) Auseinandersetzungen mit der Polizei; Dutzende Personen sind festgenommen worden. Die Proteste in der Hauptstadt Delhi dauerten am Freitag an. Am Vortag war der populäre Regierungschef von Delhi, Arvind Kejriwal (AAP), von der Ermittlungsbehörde ED (Enforcement Directorate) in seiner Wohnung festgenommen worden.

Dem 55-jährigen Kejriwal wird Korruption im Zusammenhang mit der Vergabe von Alkohollizenzen in Höhe von elf Millionen Euro zur Last gelegt. 2012 hatte der studierte Maschinenbauingenieur im Zuge einer Anti-Korruptionskampagne die AAP gegründet, die seitdem zu einer wichtigen politischen Kraft in Nordindien wurde und neben Delhi auch den Punjab regiert.

Die Vorwürfe gegen Kejriwal seien nicht haltbar, so AAP-Politikerin Atishi Singh. Die Festnahme sei eine politische Verschwörung der Regierungspartei BJP, sagte sie gegenüber Medien.

Scharfe Kritik am Vorgehen gegen den AAP-Chef kommt auch von anderen Teilen der Opposition, die sich zu großen Teilen in der India Alliance zusammengeschlossen hat. „Das ist ein Angriff auf die Demokratie“, sagte etwa der führende Kongresspolitiker Shashi Tharoor. Es sei klar, dass die Opposition mit gefesselten Händen und Füßen in die Parlamentswahl geht. Diese findet vom 19. April bis Anfang Juni 2024 statt.

BJP pocht auf Kejriwals Rücktritt

Tharoor forderte das Oberste Gericht des Landes auf, den „Verrat an den demokratischen Grundsätzen, die in der Grundstruktur der Verfassung verankert sind, von Amts wegen zur Kenntnis zu nehmen“.

Die hindunationalistische Regierungspartei BJP unter Führung von Narendra Modi forderte Kejriwal dagegen zum Rücktritt auf. Es sei klar, dass Kejriwal korrupt ist, so der BJP-Politiker Virendraa Sachdeva. Modi selbst dürfte die Proteste nur am Rande zur Kenntnis nehmen, da er sich auf Besuch im benachbarten Bhutan befindet.

„Die Verhaftung von Delhis Regierungschef macht jeden Bürger dieses großen Landes äußerst besorgt“, sagt der politische Analyst Tehseen Poonawalla. Das ED agiere wie ein verlängerter Arm von Modis BJP oder der ihr nahestehenden militanten Organisation Bajrang Dal. Das sei kein gutes Bild für einen Premierminister, der sagt, dass sein Bündnis mehr als 400 der 545 Parlamentssitze gewinnen werde.

Vor Kejriwal war bereits im Januar Hemant Soren (JMM) vom ED verhaftet worden. Er war bis kurz zuvor Ministerpräsident des ebenfalls von der Opposition regierten Bundesstaates Jharkhand. Laut der Zeitung Indian Express richteten sich 95 Prozent der ED-Fälle seit dem Machtantritt der BJP im Jahr 2014 gegen Oppositionsführer:innen.

Am Donnerstag hatte Indiens größte Oppositionspartei, die Kongresspartei, bekannt gegeben, dass ihre Bankkonten eingefroren wurden. „Wir können unsere Kampagnenarbeit nicht machen. Wir können unsere Mitarbeiter und Kandidaten nicht unterstützen“, klagte der Politiker Rahul Gandhi, der aktuell von Osten nach Westen durchs Land marschiert, um Wäh­le­r:in­nen zu erreichen und die Opposition zu mobilisieren.

Auf einer Kundgebung am Wochenende hatte der 53-jährige Gandhi Po­li­ti­ke­r:in­nen wie den südindischen Regierungschef Muthuvel Stalin (DMK) an seiner Seite, aber auch Mehbooba Mufti (JKPDP), die frühere Ministerpräsidentin des indischen Bundesstaates Jammu und Kaschmir. Der indischen Opposition steht ein harter Wahlkampf bevor.



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