Es benötigt eine gewisse Überwindung, nach eineinhalb Stunden Leistungssport seine verschwitzten Schuhe auszuziehen, sie mit Bier zu befüllen und dieses Bier dann, mehr oder weniger genüsslich, aus ebendiesem feuchten Bakterienbiotop zu trinken. Aber mit ein wenig Kreativität beim Ansetzen an den Mund und unter Umgehung jeglicher Schmerzgrenzen gelang Berlins Volleyballern auch das. Sie durften ja auch ihre Contenance verlieren nach dem überwältigend deutlichen 3:0 (25:16, 25:16, 25:17)-Erfolg gegen Friedrichshafen.

Denn sie haben ihren Dauerrivalen vom Bodensee vor 8553 Zuschauern in der ausverkauften Max-Schmeling-Halle im letzten, nur 72 Minuten langen Spiel der Best-of-five-Serie nicht nur beherrscht, ja fast schon blamiert. Die Berlin Recycling Volleys haben ihm nun auch ein Alleinstellungsmerkmal genommen, auf das er sich viele Jahre lang stolz bezog. Denn mit 14 Titeln, davon die jüngsten acht in Serie, ist Berlin nun alleiniger deutscher Rekordmeister. Fehlt noch die Champions League, die Friedrichshafen als bislang einziger bundesdeutscher Volleyballverein im Jahr 2007 gewann. “Wir haben über weite Phasen unser vielleicht bestes Spiel in dieser Saison gezeigt”, sagte BR-Volleys-Manager Kaweh Niroomand.

Der 71-Jährige konnte sich auf seine Achse aus Zuspieler Johannes Tille, Außenangreifer Ruben Schott und Mittelblocker Tobias Krick verlassen, die mit den deutschen Männern bei den Olympischen Spielen in Paris planen, um Medaillen mitzuspielen. Tille gelangen vier Asse, doppelt so viele wie dem hilf- und mutlosen VfB Friedrichshafen als ganzes Team. Kapitän Schott war im zweiten Spiel der Finalserie umgeknickt und bestritt die restlichen drei Partien, die Berlin wegen des 0:2-Rückstands alle gewinnen musste, unter Schmerzen. Am Sonntag zeigte er dennoch wieder einmal eine hervorragende Annahmeleistung und überzeugte überdies trotz seiner Bänderverletzung auch im Angriff.

Dass er seine Blessur mehr oder weniger ignorierte, zeige, “wie viel Herzblut er auch heute wieder hatte”, sagte Niroomand. “Tille und er sind enorm wichtig fürs Team, weil sie sich fast blind verstehen. Und sie sind Gesichter, Typen, die unseren Klub prägen.” Identifikationsfiguren, die Berlin nun allerdings auch mehr denn je benötigt.

“Es war eine schwierige Zeit, jedes Jahr wurde das Budget kleiner”, sagt der scheidende VfB-Trainer Mark Lebedew

Denn im französischen Außenangreifer Timothée Carle und dem tschechischen Diagonalspieler Marek Sotola verlassen zwei Spieler den Klub, die immerhin schon seit vier respektive drei Jahren für Berlin spielen. Und die auch am Sonntag im Entscheidungsspiel wieder gezeigt haben, dass sie zu den besten Angreifern der Liga zählen. Allzu große Sorgen muss man sich aber nicht um Berlin machen, die Volleys werden als Meister, Pokalsieger und Champions-League-Viertelfinalist schon adäquaten Ersatz finden.

Bei Friedrichshafen ist die Situation bedrohlicher, denn dort bricht nicht nur die Mannschaft auseinander. Auch Trainer Mark Lebedew verlässt den Verein. Der Australier, der mit Berlin zwischen 2012 und 2014 dreimal in Serie deutscher Meister wurde (und am Sonntag nochmals großen Applaus erhielt), hat nach drei Jahren in Friedrichshafen genug. “Es war eine schwierige Zeit, jedes Jahr wurde das Budget kleiner”, sagte Lebedew am Sonntag. Er hat einige Angebote auf dem Tisch, nur fehlte ihm nach eigenem Bekunden bislang noch die Zeit, sie sich anzuschauen: “Die Chancen, in der Bundesliga zu bleiben, sind aber gering.”

Bei Tille, Schott und Krick sieht das etwas anders aus, sie fühlen sich pudelwohl in Berlin, bei Europas größtem Zuschauermagneten im Volleyball. Tille, der aus Mühldorf am Inn stammt, verweigerte sich allerdings am Sonntag der kreativen Trinktechnik seiner Mannschaftskollegen. “Ich habe noch meine beiden Einlagen im Schuh”, die brauche er, sagte Tille. Wäre es ein bayerisches Bier gewesen – er hätte sich womöglich überreden lassen.



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