Drei Mannschaftswagen der Polizei auf der einen Seite, ein paar alte Transporter und Zelte mit linken, antikapitalistischen Parolen auf der anderen: Wer mit dem Auto von Elon Musks Tesla-Fabrik südöstlich vor den Toren Berlins ins nahe gelegene Grünheide fährt, ahnt schon auf halber Strecke am Bahnhof Fangschleuse, dass hier etwas nicht mit rechten Dingen zugeht.

Rund 300 Meter westlich der Straße, weitgehend verborgen im Fichtendickicht, entsteht seit knapp einer Woche ein großes Protestcamp. Ausgestattet mit mittlerweile rund einem Dutzend Baumhäusern, einer Feldküche und einem Plumpsklo wollen die Aktivisten gegen die von Musk geplante Erweiterung der Tesla-Fabrik protestieren. 120 Hektar Fichtenwald sollen dafür gerodet werden. Eine wachsende Zahl von Bewohnern der Region und Aktivisten befürchten schädliche Auswirkungen auf die Umwelt, vor allem auf das Trinkwasser.

 

Anschlag auf Strommast legt Musks Tesla-Fabrik und Ortschaften lahm

Am Morgen des 5. März rückt das Camp, das mitten in dem für die Rodung zur Debatte stehenden Areals liegt, schlagartig in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses, nachdem in den frühen Morgenstunden ein Brandanschlag auf einen Strommast nicht weit von der „Giga Factory“ verübt wurde. Nicht nur die Produktion in der Tesla-Fabrik mit ihren rund 12.500 Beschäftigten kommt zum Erliegen. Auch in mehreren umliegenden Gemeinden kommt es zu größeren Stromausfällen.

Einige Medien spekulieren kurzzeitig, dass Teilnehmer des Protestcamps der Gruppe „Tesla stoppen“ dahinter stecken könnten. Bis gegen Mittag die linksextreme „Vulkangruppe“ in einem Bekennerschreiben die Verantwortung für den Anschlag übernimmt.

Protestcamp im Wald bevölkert von Vermummten

Am frühen Dienstagnachmittag herrscht rege Betriebsamkeit im Camp. Überall wird gesägt und gehämmert, „so schonend wie möglich für den Wald, wir verwenden nur Totholz“, sagt einer der Organisatoren. Die Baumhäuser sind mit einem bunten Gewirr von Seilen in mehreren Metern Höhe zwischen einzelnen Bäumen befestigt. Überall stehen Gruppen junger Leute, die meisten zwischen 20 und 30 Jahre alt. Einige sitzen in dicken Wollpullovern im Schneidersitz unter noch unbelaubten Büschen und diskutieren, andere klettern an Seilen gesichert hoch in die Bäume.

Doch obwohl die Proteste bewusst so angelegt sind, dass sie die Blicke der Öffentlichkeit auf sich ziehen, verstecken die meisten Aktivisten hier ihre Gesichter hinter pechschwarzen Masken oder Schals und tief unter die Augenbrauen gezogenen schwarzen Mützen. Die meisten wollen nicht erkannt werden.

 

Keine Meinung zum Anschlag? Da grinsen selbst Befragte

Eine 18-Jährige und ein etwa gleichaltriger junger Mann mit Kajalstrichen um die Augen und dunkelrotem Lack auf den Fingernägeln lassen sich zwar fotografieren. Doch auch sie nehmen die schwarzen Masken dafür nicht ab.

Auf die Frage, ob sie den Anschlag auf den Strommast südlich der Tesla-Fabrik gutheißen oder verurteilen, antwortet die junge Frau: „Wir haben keine Meinung dazu.“ Es folgt Schweigen, garniert mit einem vielsagenden Grinsen.

Zwei andere junge Frauen hocken ein paar Meter weiter auf einer mitgebrachten Holzbank, vollgeschrieben mit Textmarkern, und ordnen Kletterutensilien wie Karabiner und geflochtene Sicherungsgurte. Auch sie haben ihre Gesichter vermummt und wollen nichts zu dem Brandanschlag auf den Strommast sagen. „Ich halte mich an das, was in der Pressemitteilung von ‘Tesla stoppen’ dazu steht“, sagt eine von ihnen und widmet sich wieder ihren Knoten.

Selbst der Pressesprecher weicht aus bei Frage zum Anschlag

Kein Problem damit, sein Gesicht zu zeigen und sich fotografieren zu lassen, hat dagegen René Sander. Der 28-Jährige hat sich auf die Ärmel seiner Fleecejacke und auf die grünen Markierungen geklebt, die ihn im Wald schon von weitem als Sprecher von „Tesla stoppen“ erkennen lassen.

Bereitwillig führt er durch das Protestcamp, zeigt die Plumpsklos und die Feldküche, die gerade aufgebaut wird. In einem weiteren Zelt daneben stapeln sich derweil diverse Lebensmittel und nützliche Camping-Utensilien, „die uns gespendet wurden“, sagt Sander.

Auf die Frage, wie seine Aktivistengruppe oder er persönlich zu dem Anschlag auf den Strommast stehe, antwortet der Sprecher: „Wir haben dazu eine Presseerklärung herausgegeben. Mehr möchte ich dazu nicht sagen.“ Doch auch in der Erklärung selbst findet sich kein klares Bekenntnis, zumindest nicht direkt, wie es etwa die Umweltschutzorganisation „Robinwood“ tat – und sich von dem Anschlag distanzierte.

Indirekt aber tolerieren die Aktivisten im Wald östlich der Tesla-Fabrik den Anschlag ohne Umschweife. „Es gibt verschiedene Akteure, die sich auf ihre Weise gegen die Ausbeutung und Zerstörung durch dieses Unternehmen wehren. Unsere Art des Widerstands ist eine Wasserbesetzung“, heißt es auf der Webseite.

„Wir bleiben, bis Musk den Antrag auf Erweiterung der Fabrik zurückzieht“

Bislang bleibt es im Protestcamp ruhig. Die Polizei duldet die Aktion zunächst bis zum 15. März – vorausgesetzt, die Teilnehmer verstoßen nicht gegen die Auflagen. Die Demonstranten richten sich jedenfalls auf eine längere Anwesenheit in dem Waldstück ein, so René Sander: „Wir werden hier solange bleiben, bis Elon Musk den Antrag auf die Erweiterung des Fabrikgeländes zurückzieht.“





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