Zwei S-Bahnen fahren in den Bahnhof Warschauer Straße ein. +++ dpa-Bildfunk +++

Zwei S-Bahnen fahren in den Bahnhof Warschauer Straße ein. +++ dpa-Bildfunk +++

Foto: DPA/Christophe Gateau

»Wir sind jetzt tatsächlich im fünften Jahr dieser Ausschreibung und sie ist noch nicht zu Ende geführt«, sagt Linke-Politikerin Jorinde Schulz. Sie sagt es in ihrer Funktion als Teil des Bündnisses »Eine S-Bahn für alle«, das sich seit Jahren gegen das von Rot-Rot-Grün gestartete Ausschreibungsverfahren für zwei Drittel des Berliner S-Bahn-Netzes wendet. Eingeladen zur Veranstaltung am Montagabend im Haus der Linke-nahen Rosa-Luxemburg-Stiftung in Berlin-Friedrichshain hatte der Bildungsverein Helle Panke.

Nur wenige Stunden zuvor hatte das Kammergericht über ein ergangenes Urteil berichtet: Der französische Schienenfahrzeughersteller Alstom strebte ein Rügeverfahren gegen die Bedingungen des Vergabeverfahrens für mindestens 1400 neue S-Bahn-Wagen, deren Unterhaltung und den Betrieb auf zusammen elf Linien der Teilnetze »Nord-Süd« durch den Innenstadttunnel sowie »Stadtbahn« über das Viadukt in Ost-West-Richtung an. 23 der 25 einzelnen Rügepunkte wies das Gericht ab. Nur in zwei vergleichsweise unbedeutenden Punkten erhielt Alstom recht. Die Kosten für Gleisanschlüsse möglicher neuer Werkstattstandorte dürfen nicht in die Wertung der Angebote einfließen, außerdem müssen die Länder Berlin und Brandenburg Alstom von Lieferrisiken bei den Fahrzeugkomponenten des S-Bahn-spezifischen Signalsystems ZBS finanziell abschirmen. Denn einziger Lieferant dafür ist Konkurrent Siemens.

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Während Alstom nur für die Lieferung von Fahrzeugen und deren Wartung über einen Zeitraum von 30 Jahren bietet, bewirbt sich ein Konsortium der Bahntechnikhersteller Siemens und Stadler zusammen mit der Deutsche-Bahn-Tochter S-Bahn Berlin GmbH zusätzlich auch für den Zugbetrieb, für den es wegen des Vergaberechts maximal 15 Jahre laufende Verträge geben darf. Alstom fühlt sich in dem laufenden Verfahren offenbar seit dem Zeitpunkt benachteiligt, als dem Konzern der Partner abhanden kam, der den Betrieb übernehmen sollte.

Denn ein Gesamtangebot kommt laut den Bedingungen dann automatisch zum Zuge, wenn es keinen zur Fahrzeuglieferung ergänzenden Bieter für den Betrieb gibt. Dem Vernehmen nach – offizielle Aussagen gibt es in von Verschwiegenheitspflichten geprägten Vergabeverfahren nicht – ein recht wahrscheinliches Szenario. Selbst wenn Alstom rechnerisch die Fahrzeuge deutlich günstiger anbieten würde als Stadler und Siemens, hätte der Konzern so keine Chance auf den derzeit über die Laufzeit von 30 Jahren auf rund 5,4 Milliarden Euro taxierten Vertrag.

Das hielt auch das Kammergericht für einen Widerspruch zum Gedanken des Vergaberechts, dem wirtschaftlichsten Angebot den Zuschlag zu geben. Allerdings hatte Alstom diese Rüge zu spät eingelegt.

Frohlocken möchte Jorinde Schulz angesichts des juristischen Zwischenergebnisses dennoch nicht. »Leider ist es so, dass sehr viel Bürokratie, sehr viel Aufwand und sehr viel Geld da reinfließt, komplizierte Ausschreibungsverfahren durchzuführen und mit denen, wie sich ja auch gerade zeigt, auch den Weg, also mindestens in Pannen hineinzulaufen«, sagt sie.

Viele Millionen Euro dürfte das Verfahren inzwischen gekostet haben, schließlich sind Heerscharen von hochbezahlten Spezialisten, vornehmlich Juristen, seit Jahren damit beschäftigt. Die Stundensätze sind dreistellig in diesem Bereich. Die Länder Berlin und Brandenburg müssen laut dem letztinstanzlichen Urteil des Kammergerichts ein Drittel der Verfahrenskosten tragen, Alstom den Rest.

Richterin Cornelia Holldorf machte beim ersten mündlichen Verhandlungstermin am 24. Februar auch deutlich, dass das Kammergericht einen weiteren Rügepunkt von Alstom für relevant hält, für den es zum jetzigen Zeitpunkt allerdings noch »zu früh« sei. Nämlich, wenn ein Gemeinschaftsunternehmen den Zuschlag erhält. Das könnte bei Siemens, Stadler und S-Bahn Berlin GmbH der Fall sein, immerhin haben sie 2021 ein solches gegründet. Fast eine gerichtliche Ermutigung für Alstom zu nächsten juristischen Schritten, sollte der Konzern leer ausgehen.

Das Bündnis »Eine S-Bahn für alle« möchte ein einheitliches Berliner S-Bahnnetz aus öffentlicher Hand erhalten. Auch SPD, Linke und Gewerkschaften vertreten diesen Standpunkt. Einerseits wegen der Beschäftigten. Aber auch, weil ein über mehrere Betreiber zersplittertes Netz weitere Probleme nach sich ziehen würde. Die Grünen wollten jedoch im Vergabeverfahren mehr Wettbewerb haben. Zumindest, um den Preis der DB zu drücken. Heraus kam ein juristischer Schlamassel.

Eine Direktvergabe durch die Länder an die bundeseigene Deutsche Bahn schließt das deutsche Wettbewerbsrecht allerdings aus. Das ginge nur, wenn Berlin und Brandenburg das Tochterunternehmen S-Bahn Berlin GmbH kontrollieren würden. Bisher zeigte die Bundespolitik weder die Neigung, Anteile an der DB-Ertragsperle zu verkaufen, noch die gesetzlichen Regelungen zu ändern.

»Wir können nicht davon sprechen, dass die Länder Berlin und Brandenburg einen ernsthaften Verhandlungsversuch unternommen hätten«, sagt Jorinde Schulz. Es sei immer diese Position der Alternativlosigkeit vor sich hergetragen worden. Man könne von der Politik mehr einfordern. »Auch als das Berliner Wasser rekommunalisiert wurde, wollten das die privaten Betreiber nicht so super gerne. Und trotzdem kam am Ende etwas zustande.«

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