Wenn sich Bund und Länder am Mittwoch zum Thema Migration treffen, gibt es diesmal eine Seite, die dafür eigentlich keinen dringenden Anlass sieht. „Aus Sicht des Bundeskanzlers sind alle Punkte, für die der Bund zuständig ist, auf den Weg gebracht“, sagte Vize-Regierungssprecher Wolfgang Büchner am Montag bei der Regierungspressekonferenz in Berlin. „Er freut sich, wenn die Bundesländer nachziehen.“
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Büchner verwies etwa auf das kürzlich beschlossene Gesetz zur Beschleunigung von Rückführungen und die Gespräche mit anderen Ländern zu Migrationspartnerschaften. Das Innenministerium nannte zudem die Einigung auf das gemeinsame europäische Asylsystem und die zusätzlich geplanten Stellen im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf), um Asylverfahren zu beschleunigen. Am Mittwoch werde alles noch einmal angeschaut und über weitere Umsetzungsschritte gesprochen, so Büchner.
„Die Liste der unerledigten Hausaufgaben ist ellenlang“
Dass der Bund nur eine „Erklärung“ statt eines Beschlusses fassen will, deutet darauf hin, dass er die Erwartungen herunterschrauben möchte. Aus dem Entwurf für die Erklärung, der dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) vorliegt, geht aber auch hervor, dass die Länder noch weitere Maßnahmen in das Papier bringen wollen. So fordern sie zum Beispiel die Einstufung weiterer Staaten als sichere Herkunftsländer sowie das aktive Vorantreiben der Fortsetzung des EU-Türkei-Abkommens. Dieser Teil ist mit eckigen Klammern versehen und daher noch strittig. Aus Länderkreisen ist aber auch zu hören, dass man sich vor allem auf dem Laufenden über die Umsetzung der früheren Beschlüsse halten wolle.
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Der Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz, Hessens Regierungschef Boris Rhein (CDU), pochte auf Klarheit, „wann weitere Staaten mit geringer Anerkennungsquote als sichere Herkunftsländer ausgewiesen werden und wie es um die zusätzlichen Rückführungsabkommen steht“, wie er der „Bild am Sonntag“ sagte.
Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) zählte gegenüber dem RND eine Reihe von Beschlüssen aus dem November auf, die noch nicht oder nur teilweise umgesetzt seien. Er nannte unter anderem die Beschleunigung der Asylverfahren von Menschen mit geringer Anerkennungsquote, weitere Stärkung der europäischen Grenzagentur Frontex, Erneuerung des EU-Türkei-Abkommens und die Prüfung von Asylverfahren außerhalb Europas. „Die Liste der unerledigten Hausaufgaben durch die Ampelregierung ist ellenlang“, kritisierte Wüst.
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Kommunen wollen nur Menschen mit Bleibeperspektive aufnehmen
Die Beratungen am Mittwoch sind kürzer angesetzt als sonst. Die Ministerpräsidentenkonferenz tagt regulär, Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) kommt nur zum Tagesordnungspunkt Migration hinzu. Am 6. November hatten der Kanzler und die Länderchefs noch bis in die Nacht verhandelt. Dabei ging es vor allem um die Finanzierung der Flüchtlingsversorgung. Beide Seiten einigten sich auch darauf, die Auslagerung von Asylverfahren in Drittstaaten zu prüfen.
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Die Kommunen dringen derweil auf weitere Entlastungsmaßnahmen bei der Aufnahme, Unterbringung und Integration von Flüchtlingen. Der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebunds, André Berghegger (CDU), forderte die Länder auf, nur Geflüchtete mit Bleibeperspektive auf die Kommunen zu verteilen. „Wir erwarten zumindest die klare Zusage, dass Bund und Länder dem Beispiel Hessens und weiterer Bundesländer folgen und verbindlich festlegen, Asylbewerber erst dann auf die Kommunen zu verteilen, wenn eine klare Bleibeperspektive besteht. Bis zu diesem Zeitpunkt sollten sie in den Erstaufnahmeeinrichtungen verbleiben“, fügte Berghegger hinzu. „Dies würde die Kommunen, die seit vielen Monaten an der Belastungsgrenze sind, deutlich entlasten.“
Aus Sicht des Kommunalverbands wäre dies ein klares Zeichen an die Menschen, die nach Deutschland kommen wollen. „So würde deutlich, dass nur diejenigen, die wirklich einen Asylgrund haben, auf die Kommunen verteilt werden und entsprechende Integrationsangebote erhalten.“