US-Präsident Joe Biden hat Prognosen zufolge die nötige Zahl an Delegierten für die Nominierung zum Präsidentschaftskandidaten der Demokraten erreicht. Das ergaben Zählungen der US-Sender CNN und NBC nach Bidens Sieg bei der Vorwahl im Bundesstaat Georgia. Da Biden in seiner Partei keine ernst zu nehmende Konkurrenz hat, galt ohnehin als sicher, dass der 81-Jährige der Kandidat der Demokraten wird. Offiziell nominiert wird er bei einem Parteitag im August. 

Biden überschritt die Marke der notwendigen 1968 Delegiertenstimmen. Aller Voraussicht nach wird er bei der Wahl am 5. November gegen den Republikaner Donald Trump antreten. Zwar hat der ehemalige US-Präsident die notwendigen Delegiertenstimmen rechnerisch noch nicht sicher. Aber auch hier gibt mangels Konkurrenz und angesichts von Trumps Siegeslauf bei den Vorwahlen keinen Zweifel, dass er die notwendigen Stimmen erreichen und von seiner Partei zum Kandidaten gekürt werden wird.

Offizielle Nominierung erst im Sommer

Wer in den Vereinigten Staaten Präsidentschaftskandidat werden will, muss sich zunächst in parteiinternen Abstimmungen in den verschiedenen Bundesstaaten durchsetzen. Die Demokraten küren ihren Kandidaten dann offiziell im Sommer in Chicago. 

Die Delegierten müssen sich in der Regel an die Abstimmungsergebnisse bei den Vorwahlen halten und können nicht einfach einen anderen Kandidaten wählen. Die sogenannten Superdelegierten – demokratische Parteifunktionäre, die bei der Auswahl der Kandidatin mitstimmen dürfen und niemandem verpflichtet sind – dürften in diesem Jahr keine Rolle spielen. Sie können erst abstimmen, wenn die Abstimmung in eine zweite Runde gehen sollte. Das gilt als ausgeschlossen. 

Bei der Vorwahlrunde wurde bei den Demokraten und Republikanern unter anderem in den Bundesstaaten Georgia, Mississippi und Washington abgestimmt. Eine Woche zuvor hatten Biden und Trump am wichtigen Wahltag «Super Tuesday» bedeutende Gewinne eingefahren. Im Anschluss warf Trumps letzte verbliebene Kontrahentin, die Republikanerin Nikki Haley, hin.

Bei den Demokraten ist neben Biden unter anderem noch die weitgehend unbekannte Autorin Marianne Williamson im Rennen – die 71-Jährige liegt in Umfragen bei durchschnittlich knapp vier Prozent und hat bisher keine einzige Delegiertenstimme gewonnen. Der Unternehmer Jason Palmer konnte sich im US-Außengebiet Amerikanisch-Samoa zwar überraschend drei Delegiertenstimmen sichern, ist aber wie Williamson kein ernsthafter Konkurrent für Biden.

Biden und das Alter

Biden ist in seiner Partei dennoch nicht unumstritten. Der 81-Jährige ist der älteste US-Präsident aller Zeiten. Beim Start in eine zweite Amtszeit wäre er 82, am Ende seiner Präsidentschaft dann 86. Sein hohes Alter ist für ihn ein großes Problem im Wahlkampf. Biden verhaspelt sich bei Auftritten regelmäßig, sucht nach Wörtern, vertauscht Zahlen oder verwechselt Personen und Orte. Sein Arzt bescheinigte ihm vor einigen Wochen, uneingeschränkt fit für seinen Job zu sein. Der Gesundheitscheck des Demokraten listete allerdings einige Wehwehchen wie allgemeinen «Verschleiß» und einen «steifen Gang» auf. 

Der Untersuchungsbericht eines Sonderermittlers in der Affäre um den Fund geheimer Regierungsunterlagen in Bidens Privaträumen zeichnete zudem ein unvorteilhaftes Bild des Präsidenten. Ermittler Robert Hur schrieb, Biden sei ein «wohlmeinender älterer Mann mit einem schlechten Gedächtnis». Das Weiße Haus kritisierte den Bericht scharf und wies die darin erhobenen Vorwürfe mit Blick auf Bidens Alter zurück. Aber auch Trump ist nicht mehr der Jüngste. Sollte der 77-Jährige noch einmal wiedergewählt würde, wäre er mit dann 78 Jahren und sieben Monaten der älteste Präsident, der jemals ins Weiße Haus eingezogen ist.

Gaza-Krieg macht Anhänger wütend

Biden hat noch ein weiteres Problem: Bei Vorwahlen etwa in den Bundesstaaten Michigan und Minnesota wurde deutlich, dass einige Wählerinnen und Wähler ihn für seine Unterstützung Israels im Gaza-Krieg abstrafen. Eine beachtliche Zahl an Parteianhängern verweigerte Biden dort die Stimme und votierte bei den Vorwahlen für «unentschieden». Die beiden Abstimmungen galten als wichtiger Stimmungstest, weil in den beiden Bundesstaaten verhältnismäßig viele Muslime leben. 

Doch nicht nur Muslime dürften Biden in Michigan ihre Stimme verwehrt haben. Auch jüngere, linke Demokraten kritisieren den Präsidenten angesichts der vielen zivilen Opfer des israelischen Militäreinsatzes im Gazastreifen. Zwar gilt es als unwahrscheinlich, dass diese Wählergruppe bei der Präsidentenwahl allein deshalb zu den Republikanern abwandert. Für Biden könnte es aber eng werden, sollten viele Wählerinnen und Wähler für einen unabhängigen Drittkandidaten stimmen oder ganz auf eine Stimmabgabe verzichten.

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