Hagelkörner, so groß wie Melonen, gingen vergangene Woche in Texas nieder. Dass riesige Eisbrocken vom Himmel fallen, passiert in dem Bundesstaat inzwischen regelmäßig. Dutzende Stürme peitschten dieses Jahr bereits durch Texas, 16 davon verursachten Schäden in Höhe von über einer Milliarde Dollar – so viele wie noch nie in einem Jahr. Und die Hurrikan-Saison hat gerade erst begonnen. Eine wichtige Rolle dabei spielt der durch den Klimawandel wärmere Atlantik. Politiker des Bundesstaates, in dem die Öl- und Gasproduzenten die wichtigste Industrie darstellen, zeigen sich jedoch nicht nur skeptisch bei der Frage, ob der Klimawandel menschengemacht ist. Ted Cruz, der einflussreiche Senator von Texas, sagte gar einmal, der Klimawandel sei gut für Pflanzen und werde den Planeten “grüner” machen. “Senator Cruz konfrontiert das Dogma des Klimawandel-Alarmismus”, hieß es 2015 auf seiner Webseite

Cruz gehört seit Jahren zu den Politikern, die am großzügigsten von der Öl- und Gasindustrie mit Wahlkampfspenden bedacht werden. Er und seine Parteifreunde verhindern zudem aktiv die Bekämpfung des Klimawandels. Texas’ Gouverneur Greg Abbott – auch er ist ein langjähriger Empfänger von Spenden der fossilen Brennstoffbranche – etwa versucht, durch Gesetze den Ausbau von erneuerbaren Energien zu unterbinden. Dabei ist Texas der führende Produzent von Windenergie. Und gehört umgekehrt zu den Bundesstaaten, die am häufigsten von Katastrophen wie Stürmen oder Hochwassern heimgesucht werden. Laut einer Analyse der New York Times und Pro Publica sind 135 Bezirke in den USA durch die Folgen des Klimawandels besonders gefährdet, 24 davon befinden sich in Texas.

Unwetter und wachsende Schäden dürften die Verweigerungshaltung von Abbott und Cruz zunehmend auf die Probe stellen. Im vergangenen Jahr stiegen die Sachversicherungsprämien in Texas um rund 23 Prozent, inzwischen sind sie so teuer wie sonst nirgendwo im Land. Für viele Eigenheimbesitzer bedeutete es Hunderte von Dollar mehr an Versicherungskosten. Nicht nur in Texas, Versicherungsprämien für Wohnimmobilien steigen überall in den USA. Das hat zum Teil auch mit der Pandemie und der anschließenden Inflation zu tun, die die Kosten für Reparaturen und Wiederaufbau drastisch nach oben getrieben hat. Aber der Aufwärtstrend hat schon vor 2020 begonnen. Die Versicherer stecken in der Klemme: Reichen die Prämien nicht aus, um die Schäden zu decken, dann machen sie Verluste. Verlangen sie die Prämien, die nach ihren Kalkulationen dem Risiko entsprechen, dann werden die Policen für viele Hausbesitzer unbezahlbar. In Kalifornien etwa ist das Risiko von Waldbränden in den vergangenen Jahren drastisch gestiegen. So haben sich die verbrannten Flächen in Nord- und Mittelkalifornien zwischen 1996 und 2021 im Vergleich zu 1971 bis 1995 verfünffacht. Die Zunahme ist laut einer Studie von Nidis, dem staatlichen Institut für Dürreforschung, auf Klimaerwärmung und vermehrte Trockenheit zurückzuführen.

Außerdem haben sich in den vergangenen 20 Jahren zehn der größten kalifornischen Waldbrände ereignet – fünf davon allein im Jahr 2020. Tausenden Eigenheimbesitzern in dem Bundesstaat wurde ihre Police gekündigt. Im März teilte State Farm, einer der größeren US-Sachversicherer, mit, sich aus dem Geschäft in Kalifornien zurückzuziehen. Rund 72.000 Eigenheimbesitzer verlieren deshalb ihre Deckung. Im April erklärten zwei weitere Versicherer, sich aus Kalifornien komplett zurückzuziehen.

Zwar waren es kleinere Anbieter, doch ihr Weggang dürfte die Krise verschärfen, da bereits mehr als 90 Prozent der Versicherer auf dem kalifornischen Versicherungsmarkt entweder keine neuen Policen anbieten oder starke Einschränkungen haben. Manche Eigenheimbesitzer verzichten deshalb ganz auf eine Absicherung. Meist sind es Ruheständler, die ihre Hypothek bereits abbezahlt haben. Damit riskieren sie oft jedoch die Basis ihrer Altersvorsorge. Wer noch eine Hypothek auf seiner Immobilie lasten hat, braucht zwingend eine Police, denn die Banken gewähren ohne eine Versicherung keinen Kredit. So bleibt oft der staatliche Versicherer Fair als einzige Option. Die Policen sind teuer und sehr eingeschränkt. Trotzdem erhält Fair täglich Hunderte Anfragen verzweifelter Kalifornier. Inzwischen sind Immobilien im Wert von 300 Milliarden Dollar über Fair versichert, ein Betrag, der dreimal so hoch ist wie noch vor vier Jahren. Sollte Fair im Katastrophenfall nicht mehr zahlungsfähig sein, wird wohl der Steuerzahler einspringen müssen.

Die Kosten des Klimawandels sind nicht nur finanzieller Natur

Auch Florida, immer regelmäßiger von immer schwereren Hurrikanen heimgesucht, hat einen Exodus der Versicherer erlebt. Die durchschnittliche Jahresprämie liegt inzwischen bei 6.000 Dollar. Wegen der drastisch gestiegenen Kosten wollen immer mehr ihr Heim verkaufen. Rund zwölf Prozent aller Eigentümer in Florida, die ihr Objekt zum Verkauf anboten, nannten in einer Umfrage des Immobilienmaklers Redfin die hohen Prämien als Grund. Das sind doppelt so viele wie im Rest des Landes.

Die Folgen des Klimawandels sind in immer mehr Teilen der USA spürbar. Selbst in Bundesstaaten wie Arkansas, Iowa und Ohio, die bisher nur selten mit katastrophalen Stürmen rechnen mussten, steigen die Verluste für die Versicherer. Über die vergangenen zehn Jahre hinweg gerechnet überstiegen in diesem Zeitraum die Auszahlungen, die die Branche wegen Versicherungsfällen durch Immobilienschäden leisten musste, die eingenommenen Prämien in dem Bereich, so eine Untersuchung der Ratingagentur Moody’s.

Das hat breite wirtschaftliche Auswirkungen. Der Wert von Immobilien, die sich nur zu hohen Kosten oder gar nicht versichern lassen, sinkt – ihre Eigentümer werden ärmer. Rund 65 Prozent der Amerikaner lebt im eigenen Heim, meist ist es ihr wichtigster Vermögenswert. Ohne die Auszahlungen der Versicherer im Schadensfall werden zudem nicht nur einzelne Betroffene unter dem finanziellen Verlust leiden, sondern für ganze Städte oder Regionen wird es schwieriger werden, sich von Stürmen, Überflutungen oder Waldbränden wieder zu erholen. Und mit dem Wegfall privater Versicherungen werden immer höhere Leistungen von den Steuerzahlern erforderlich sein.

Leute wie Ted Cruz und Greg Abbott verunglimpfen die wissenschaftlich fundierte Beschreibung der Klimakatastrophe als eine angeblich radikale Ideologie. Aber selbst US-Politiker, die die Existenz des Klimawandels nicht leugnen, sind bisher eher zurückhaltend bei der tatsächlichen Um- und Durchsetzung von Maßnahmen zu dessen Bekämpfung. Denn diese haben einen Preis. Kein Politiker will schließlich der Überbringer schlechter Nachrichten sein. Die Versicherer können sich eine solche Verdrängung der Wirklichkeit nicht leisten. Ihnen bleibt nichts anderes übrig, als die wachsenden Kosten der Folgen des Klimawandels an ihre Kundinnen und Kunden weiterzugeben.



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