Washington. Das US-Repräsentantenhaus hat nach monatelanger Blockade ein milliardenschweres Hilfspaket mit dringend benötigten Waffenlieferungen für die von Russland angegriffene Ukraine gebilligt. Die Parlamentskammer verabschiedete am Samstagnachmittag (Ortszeit) einen entsprechenden Gesetzentwurf, der rund 61 Milliarden US-Dollar (57 Milliarden Euro) für Kiew enthält. Die nötige Zustimmung des Senats steht noch aus, gilt aber als sicher. Der Entwurf wurde in der Kammer, in der die Republikaner eine hauchdünne Mehrheit haben, mit einer überparteilichen Mehrheit von 311 zu 112 Stimmen angenommen.

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Im Plenum gab es nach der Abstimmung Applaus. Etliche Abgeordnete wedelten mit Ukraine-Flaggen und riefen „Ukraine, Ukraine“. Sie wurden zur Ordnung gerufen. Zahlreiche Republikaner votierten gegen die Hilfen, konnten aber die Annahme mithilfe der Demokraten von US-Präsident Joe Biden nicht verhindern. Die Republikaner haben in der Kammer eine hauchdünne Mehrheit.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj zeigte sich im Anschluss erfreut über die Entscheidung des Repräsentantenhauses. Er sei beiden Parteien sowie persönlich dem republikanischen Vorsitzenden des Repräsentantenhauses, Mike Johnson, „dankbar für die Entscheidung, die die Geschichte auf dem richtigen Weg hält“schrieb er auf X (ehemals Twitter). „Demokratie und Freiheit werden immer eine globale Bedeutung haben und niemals scheitern, solange Amerika zu ihrem Schutz beiträgt.“ Das neue Hilfsgesetz werde die Ausweitung des Krieges verhindern, Abertausende Leben retten, „und unseren beiden Nationen helfen, stärker zu werden“.

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Außenministerin Annalena Baerbock sprach nach dem Votum von einem „Tag der Zuversicht für die Ukraine und Europas Sicherheit“. „Eine große Hürde für die US-Ukraine-Hilfe ist genommen“, schrieb die Grünen-Politikerin am Samstagabend auf der Plattform X (vormals Twitter). „Die Herzen der wichtigsten Ukraine-Unterstützer schlagen wieder im Takt.“ Die USA und Europa stünden gemeinsam auf der Seite der Freiheit und gegen den „Terrorkrieg“ des russischen Präsidenten Wladimir Putin.

Biden hat Hilfe für Ukraine schon im Oktober beantragt

US-Präsident Biden hatte die zusätzliche Hilfe für die Ukraine schon im vergangenen Oktober beantragt, als die Bestände des ukrainischen Militärs zunehmend kleiner wurden. Das von den Republikanern kontrollierte Repräsentantenhaus konnte sich aber seither nicht auf einen klaren Kurs einigen. Viele Republikaner sind ohnehin skeptisch, was die weitere Unterstützung der Ukraine angeht. Zwischenzeitlich wollten einige die weitere Unterstützung Kiews an Zugeständnisse beim Schutz der US-Grenze zu Mexiko knüpfen.

Der republikanische Vorsitzende des Abgeordnetenhauses, Mike Johnson, musste auf die Unterstützung der Demokraten bauen, um die Vorhaben voranzubringen. Durch die Zusammenarbeit mit den Demokraten riskiert er seinen Posten als Vorsitzender der Kammer. Eine kleine aber wachsende Gruppe von Abgeordneten aus dem rechten Flügel der Republikaner fordert mittlerweile seinen Rücktritt. Mehrere radikale Abgeordnete, die Ex-Präsident Donald Trump treu ergeben sind, stemmten sich gegen die Ukraine-Hilfe. Erst im Herbst war sein Vorgänger Kevin McCarthy in einer ähnlichen Situation seines Amtes enthoben worden.

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Präsident Joe Biden befürwortete den von Johnson vorgestellten Plan und am Freitag stimmten viele seiner Demokraten mit zahlreichen Republikanern dafür, den Weg für die Abstimmungen freizumachen – ein seltenes Beispiel parteiübergreifender Zusammenarbeit in einem tief gespaltenen US-Kongress.

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Hilfspakete auch für Israel und Taiwan

Das Repräsentantenhaus votierte am Samstag nicht nur für die Unterstützung für Kiew. Der Vorsitzende Johnson stellte weitere Pakete zur Abstimmung. Ein weiterer Entwurf sieht gut 26 Milliarden US-Dollar für Israel vor. Einerseits sollen damit zum Beispiel Israels Raketenabwehr und die laufenden Militäroperationen der USA in der Region finanziert werden. Andererseits sind rund neun Milliarden US-Dollar für humanitäre Unterstützung gedacht, darunter für die Menschen im Gazastreifen.

Bereits angenommen sind rund acht Milliarden US-Dollar an Unterstützung für Taiwan und den Indopazifik-Raum und ein Text, der einen Verkauf der chinesischen Kurzvideo-App Tiktok vorsieht sowie Sanktionen gegen den Iran und die Beschlagnahmung russischer Vermögenswerte.

Senatschef droht das Aus

Eigentlich hatte der Senat bereits im Februar für ein von Biden beantragtes milliardenschweres Hilfspaket votiert. Dieses sah ebenfalls Milliardenhilfen für die Ukraine, Israel und Taiwan vor. Im Repräsentantenhaus kam es aber nie zu einer Abstimmung, weil in der von den Republikanern dominierten Kammer ein parteiinterner Machtkampf tobt. Der Vorsitzende Johnson wird vor allem vom rechten Rand seiner Partei mächtig unter Druck gesetzt.

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Der Sprecher des Repräsentantenhauses, Mike Johnson.

Der Sprecher des Repräsentantenhauses, Mike Johnson.

Einen ersten Antrag für seine Abwahl reichte die stramm rechte Republikanerin Marjorie Taylor Greene bereits Ende März ein, später schlossen sich zwei weitere Abgeordnete der Partei an. Für sie ist die Abstimmung über Ukraine-Hilfen eine rote Linie. Ob Greene wirklich eine Abstimmung über Johnsons Abwahl forcieren wird, ist offen. Sollte sie dies tun, wäre Johnson wegen der knappen Mehrheit in der Kammer wohl auch hier auf die Unterstützung der Demokraten angewiesen. Auf die könnte er vermutlich zählen, da diese seit Monaten auf die Ukraine-Hilfen dringen.

Die USA gelten als wichtigster Verbündeter der Ukraine im Abwehrkampf gegen die russische Invasion. Seit Kriegsbeginn im Februar 2022 hat die Regierung von Präsident Biden militärische Hilfe im Umfang von mehr als 44 Milliarden US-Dollar für Kiew bereitgestellt. Hinzu kommen noch weitere Milliarden an nicht-militärischer Finanzhilfe. Die vom Kongress genehmigten Mittel sind nach Angaben der US-Regierung aufgebraucht – deshalb ist die Abstimmung über neue Hilfsmittel von großer Bedeutung.

RND/dpa/AP/jst





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