Die EU-Kommission will Einfuhren von russischem Getreide mit höheren Zöllen belegen. Die Behörde habe einen entsprechenden Vorschlag erarbeitet, sagte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nach Gesprächen der EU-Staats- und Regierungschefs bei einem Gipfel in Brüssel. Den EU-Mitgliedsländern vorgelegt werden soll er voraussichtlich an diesem Freitag. Betroffen wären neben Getreide auch weitere Agrarprodukte aus Russland und Belarus.

Laut von der Leyen soll zudem verhindert werden, dass aus der Ukraine gestohlenes Getreide in die EU verkauft wird. Russisches Getreide dürfe nicht den EU-Markt destabilisieren und Russland dürfe keinen Nutzen aus dem Export dieser Waren ziehen, sagte sie.

Sowohl die Ukraine als auch Russland zählten bis Kriegsbeginn zu den größten Getreideexportnationen weltweit. Seit seinem Überfall auf die Ukraine versucht Russland, seine Rolle auf dem Weltmarkt noch weiter zu stärken und ärmere Länder im globalen Süden von seinen eigenen Getreidelieferungen abhängig zu machen. Zu diesem Zweck raubt Russland auch Getreide aus den besetzten Gebieten und greift systematisch kritische ukrainische Infrastruktur wie die Schwarzmeerhäfen des Landes an, die bis Kriegsbeginn wichtigster Ausgangspunkt für die ukrainischen Getreideexporte gewesen waren.

Wert der Einfuhren nahm nach Kriegsbeginn zu

Zahlen des europäischen Statistikamts Eurostat zeigen, dass die EU-Staaten ihre Getreideimporte aus Russland in den vergangenen Jahren deutlich gesteigert haben. 2020 hatte der Wert dieser Einfuhren in die EU noch bei knapp 120 Millionen Euro gelegen, 2021 waren es gut 290 Millionen Euro. Im ersten Kriegsjahr 2022 importierten die EU-Staaten dann russisches Getreide im Wert von 325 Millionen Euro und ein Jahr später für fast 440 Millionen Euro.

Mit dem Vorschlag für die Erhöhung der Zölle kommt die EU-Kommission einer Forderung mehrerer EU-Staaten nach. In einem Brief an die EU-Kommission hatten die Landwirtschaftsminister Tschechiens, Estlands, Lettlands, Litauens und Polens kurz vor dem derzeitigen EU-Gipfel Importbeschränkungen für russisches Getreide gefordert. Denn mit den Gewinnen aus den Getreideexporten in die EU finanziere Russland auch seinen Krieg gegen die Ukraine, argumentierten die Minister. Sie forderten die Kommission zudem auf, zu prüfen, inwiefern die Einfuhr von Agrarprodukten russischer und belarussischer Herkunft in die EU grundsätzlich weiter gedrosselt werden könne.

Kommission verweist auf Zölle statt Sanktionen

Kritik an den anhaltenden Getreideimporten aus Russland kam auch aus der Ukraine. Präsident Wolodymyr Selenskyj warf den EU-Staaten in einer Videobotschaft zum Gipfel vor, weiterhin “ungehindert” russische Agrarprodukte zu importieren.

Brisant ist der Vorschlag der Kommission, weil die EU die Ein- und Ausfuhr von Agrarprodukten eigentlich nicht beschränken wollte. Die Kommission argumentiert nun, dass es sich bei Zöllen nicht um Sanktionen handele. Zudem soll nach ihren Angaben garantiert werden, dass die Abgaben nur für Importe gelten, die in der EU verbleiben. Russische Exporte in andere Weltregionen sollen durch sie nicht teurer werden.         

Kurz vor dem Gipfel hatte die EU sich auf Zugeständnisse an die europäischen Bauern zulasten der Ukraine geeinigt. Geplant ist ab Juni eine sogenannte Notbremse für die zollfreie Einfuhr ukrainischer Agrarprodukte wie Hafer oder Geflügel. Vor allem in Polen und Frankreich klagen Landwirte über Preisdumping durch die billigeren ukrainischen Produkte. Mitgliedsländer und Europaparlament müssen die Änderung noch formell beschließen.



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