Kommunikationswissenschaftler haben Reden von Bundestagsabgeordneten auf ihre Verständlichkeit untersucht – und das Ergebnis ist besser als erwartet. Formale Verständnishürden seien
nicht vorhanden, sagte der Kommunikationswissenschaftler Frank Brettschneider von der Universität Hohenheim. Bei einigen Abgeordneten sei aber
durchaus noch “Luft nach oben”. 

Gemeinsam mit
Journalistinnen und Journalisten des Deutschlandfunks hatten Brettschneider und sein Team knapp hundert
Reden der Bundestagshaushaltswoche im September 2023 analysiert.

Die formale Verständlichkeit wurde anhand von Kriterien wie
Wort- und Satzlängen sowie Satzkonstruktionen untersucht. Auch Fremdwörter,
Fachbegriffe und Anglizismen erschweren die Verständlichkeit. Zudem wurden seit Langem bestehende Lesbarkeitsformeln einbezogen. Der daraus entwickelte
“Hohenheimer Verständlichkeitsindex” reicht von null Punkte (schwer verständlich)
bis 20 Punkte (leicht verständlich).

Reden von Linken und Unionspolitikern verständlicher

Die nach diesen Kriterien verständlichste Rede der Haushaltswoche hielt
Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP), die auf einen Wert von 19,2
kam. Mit einem Wert von 8,2 schnitt Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) unter
den Kabinettsmitgliedern am schlechtesten ab. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD)
kam auf einen Wert 14,3 und damit auf Platz 57. Oppositionsführer Friedrich Merz
(CDU) auf 13, was Platz 71 entspricht. 

Einfacher und verständlicher drücken sich im Bundestag nach der Untersuchung
vor allem die Abgeordneten der Linken aus, gefolgt von denen der Union. Die
SPD-Fraktion liegt auf dem dritten Rang. Am schlechtesten schneiden die Grünen
ab. In der Haushaltswoche waren Reden der Opposition (15,9) verständlicher als
die des Regierungslagers (14,2).

Der Durchschnitt für alle untersuchten Reden lag bei 15 Punkten. Das war
besser als die Reden der Vorstandsvorsitzenden auf den Hauptversammlungen der
DAX-40-Unternehmen im vergangenen Jahr, für die die Universität Hohenheim einen
Durchschnittswert von 13,7 Punkten ermittelte. 

Bärbel Bas: komplexe Themen verständlicher auf den Punkt bringen

Besonders erschwert wird die Verständlichkeit von Reden durch “Monster- und
Bandwurmsätze”, wie die Sprachwissenschaftler festhielten. Politiker verpackten
daher unangenehme Aussagen gern in Schachtelsätzen, sagte Brettschneider.

Bundestagspräsidentin Bärbel Bas begrüßte die Untersuchung. “Das Ergebnis
fordert uns heraus, komplexe Themen noch verständlicher auf den Punkt zu
bringen – ohne polemisch oder unsachlich zu werden”, sagte die SPD-Politikerin
der Nachrichtenagentur dpa. Bas hatte seit Beginn ihrer Amtszeit als Bundestagspräsidentin an die
Abgeordneten appelliert, sich um eine verständliche Sprache zu bemühen. “Unsere Debatten sind öffentlich und sollen möglichst viele Menschen
erreichen. Wir Abgeordnete müssen daher komplizierte Zusammenhänge einfach und
verständlich erklären.”



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