Beim Angriff auf einen Baumarkt in Charkiw kamen mindestens 16 Menschen ums Leben.

Beim Angriff auf einen Baumarkt in Charkiw kamen mindestens 16 Menschen ums Leben.

Foto: IMAGO/Le Pictorium

Russlands Armee hat am Wochenende die zweitgrößte ukrainische Stadt Charkiw mehrfach angegriffen. Nachdem am Donnerstag beim Einschlag einer russischen Rakete in einer der größten Druckereien Osteuropas sieben Mitarbeitende ums Leben gekommen waren, starben am Sonnabend beim Angriff auf einen Baumarkt mindestens 16 Menschen.

Das russische Militär behauptete, die ukrainischen Streitkräfte hätten dort ein Waffenlager versteckt, und beschuldigte die Ukraine, die Baumarktbesucher als menschliche Schutzschilde benutzt zu haben. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj bezeichnete den Angriff in seiner täglichen Videoansprache als »weitere Manifestation des russischen Wahnsinns«.

Für die ukrainische Armee wird die Lage an der Front derweil immer schwieriger. Durch das Vorrücken auf Charkiw kann Russland die Millionenstadt relativ ungehindert beschießen. Erfolge gibt es aus russischer Sicht auch im Donbass. Dort hat die Armee nach Angaben der Analysten von Deep State mindestens eine strategisch wichtige Ortschaft eingenommen. Außerdem soll Moskau Truppen zum Angriff auf das Gebiet Sumy zusammenziehen.

Russland produziert mehr Geschosse als der Westen

Einem Bericht der britischen Sky News zufolge schafft es Russland zudem, mehr Waffen zu produzieren als der Westen. Der Fernsehsender zitiert eine Erhebung des Beratungsunternehmens Bain & Company, wonach Russland dreimal mehr Artilleriegeschosse herstelle als die USA und die Länder der EU. Für 2024 prognostiziert das Unternehmen 4,5 Millionen Geschosse russischer Produktion gegenüber 1,3 Millionen aus westlichen Fabriken. Hinzu komme, dass Russland zu einem Viertel des Preises produzieren kann.

Das führt zunehmend zu einem russischen Übergewicht an der Front. Für jedes ukrainisches Geschoss können die Russen fünf abfeuern, zitiert Sky News ukrainische Militärs, die weitere Waffenlieferungen fordern.

Debatte um westliche Waffen

Die Angriffe auf Charkiw befeuern auch die Debatte um den Einsatz westlicher Waffen in der Ukraine und gegen russisches Territorium erneut. In der »Neuen Osnabrücker Zeitung« plädierte der CDU-Politiker Roderich Kiesewetter dafür, dass westliche Staaten die Luftabwehr über der Westukraine übernehmen, damit die ukrainische Armee sich auf den Osten des Landes konzentrieren kann. »Eine Koalition der Willigen könnte ihre eigene Luftabwehr in einem Korridor von 70 bis 100 Kilometern auf das westliche Territorium der Ukraine ausdehnen«, sagte Kiesewetter.

Die Ukraine hatte zuletzt öffentlich von den USA gefordert, mit westlichen Waffen auch russisches Staatsgebiet angreifen zu dürfen. Kiew sprach von militärischen Einrichtungen als Ziel. Laut »New York Times« will US-Außenminister Antony Blinken Präsident Joe Biden zu einer Aufhebung der Einschränkungen bewegen.

Stoltenberg und Reitschuster wollen Angriffe in Russland

Auch Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg brachte erneut Schläge gegen Russland ins Gespräch. Es sei an der Zeit, die Frage zu überdenken, ob man nicht gewisse Einschränkungen aufheben sollte, sagte Stoltenberg im Interview mit »The Economist«. Ein Nein zu Angriffen auf Russland würde die Selbstverteidigung der Ukraine schwächen, so der Norweger weiter.

Ähnlich äußerte sich am Wochenende der Bündnis 90/Grünen-Europapolitiker Anton Hofreiter. »Es geht hier um den Schutz der ukrainischen Bevölkerung. Daher sollten wir die Ukraine nicht daran hindern, mit den gelieferten Waffen russische Kampfjets auch im russischen Luftraum abzuwehren«, sagte der Vorsitzende des Europaausschusses im Bundestag den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Das Völkerrecht erlaube solche Angriffe, so Hofreiter weiter.

Scholz bleibt beim Nein

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) vertritt hingegen eine andere Auffassung: Für die deutschen Waffenlieferungen gebe es »klare Regeln, die mit der Ukraine vereinbart sind, und die funktionieren«, sagte Scholz am Sonntag. Das Ziel seiner Ukraine-Politik sei die »Verhinderung, dass da ein ganz großer Krieg draus wird«. Die Lieferung deutscher Waffen für die Selbstverteidigung der Ukraine dient laut Scholz auch dazu zu »verhindern, dass es zu einer Eskalation des Krieges, zu einem Krieg zwischen Russland und der Nato kommt«.

Noch weiter ging Russlands Ex-Präsident Dmitri Medwedew. »Ein Angriff der Amerikaner auf unsere Ziele bedeutet den Beginn des Dritten Weltkriegs«, drohte Medwedew in den sozialen Medien. Mit Agenturen

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