Von Mitarbeitern des Österreichischen Verfassungsschutzes über Ex-Wirecard-Chef Marsalek bis hin zu Autokrat Putin gibt es eine psychologische Linie.

Comicfigur zeigt einen grinsenden Superhelden, der die Faust zum Schlag ansetzt

Das rechtspopulistische Schema setzt auf eine Reduktion der Gewaltenteilung und setzt auf ein Recht des Stärkeren Foto: Benoit Chartron/picture alliance

Österreich kommt aus den Superlativen nicht hinaus. Nach der größten Pleite mit René Benko nun der größte Spionageskandal der österreichischen Geschichte: Zwei ehemalige Verfassungsschützer sowie Ex-Wirecard Chef Jan Marsalek sollen über Jahre hinweg Zielpersonen ausspioniert und Informationen an den russischen Geheimdienst verkauft haben.

Sollen. Denn derzeit gibt es noch eine Zwittersituation – wo der Verdacht herrscht und zugleich die Unschuldsvermutung gilt. Aber dennoch stellt sich die Frage: Was ist das Motiv? Was bringt Leute, die an neuralgischen Stellen des Staates und der Gesellschaft sitzen, dazu, Informationen zu verkaufen: Gier? Abenteuerlust? Politische Überzeugung?

Auch wenn die drei mutmaßlichen Spione so unterschiedlich sind wie zwei Polizisten, ehemalige Verfassungsschützer, Beamte also, und ein Unternehmer. Auch wenn diese unterschiedliche Beweggründe gehabt haben mögen – es gibt eines, das in allen Beschreibungen vorkommt: eine Gemeinsamkeit, ein Gleichklang des Charakters gewissermaßen. Nämlich das, was allerorten einhellig als „Selbstüberschätzung“ bezeichnet wird.

Solch übersteigertes Selbstbewusstsein findet sich in den Schilderungen von Egisto Ott – jenem Gendarmen aus Kärnten, der es zum Staatsschützer gebracht hat. Sein ehemaliger Vorgesetzter – der frühere Chef des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) – beschreibt ihn als „selbstherrlich, geltungsbedürftig, rechthaberisch“.

Der Charakter der Selbstüberhöhung

Auch Martin Weiss, der andere ehemalige BVT-Mann, hat nicht nur einen vergleichbaren Werdegang – von der Polizei über die Bekämpfung der Auslandsspionage (ausgerechnet!) hin zum späteren Sicherheitsberater von Jan Marsalek. Ihm wird auch ein vergleichbarer Charakter der Selbstüberhöhung bescheinigt.

Und der Dritte im Bunde – der ehemalige Wire-Card Vorstand Jan Marsalek– treibt solche Machtfantasien auf die Spitze: Ihm wird nicht nur eine Neigung zum Größenwahn zugeschrieben, sondern auch eine Besessenheit mit Krieg. Laut einer Quelle „habe Marsalek einmal gesagt, er werde bald mit einer Privatarmee die Welt übernehmen“, so die Süddeutsche Zeitung.

Die Verbindung von Selbstüberschätzung mit den Vergehen, die ihnen zur Last gelegt werden, hat eine erstaunliche innere Logik: Die Anmaßung solcher Akteure hebt die Gewaltentrennung gewissermaßen individuell auf. Damit birgt die Spionageaffäre eine unerwartete Lektion in Sachen Demokratie. Die staatliche Gewalt wird geteilt, aufgeteilt, um sie nicht in einer Hand zu konzentrieren. Damit soll sie eingeschränkt, reduziert, eingehegt werden.

Hier zeigt sich nun: Solche Gewaltenteilung ist nicht nur eine Sache der staatlichen Organisation, der objektiven Institutionen also. Sie bedarf auch einer entsprechenden subjektiven, mentalen Einstellung – einer persönlichen Gewaltenteilung gewissermaßen. So wie die staatliche Gewalt Kontrolle braucht, so brauchen offenbar auch staatliche Akteure eine charakterliche Einschränkung ihres Egos.

Verquickung der Sicherheitsdienste mit der Politik

Wobei solche Begrenzung hier nicht nur subjektiv, sondern auch objektiv unterlaufen wurde – durch die Verquickung der Sicherheitsdienste mit der Politik. Der mentalen folgte die reale Aufhebung der Gewaltenteilung.

Das ist der Punkt, wo dieser markante Charakterzug einer bestimmten politischen Haltung Vorschub leistet. Auch wenn es bei den möglichen Handlungsmotiven vordergründig um Geld, um mehr Geld, um Gier geht. Auch wenn Fantasien des Spionageabenteuers eine Rolle gespielt haben mögen – so hat sich damit auf verquere Weise doch auch eine politische Überzeugung Bahn gebrochen.

Denn all dies entspricht genau dem rechts­populistischen Schema: Dieses zielt auf eine Reduktion der Gewaltenteilung und setzt auf ein Recht des Stärkeren. Daraus ergibt sich eine weitere Affinität ganz von alleine: jene zu Putins Russland. Denn dort ist genau solches Staat geworden. Putins Russland verkörpert die Aufhebung aller Gewaltenteilung geradezu – persönlich und institutionell. Nicht zufällig dient dieses Russland solchen Typen als Vorbild und Verbündeter.



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