München – Dieser erneute Rückschlag, diese zwei verlorenen Punkte nach 2:1-Führung, fühlen sich für die Bayern-Verantwortlichen noch schlimmer an als das demütigende 0:3 vor drei Wochen in Leverkusen. Beim Tabellenführer und designierten Meister 2024 waren die Münchner total unterlegen. Das 2:2 in Freiburg war unnötig und fahrlässig.

Und damit ein Ausdruck der Hilflosigkeit, die diese Mannschaft und ihr ratloser Trainer Thomas Tuchel momentan ausstrahlen. Die Ehe, die zum Saisonende vorzeitig geschieden wird, ist nur noch ein Zweckbündnis und damit eine Trennung mit tickender Zeitbombe. Es wirkt so, als haben sich die beiden Parteien, hier der Chefcoach und sein Stab, dort das Team, kaum noch etwas zu sagen. Hören sie sich überhaupt noch zu?

FC Bayern: Tragen für die Punktverluste immer nur die Spieler die Schuld?

“Undiszipliniert in den Positionen, teilweise Harakiri”, so der Vorwurf von Tuchel nach dem Spiel gegenüber seinen Spielern. “Wir haben Dinge gemacht, die haben wir noch nie trainiert, über die haben wir noch nie gesprochen. Wir haben kopflos gespielt die erste halbe Stunde, eine schreckliche halbe Stunde.” Er sagt zwar “wir”, meint aber: die Spieler, die Mannschaft. Über den Systemwechsel kurz vor Ende, der auch ein Auslöser des späten Gegentores war, meinte er achselzuckend und genervt: “Das ist keine Raketenwissenschaft.” Zum wiederholten Male präsentiert sich der Fußballlehrer entsetzt und ratlos darüber, was seine Schüler trotz – angeblich – bestem Lernstoff darbieten. Setzen, sechs! Aber tragen dann immer nur die Schüler die Schuld?

Die Diskrepanz zwischen der Mannschaft und Tuchel in Sachen Anspruch und Wirklichkeit, in der Frage von Theorie und Praxis scheint mir nie größer gewesen zu sein wie dieser Tage. Mit seiner Körpersprache an der Seitenlinie, dem ungläubigen Kopfschütteln nach missglückten Aktionen und der demonstrativen Ratlosigkeit in den Interviews stärkt Tuchel das Binnenklima nicht.

FC Bayern: Kann es sich die neue Vereinsführung leisten, Tuchel um jeden Preis zu halten?

In seinen Analysen wird Tuchel, der stets ehrlich antwortet (Punkt für ihn) immer schonungsloser. Nach der Klarheit über seinen nahenden Abschied wollte er rücksichtsloser coachen, tatsächlich äußert er sich immer fatalistischer. Als habe er selbst ganz und gar nichts mehr zu verlieren. Der Verein – und damit die Entscheidungsträger – schon. Die Versetzung von Lehrer Tuchel ist akut gefährdet. Der neue Sportvorstand Max Eberl muss gleich Folgendes mitentscheiden: Auf Risiko weiterwursteln, weitertucheln?

Die Meisterschaft ist verloren, Leverkusen kann am Sonntag auf zehn Punkte davonziehen. Mit dem Weiterkommen im Achtelfinal-Rückspiel der Champions League gegen Lazio Rom (Hinspiel 0:1) könnte die komplette Katastrophe einer dann völlig verkorksten Saison noch abgewendet werden. Aber was, wenn nicht? Scheidet Bayern gegen die Italiener (das Viertelfinale gegen das mittelklassige Lazio zu erreichen, ist im Grunde Pflicht!) aus, müssen sich die Bosse den Vorwurf gefallen lassen, nicht vorher schon gehandelt und einen neuen Impuls gesetzt zu haben. Tuchel möchte mit einem Achtungserfolg in der Königsklasse, seinen Chefs beweisen, dass sie sich mit ihrem Urteil über ihn getäuscht haben. Nur: Zieht die Mannschaft uneingeschränkt mit, wenn Tuchel am Dienstag sein letztes Blatt ausspielt?





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