München – Wenn elf gehemmte, uninspirierte Löwen in Rückstand gehen, eine schwere Verletzung erleiden und eine Rote Karte hinnehmen müssen – und zehn unbeugsame Löwen trotz Unterzahl ihre Herzen in die Hand nehmen und einen weiß-blauen Wirbelsturm erzeugen: Sechzig gegen Saarbrücken – es war ein Spiel zweier völlig unterschiedlicher 1860-Gesichter.

TSV 1860 kassiert drei Nackenschläge in Hälfte eins

Da war das 0:1, bei dem Michael Glück den Ball im Vorwärtsgang leichtfertig verlor, bei dem die Routiniers Tim Rieder und Jesper Verlaat nacheinander hinfielen und FCS-Pokalheld Kai Brünker das Giesinger Geschenk dankend annahm (9.). Eine Verkettung unglücklicher und fahrlässiger Ereignisse, die 1860 auf die (vermeintliche) Verliererstraße brachte.

Da war zudem die bittere Verletzung von Kilian Ludewig, der von Marcel Gaus vom Bayern-Bezwinger derart umgegrätscht wurde (25.), dass er sich laut Sport-Boss Christian Werner womöglich “etwas gebrochen” hat. Fünf Minuten später humpelte er gestützt vom Feld. Ein Fußball-Drama, das eine Mannschaft erst einmal wegstecken muss.

Und dann war da zu allem Überfluss auch noch ein Platzverweis: Leroy Kwadwo foulte Simon Stehle als letzter Mann – und flog mit Rot vom Platz (44.). Eine vertretbare Entscheidung von Schiedsrichterin Fabienne Michel, die zuerst Gelb in der Hand hatte, die Szene aber in Absprache mit ihrem Assistenten als Notbremse wertete. Der Ärger bei den 1860-Fans war dennoch groß, da man zuvor das folgenschwere Einsteigen gegen Ludewig der Kategorie dunkelgelb auch hätte ahnden müssen, anstatt weiterlaufen zu lassen.

“In der ersten Hälfte ist viel schiefgelaufen” – dann dreht der TSV 1860 richtig auf

Dem ganzen Grünwalder Stadion schien zur Pause klar zu sein: Der Sieger des Duells an diesem nass-frostig-windigen Tag kann nur Saarbrücken heißen. “Für uns hat das Spiel denkbar schlecht begonnen, gegen einen starken Gegner: Ballverlust, ausgerutscht, Gegentor”, bilanzierte Trainer Argirios Giannikis und bezeichnete die Rote Karte als “maximal schlecht für uns”. Spielmacher Julian Guttau meinte selbstkritisch: “In der ersten Hälfte ist viel schiefgelaufen.”

Es folgte eine blaue Sensationsreaktion: Trotz Rückstand, Verletzungsschock und vor allem der Unterzahl bäumten sich zehn bissige Löwen leidenschaftlich auf. Zehn Münchner wohlgemerkt, die angesichts des fast sicheren Klassenerhalts die noch um den Aufstieg kämpfenden Saarländer mit einem Mann weniger plötzlich dominierten. Elf Freunde müsst ihr sein – oder eben zehn Löwen!

Lies seinen Emotionen nach dem Tor freien Lauf: Youngster Tim Kloss.

1860-Trainer Giannikis mit dem goldenen Händchen

Coach Giannikis gelang nicht nur mit der taktischen Umstellung auf eine notgedrungene Fünferkette ein Geniestreich, auch das dazugehörige Personal konnte glänzen: Der zur Pause eingewechselte Junglöwe Tim Kloss (19) blieb nicht nur defensiv cool wie ein alter Sechzger-Recke, er köpfte nach einer Ecke von Joker Albion Vrenezi sogar den vielumjubelten Ausgleich (84.). “Die Emotionen im Körper sind unfassbar. Es ist einfach pure Euphorie”, jubilierte der Youngster hinterher.

Sechzig hätte sogar noch siegen können. So avancierten die Löwen, wohl nicht nur für Frey, zum “moralischen Sieger” auf Giesings kühlen Höhen.





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